Elevate: Aktivismus meets Hörsaal – ein Interview

Fabian Scheidler (c) Elevate

Sachbuchautor mit Vision: Fabian Scheidler

Sich in Vorträgen und Diskussionen über creative response und soziale Bewegungen auszutauschen, das ermöglichte heuer das Grazer Elevate Festivals. BIORAMA bat zwei der Vortragenden, Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb und Autor Fabian Scheidler, zum Gespräch über das Prinzip von „Elevate the Campus“.

BIORAMA: Heuer hat zum ersten Mal Elevate the Campus stattgefunden und Ihr Beitrag war Teil dieser Veranstaltungsreihe. Worauf haben Sie sich am meisten gefreut?

Kromp-Kolb: Am meisten hab ich mich auf die Diskussion mit einem wachen, kritischen und engagierten Publikum aus jungen Leuten gefreut.

Scheidler: Ich habe mich sehr auf die Begegnung mit Menschen, die auf der Suche nach guten Gesprächen, Inspirationen, guter Musik, Welterklärungen und der Demontage von Welterklärungen sind, gefreut.

© BOKU

Das Diskursprogramm trägt den Titel ‚Creative Response‘. Was bedeuten diese zwei Worte für Sie?

Kromp-Kolb: ‚Creative Response‘ bedeutet für mich Lösungen, die Neues bringen.

Scheidler: Sie bedeuten für mich: kreative Antworten auf die gewaltigen globalen Krisenprozesse, in die wir uns hineinbewegen – die Biosphärenkrise, der ökonomische und soziale Zusammenbruch ganzer Weltregionen, die Vertreibung von Millionen Menschen aus ihrer Heimat – zu suchen und zu diskutieren.

Und in welcher Beziehung stehten Ihre Arbeitsfelder und ‚Creative Response‘?

Kromp-Kolb: Der Klimawandel harrt der geeigneten Antworten und deren Umsetzung.

Scheidler: Ich bin Journalist und Sachbuchautor und zugleich Theater- und Opernautor. Analytische und künstlerische Arbeit sind für mich beide unverzichtbar, und sie befruchten sich gegenseitig.

Wachsende soziale Bewegungen waren Hauptthema von Elevate the Campus. Wie wichtig sind soziale Bewegungen Ihrer Meinung nach?

Kromp-Kolb: Ohne soziale Innovation werden die Herausforderungen der Gegenwart, die „Grand Challenges“, nicht zu lösen sein. Technik kann nur einen Beitrag, nicht aber die Lösung liefern.

Scheidler: Es waren und sind soziale Bewegungen, die in einem strukturell unmenschlichen System – der kapitalistischen Megamaschine – Rechte und Freiräume erkämpft haben, ohne die es weder eine (wenn auch nach wie vor nur rudimentäre) Demokratie gäbe, kein Wahlrecht für Frauen, für arme Menschen und für ‚people of colour‘, keinen Sozialstaat, keine für alle zugängliche Bildung, keinen Schutz vor willkürlicher staatlicher Gewalt und totaler Ausbeutung. Diese und viele andere über Jahrhunderte erkämpfte Rechte sind heute, in der neoliberalen Phase der Megamaschine, wieder akut bedroht, und die Stärke und Ausrichtung von sozialen Bewegungen wird mit darüber entscheiden, wie unsere Welt in den nächsten Jahrzehnten aussehen wird. Soziale Bewegungen leisten nicht nur Widerstand gegen die Zumutungen des Systems, sondern haben manchmal auch eine utopische Kraft, die auf ein ganz anderes Leben abzielt, eine Traumkraft, die eng mit der Dichtung, der Musik, dem Theater und Film verknüpft ist. Wenn sich das verbindet, können die Verhältnisse ins Tanzen geraten.

Wie lautet Ihre Message für all jene, die nicht am Elevate bzw. Elevate the Campus dabei sein konnten?

Kromp-Kolb: Den Diskurs suchen, kreativ bleiben, andere Gelegenheiten und Gleichgesinnte finden und nutzen. Denn zusammen sind wir stärker!

Scheidler: Mischt euch ein, die Welt ist in Bewegung und wir können viel verändern, wenn wir es wollen!

Helga Kromp-Kolb ist Meteorologin und Klimaforscherin und Professorin am Institut für Meteorologie an der Universität für Bodenkultur Wien. 2005 war sie Wissenschaftlerin des Jahres 

Fabian Scheidler ist Journalist und Sachbuch-, Theater- und Opernautor und außerdem Mitbegründer des Nachrichtenmagazins Kontext TV. 2009 wurde ihm der Otto-Brenner-Medienpreis für kritischen Journalismus verliehen.

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