Ein großer Hebel

Der Impact nachhaltiger Investments die Ansprüche des WWF an die Kriterien hierfür.

Erika Singer vom WWF
© WWF / Vincent Sufiyan

BIORAMA: Warum ist nachhaltiges Investment so relevant?

Erika Singer: Finanzinstitute arbeiten mit Geldern, die ihnen die Kunden in Form von Einlagen zur Verfügung stellen. Sie werden zum Beispiel am Kapitalmarkt in Unternehmen investiert oder in Form von Krediten an Unternehmen und Privatpersonen weitergegeben. Anleger und Finanzinstitute entscheiden über die Ausrichtung von Geldflüssen in enormer Höhe. In jedem Fall steht ein Wachstum des Geldes im Vordergrund – sei es durch Renditen oder durch Zinsen. Das betrifft sowohl

Veranlagung als auch Kredite. Finanzinstitute triff damit die zentrale Verantwortung, eine Transformation zur Erreichung der Ziele (Klima, Kreislaufwirtschaft, Biodiversität) zu unterstützen, doch das trifft derzeit noch zu einem nur sehr kleinen Teil zu. Dabei kann der Hebel deutlich größer sein als jener einer Entscheidung im privaten Konsumverhalten. Für eine effektive Transformation des Finanzsektors braucht es mehr Druck durch klare, regulatorische Vorgaben. Konkret heißt das, es braucht zunächst Regelungen für mehr Transparenz. Dadurch schafft man Vergleichbarkeit und kann das Bewusstsein schärfen was mit dem investierten Geld passiert. Schließlich sollte eine Investition in ein zukunftsfähiges, nachhaltiges Geschäftsmodell im Interesse aller sein. Denn auch Anlegern und Finanzdienstleistern ist es wichtig Risiken zu minimieren. Denn wer heute in ein Kohlekraftwerk investiert, hat wohl ein sehr kurzsichtiges Zukunftsbild.

BIORAMA: Wie definiert der WWF hier Nachhaltigkeit?

Für uns als WWF ist es wichtig, dass neben ökonomischen auch ökologische Kriterien zur Beurteilung von Nachhaltigkeit in eine Finanzentscheidung einfließe. Im Finanzsektor haben sich die sogenannten ESG Faktoren (Environment, Social, Governance) etabliert, die in Kombination sicherstellen sollen, dass man im Einklang mit seinem ökologischen und sozialen Umfeld agiert. Auch die EU-Taxonomie bezieht sich aktuell auf Umweltkriterien, um Transparenz und Vergleichbarkeit zu fördern.

BIORAMA: Hätte der WWF die Regularien gerne strenger?

Die EU-Taxonomie ist ein wichtiger Schritt um zu beantworten, was Nachhaltigkeit im Finanzssektor überhaupt bedeutet. Ich halte sie für eine großartige und wichtige Initiative der EU. Als WWF sind wir aber besorgt darüber, dass die Gas- und Atomindustrie versucht, die wissenschaftliche Grundlage der Taxonomie zu untergraben. Wir vertreten ganz klar die Meinung, dass diese in einer Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten keinen Platz hat. Da der WWF als Mitglied der Technical Expert Group (TEG) die Taxonomie mitentwickelt hat, stehen wir voll dahinter und erwarten, dass die Europäische Kommission die Vorschläge der TEG ohne Änderungen übernimmt. Aktuell beziehen sich die Kriterien der Taxonomie auf die ersten beiden Umweltziele – Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Wichtig ist für uns jetzt insbesondere die Weiterentwicklung der Taxonomie auf weitere Umweltziele, insbesondere der Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme sowie die nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresresourcen. Der WWF möchte dazu aktiv beitragen.

Der WWF schreibt selbst, dass der Finanzmarkt sehr intransparent ist. Wie kann eine Organisation hier verlässliche Quellen finden, welche Quellen gibt es international und wie schaffen diese Vertrauen?

Innerhalb des Finanzsektors gibt es das Thema schon länger, aber es wurde stiefmütterlich behandelt. Schon in der Vergangenheit wurden Produkte entwickelt – mit unterschiedlichen Ansätzen zu Ausschluss- und Positivkriterien.

Hier ist die EU gefordert, um Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen. Teil der neuen Regelungen ist auch eine Offenlegungsverordnung mit einheitlichen Vorgaben dazu, welche Informationen zu Finanzinstrumenten offen gelegt werden müssen. Außerdem gibt es die Taxonomie und den Green- Bond-Standard, die Vergleichbarkeit ermöglichen sollen. Wenn ein Unternehmen nun öffentlich drüber spricht sich nachhaltig auszurichten und das nicht der Wahrheit entspricht, wird das für das Unternehmen zum Risiko. Solche Aussagen zu verifizieren ist nicht banal und genau deswegen braucht man einheitliche Vorgaben und Unternehmen müssen wahrheitsgemäß antworten. Man kann daher davon ausgehen, dass Informationen, die aus regulatorischen Gründen kommuniziert werden einen Wahrheitsgehalt haben.

BIORAMA: Es gibt hier sehr unterschiedliche Ansätze, wie harte Linien gegenüber einzelnen Branchen oder auch Best-in- Class-Ansätze. Welchen Weg schlägt der WWF hier ein?

Wir sind keine Ratingagentur. Für uns ist immer wichtig Mindeststandards festzulegen, die gewisse Dinge ausschließt wie fossile Energie, Atomenergie, Waffen und anderes Davon ausgehend gibt es unterschiedliche Ansätze, wie man geeignete Unternehmen für ein Investment auswählt. Hier kommt es etwa auch auf den Sektor an. Bei allgemein positiver abschneidenden Sektoren ist ein Bewertungsansatz nach dem Best-in-Class-Prinzip eine Option.

BIORAMA: Der WWF arbeitet mit heimischen Unternehmen zusammen (Erste, Allianz), um in deren Auftrag deren Portfolio zu durchleuchten. Ganz allgemein: Wie offen und ehrlich interessiert sind die Unternehmen dabei?

Die Allianz ist schon sehr lange ein Kooperationspartner vom WWF. Im Rahmen der Kooperation haben wir gemeinsam mit 40 anderen NGOs mit anderen Schwerpunkten ein Ratingmodell entwickelt, welches seither angewendet wird um das Investmentportfolio der Allianz hinsichtlich Nachhaltigkeit zu bewerten. Es gibt aber nicht bei allen Kooperationspartnern die gleiche Ausrichtung. So arbeiten wir auch mit Erste Asset Management oder der BKS Bank zusammen, um diese zu unterstützen ihr Geschäftsmodell zu transformieren. Dabei werden immer klare Ziele vereinbart und die Kooperationspartner müssen das ernst nehmen und dahinter stehen. Zentral ist die inhaltliche Zusammenarbeit – es gibt von uns keine Siegel und Zertifikate, wenn das nicht passt.

BIORAMA: Welche Internationalen Unterschiede gibt es? Etwa zwischen Deutschland und Österreich? Wie schlagen sich die offiziellen Institutionen und Bemühungen hier aus der Sicht des WWF? Was könnte noch besser laufen?

Es gibt einzelne Länder mit Vorreiterrolle, wie die Niederlande, wo sich schon vor Jahren Finanzinstitute zusammengeschlossen haben, um eine Transformation einzuläuten. Auch in Deutschland ist der Fokus groß und es haben sich erst im Juni 16 Banken zusammengeschlossen und sich selbst zu Veränderung verpflichtet. Es passiert viel. In der EU sind durch neue Regularien alle Mitgliedsstaaten unter Druck ausgesetzt – das wird allen Mitgliedstaaten eine Vorreiterrolle bringen.

BIORAMA: In Österreich hat im Sommer der Bankenverband große Veränderungen angekündigt.

Wir haben als WWF eine neue Kooperation mit der Bank Austria, deren Vorstandsvorsitzender Robert Zadrazil auch Präsident des Bankenverbands ist. Die Regularien bauen Druck auf und auch wenn Banken generell strenge Regularien gewohnt sind, so sind die neuen Initiativen im Bereich der Nachhaltigkeit eine große Herausforderung für den Sektor. Einige begeben sich hinsichtlich der Umsetzung in eine Warteposition, manche zeigen Initiative und arbeiten selbst an Lösungen. Als WWF arbeiten wir mit Banken zusammen Und wollen sie bei der effektiven Umsetzung der Vorgaben unterstützen. Vielen ist aber immer noch nicht klar, dass es nicht um die Betriebsökologie geht, also wieviel Papier verbraucht wird oder wo der Strom bezogen wird. Das ist sicher auch wichtig, aber entscheidender ist, welcher Einfluss mit dem Kerngeschäft der Bank auf das Verhalten der Kunden genommen werden kann. Die Implementierung ist noch viel Arbeit, es gibt aber viele Stellschrauben und die Transparenz und Datenlange werden besser.

Disclaimer: Dieses Interview wurde am 05.02.2021 leicht verändert und um einige Fehler bereinigt.

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