Einweg oder Mehrweg: Die Gretchenfrage zur Flasche
Einweg oder Mehrweg? Kunststoff oder Glas? Diese Fragen sorgen bei umweltbewussten Konsumenten meist für Kopfzerbrechen. Die Industrie hat sie schon längst für sich beantwortet. Doch was ist nun besser? Der Versuch einer Antwort.
Im Verpackungsdschungel
Diverse Studien zu den ökologischen Vor- und Nachteilen der verschiedenen Getränkeverpackungen sorgen seit Jahren eher für Verwirrung als für Klarheit. Die unübersichtliche Kennzeichnung macht die Irritation bei den Konsumenten perfekt. Eine Mehrwegflasche ist meistens nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen. Und entgegen der landläufigen Meinung ist Pfand auch nicht immer gleichbedeutend mit Mehrweg. Was gilt es also im Flaschen-Wirrwarr zu beachten?
In Österreich ist der deutlichste Hinweis auf eine Einwegflasche die Kennzeichnung „Kein Pfand“. Der Umkehrschluss hingegen ist nicht immer möglich, da auch Einwegflaschen oftmals mit einem Pfand verkauft werden. In Deutschland ist die Situation noch verwirrender, da sowohl auf Einweg als auch auf Mehrwegflaschen Pfand erhoben wird. Wie können Konsumenten nun Gewissheit darüber haben, welche Flasche sie in der Hand halten? Da gibt es das Mehrweglogo. Eine gesetzlich verpflichtende Kennzeichnung für sämtliche Mehrweg-Getränkeverpackungen. Klingt sinnvoll, oder? Leider ist das derzeit nur Wunschdenken, denn es handelt sich dabei sowohl in Österreich als auch in Deutschland um eine freiwillige Maßnahme für Getränkehersteller.
Einweg-Lobby macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt
Nun können wir zwar mit relativer Gewissheit sagen, welche Flasche wir in der Hand halten, aber was ist nun ökologischer? Für umweltbewusste Konsumenten erscheint die Mehrwegflasche als einzig logische Wahl. Die Industrie beteuert jedoch, dass Einwegflaschen mittlerweile eine sehr gute Ökobilanz aufweisen und den Mehrwegflaschen um nichts nachstehen. Dabei beruft sie sich auf diverse neuere Studien.
Beispielsweise hat der Lobbyverband „Bund Getränkeverpackungen der Zukunft (BGVZ)“, zu dem Firmen wie Aldi, Lidl, Red Bull oder Pepsi gehören, eine Studie vom Institut DIW Econ erstellen lassen. Diese Studie soll die ökonomischen Zusammenhänge beleuchten, die in der Debatte um Getränkeverpackungen angeblich so sträflich vernachlässigt werden. Nach eigenen Angaben wurden die ökologischen Aspekte dabei aber nicht ausgeblendet. „Die Studie bereichert die Debatte durch die zusätzliche Analyse derjenigen ökonomischen Treiber, die bisher wenig beachtet wurden“, so Dr. Rafael Aigner von DIW Econ. Laut der Studie sei die PET-Einwegflasche der Gewinner unter den Getränkeverpackungen. Grund dafür sind vor allem die diversen Kostenvorteile gegenüber Mehrweggebinden. Diese ergeben sich „durch das geringe Gewicht, das Entfallen der Leergutsortierung und durch die massiven Vorteile bei Logistik und Rücktransport“, so Aigner. Diese Entwicklungen schlagen sich auch in der Ökobilanz der PET-Einwegflasche nieder. So würden die Verpackungen immer leichter, weswegen der Transport weniger Energie verbrauche und die hohe Rückgabequote von fast 99% ermögliche einen geschlossenen Kreislauf.
Ende der Diskussion? Fehlanzeige!
So, damit haben wir also unsere Getränkeverpackung der Zukunft: die PET-Einwegflasche! Zu dieser Annahme könnte man als Konsument schnell kommen, gäbe es da nicht Organisationen, die hinter das forcierte positive Image der Einwegflasche blicken. So zum Beispiel die Deutsche Umwelthilfe (DUH). „In der Studie der DIW Econ finden sich zu den ökologischen Auswirkungen lediglich einige oberflächliche Sätze mit Verweisen auf einzelne Studien. Das entbehrt aber jeder Grundlage, denn die zitierten Studien und Gutachten belegen gerade, dass Mehrweg die Nase vorn hat“, so Thomas Fischer, der der Experte für Kreislaufwirtschaft bei der DUH.
Im Zusammenhang mit der Aussage der ökologische Gleichwertigkeit oder gar Überlegenheit von PET-Einweg oder Getränkedosen gegenüber den Glas-Mehrwegflaschen wird beispielsweise die Ökobilanz des Instituts für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg (IFEU) zitiert. Nicht nur hat sich das IFEU bereits von der verkürzten Wiedergabe der Ergebnisse durch Interessenvertreter oder Tageszeitungen distanziert, auch die DUH hat diese Ökobilanz gemeinsam mit der Stiftung „Initiative Mehrweg“ bereits unter die Lupe genommen. Laut ihrer Stellungnahme sei die Ökobilanz, die im Übrigen von der „Industrievereinigung Kunststoffverpackungen“ in Auftrag gegeben wurde (nur so am Rande), bei „der vergleichenden Bewertung der ausgewählten Einweg- und Mehrwegsysteme von zum Teil realitätsfremden und nicht nachvollziehbaren Annahmen ausgegangen worden.“ Als Kritikpunkte führen sie den Vergleich von unterschiedlichen Füllgrößen, von modernen Einweg-Anlagen und nicht optimierten Mehrweg-Anlagen sowie den Vergleich von der leichtesten Einweg- mit der schwersten Mehrwegflasche an. Weitere Parameter wie Opimierungspotenziale für Glas-Mehrwegsysteme oder Distributionsentfernungen für PET-Einwegflaschen wurden ebenfalls nicht berücksichtigt oder falsch dargestellt. Trotz der Einweg-begünstigenden Annahmen schneiden Glas-Mehrwegflaschen in drei Produktgruppen besser als die PET-Einwegflasche ab. In einer von vier Produktgruppen, kurioserweise die wirtschaftlich wichtigste für die PET-Industrie, lassen sich nach Einschätzung des IFEU keine eindeutigen ökologischen Vorteile für das eine oder das andere System ableiten. Diese Einschätzung ist laut der Stellungname nicht nachvollziehbar und begünstigt irreführende Aussagen von den Herstellern von Kunststoffverpackungen sowie Abfüllern von PET-Einwegflaschen.
Weitere Argumente, die in der DIW Econ-Studie angeführt werden, hält die DUH ebenso für fragwürdig. „Aus 97 Prozent der PET-Einwegflaschen wurden 2013 erneut Kunststoffe produziert“, damit begründet Aigner einen funktionierenden geschlossenen Kreislauf. Das sieht die DUH anders. Wie Aigner bestätigt, werden für die Neuproduktion von PET-Flaschen lediglich etwa 30 Prozent Recycling-Material eingesetzt. Das System verbraucht daher immer neue Ressourcen, anstatt sie zu schonen. Die Deutsche Umwelthilfe, aber auch andere Organisationen wie Greenpeace stellen sich mit solchen Untersuchungen gegen die von wirtschaftlichen Interessen geleitete Täuschung der Konsumenten und machen sich damit stark für die Verwendung von Mehrweggebinden.
Was am Ende bleibt
Die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei! So steht es zum Beispiel im österreichischen Staatsgrundgesetz. Im Bereich Getränkeverpackungen hat das etwas utopisches. Zur Frage nach der besten Kombination von ökonomischen und ökologischen Vorteilen bei Getränkeverpackungen fallen simple Antworten verdammt schwer. Auftragsstudien präsentieren einseitige Ergebnisse. Andere Studien winden sich um eindeutige Aussagen, aus denen sich so etwas wie Empfehlungen ableiten ließen. Man kann danach entscheiden, wessen Motive man für integer hält. Die eines Lobbyverbands multinationaler Konzerne? Oder die von unabhängigen Nichtregierungsorganisation, die für Umwelt- und Verbraucherschutz stehen? Man hat die Wahl.
Die Wege von Einweg- und Mehrweg-Flaschen haben wir hier bereits einmal nachgezeichnet.
Abseits von Glas und Plastik gibt’s dann noch Blech. Mit Dosenbier haben wir uns hier beschäftigt.