Einen Vogel hat, wer die Wunder nicht schaut
Zwei Brüder, der eine fast unerträglich glücklich, der andere schrecklich schlecht gelaunt. Zwei Raben, die unterschiedlicher nicht sein könnten, müssen „Rabenduft“ schnuppern, um die Schönheit der Welt zu erkennen. Während der eine nicht das geringste Problem damit hat, muss der andere erst das ganze wirre Zeug im Kopf loswerden und seinen Grant überwinden. Wie schafft man das, wenn man kein Rabe ist? Das und einiges mehr haben wir den Illustrator Thomas Kriebaum gefragt.
Die zwei Rabenbrüder, auf die man in einer Baumkrone trifft, könnten unterschiedlicher nicht sein: Franz liebt das Leben und freut sich offenkundig über jeden neuen Tag, Kurt hingegen ist dauerhaft schlecht gelaunt, hat zu viel Belastendes im Kopf, die überschwänglichen Gefühle seines Bruders kann er beim besten Willen nicht nachvollziehen. Bis sich schlagartig alles ändert: Franz schafft es endlich doch, Kurt zum Lachen zu bringen, und nachdem beide den „Rabenduft“ geschnuppert haben, scheint Kurts schlechte Laune für immer verflogen.
Für seine fünf erfolgreichen Romane und den literarischen Reise- und Heimatbegleiter über das Waldviertel wurde der österreichische Autor Thomas Sautner im deutschen Sprachraum bekannt. Im Picus Verlag wurde kürzlich sein erstes Kinderbuch, die gereimte Geschichte „Rabenduft“, publiziert. Es ist eine Zusammenarbeit mit dem Wiener Comiczeichner Thomas Kriebaum, der für seinen Gustl-Strip im Augustin bekannt ist. Wir haben mit Thomas Kriebaum unter anderem über die zweijährige Arbeit an „Rabenduft“, den Unterschied zwischen „Mitleid“ und „Mitfühlen“ und über das Reisen als Möglichkeit, die Schönheit der Welt zu erkennen, gesprochen.
Sie zeichnen vor allem Comics für Erwachsene, illustrieren Bücher, Zeitschriften, Anzeigen und Plakate. „Rabenduft“ ist das erste Kinderbuch, das Sie illustriert haben. Zeichnet man für Kinder anders als für Erwachsene?
Darüber habe ich eigentlich noch gar nicht nachgedacht. Ich zeichne zuallererst immer für mich. Grundsätzlich kann und will ich nur zeichnen, wie ich eben zeichne. Da bin ich auch meine Fähigkeiten betreffend limitiert. Meine Zeichnungen ändern sich eher mit den Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen oder gestellt werden – Medium, Format, Farbe. Allerdings habe ich bei diesem Buch versucht, „bunter“ als gewöhnlich zu arbeiten, und nicht ganz so kleinteilig in der Zeichnung. Aber eigentlich nicht mit der jungen Zielgruppe im Hinterkopf.
Der poetische und zugleich witzige Text stammt von Thomas Sautner. „Rabenduft“ ist auch sein erstes Kinderbuch – wer von Ihnen beiden hatte die Idee zu diesem Projekt?
Ich hatte eines Tages ein Mail vom geschätzten Thomas Sautner in meiner Inbox. Mit dem Text von „Rabenduft“ und einer sehr schmeichelhaften Anfrage, ob ich diesen nicht vielleicht illustrieren möchte. Wollte ich zuerst eigentlich nicht. Vor allem, weil ich meine Zeichnungen nicht wirklich in Verbindung mit Thomas‘ poetischen Reimen gesehen habe. Ich habe ihm sogar eine befreundete Kollegin vorgeschlagen. Er war aber hartnäckig und ich bin Schmeicheleien, meine Arbeit betreffend, nicht abgeneigt. Wir haben uns dann getroffen, fanden uns – wie ich glaube – gegenseitig sympathisch und ich habe versprochen, ein paar Skizzen zu machen. Zuerst nur von den beiden Raben. Die haben ihm auch gleich gefallen. Und danach habe ich die erste Doppelseite zur Probe illustriert. Die hat dann auch mir gefallen.
Wie darf man sich die gemeinsame Arbeit an einem Buch vorstellen?
Thomas Sautner und ich haben uns noch einmal getroffen, um meine Fragen durchzugehen, und danach habe ich den Text auf die einzelnen Seiten aufgeteilt und ein grobes Layout gemacht. Thomas fand Tempo und Timing der Aufteilung stimmig und ich habe begonnen, die ersten Seiten zu illustrieren. Von Zeit zu Zeit habe ich Thomas fertige Seiten geschickt, seine freudige Zustimmung war sehr motivierend. Es hat dann aber trotzdem mehr als ein Jahr gedauert, bis alle Seiten gezeichnet waren.
Sie zeichnen unter anderem den Comicstrip über den obdachlosen Gustl im Augustin. Sie haben in einem Interview einmal gesagt, dass Sie sich „eher mit Randthemen“ beschäftigen: mit Obdachlosigkeit, mit dem Tod – und auch mit dem Leben. In „Rabenduft“ geht es um Letzteres – und wie! Der Rabe Franz ist dankbar für jeden neuen Tag, sein Bruder Kurt hingegen ist dauerhaft grantig. Irgendwie schwirrt da sehr viel wirres Zeug in seinem Kopf herum. Franz versucht, den Miesepeter wachzurütteln: „Siehst du’s denn nicht!? Einen Vogel hat, wer die Wunder nicht schaut. Wer sich den Tag versaut. Im Kopf nur Sauerkraut kaut.“ Sollte man Mitleid mit einem wie Kurt haben?
Ich glaube, das mit den „Randthemen“ muss ich etwas relativieren. Im Grunde gibt es keine Randthemen. Und wenn doch, sind „Leben“ und „Tod“ vermutlich eher keine. Was den Text von Thomas Sautner betrifft hatte ich eigentlich nie das Gefühl, wir müssten „Mitleid“ mit jemandem haben. Ich finde „Mitleid“ generell entbehrlich. „Mitfühlen“ kann aber sicher jede und jeder mit Kurt – und hoffentlich viel mehr noch mit Franz. Die eine mehr, der andere weniger.
Wie würden Sie versuchen, andere von der Schönheit der Welt zu überzeugen?
Ich sehe es nicht als meine Aufgabe, irgendjemanden von irgendetwas zu überzeugen. Eventuell meine Kinder manchmal, aber sonst? Eine gute Annäherung ist vermutlich aber das Reisen – und das muss gar nicht weit sein. Es verändert die Perspektive, relativiert die eigene Wahrnehmung und bereichert die Vorstellungskraft.
Wie lange waren Sie mit dem Projekt „Rabenduft“ beschäftigt? Wieviele Arbeitsschritte können Sie von den ersten Entwürfen bis hin zum gedruckten Buch aufzählen?
Vom ersten Kontakt zwischen Thomas Sautner und mir bis zum fertigen Buch in der Buchhandlung hat es fast zwei Jahre lang gedauert. Die Arbeitsschritte waren: Text lesen, überlegen, erste Skizzen und Entwürfe machen, Aufteilung des Texts auf die einzelnen Seiten, grobes Layout, Entwürfe und Skizzen der eigentlichen Seiten, Besprechungen mit dem Autor, Änderungen (wenn nötig), Vorzeichnung, Reinzeichnung mit Feder, Pinsel und Tusche, Scannen der Originale, Kolorierung digital am Computer, erster Probeausdruck, Besprechung mit dem Autor, Korrekturen (wenn notwendig), zweiter Probedruck, Kontakt mit dem Verlag, Anregungen und Wünsche vom Verlag und Korrekturen (wenn notwendig), finale Druckdaten herstellen und Abgabe, warten auf das Erscheinen. Ich hoffe, ich habe nichts vergessen.
Wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag bei Ihnen aus?
Vormittags eher Kreativarbeit, also zum Beispiel Witze ausdenken, Skizzen anfertigen, Zeichenarbeit. Nachmittags für gewöhnlich Termine, Einkauf, Kochen, Sachen machen und Familie. Abends am liebsten den digitalen Teil meiner Arbeit, also scannen, nachbearbeiten, Farbe, Rechnungen schreiben.
Woran arbeiten Sie derzeit? Werden Sie in Zukunft weitere Kinderbücher illustrieren? Oder dürfen wir gar mit einem eigenen Kindercomic von Thomas Kriebaum rechnen?
Neben meinen regelmäßigen Arbeiten, wie dem Augustin-Strip, habe ich auch einen neuen Text von Thomas Sautner gemailt bekommen. Ob daraus aber ein weiteres, gemeinsames Buch werden wird, kann ich noch nicht sagen. Ein neues Bilderbuch habe ich eigentlich nicht geplant, aber ich hatte ja auch dieses nicht geplant. Eigentlich finden immer neue interessante Projekte zu mir, ich habe da keine Sorgen.
„Rabenduft“ von Thomas Sautner und Thomas Kriebaum ist im Picus Verlag erschienen. 40 Seiten. Für Kinder ab 3 Jahren.
Blickpunkt Umweltschutz und Nachhaltigkeit:
Papier: | gedruckt auf Papier aus verantwortungsvollen Quellen (FSC-Mix Label), nach der Richtlinie des Österreichischen Umweltzeichens „Druckerzeugnisse“ |
Druck und Verarbeitung: |
Druckerei Theiss GmbH, St. Stefan i. Lavanttal (Österreich) |