Eine Region holt auf

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Während der nationale Konsum in den meisten osteuropäischen Ländern erst im Anlaufen ist, haben sich Länder wie Rumänien und Ungarn zu Exportmeistern biologischer Erzeugnisse entwickelt.

In Österreich verbindet man biologische Landwirtschaft nicht unbedingt mit Osteuropa, ist doch Österreich Biovorreiter in der EU: 20% der Anbauflächen werden biologisch bewirtschaftet. Die Biolandwirtschaft in Osteuropa ist jedoch auf dem Vormarsch, und so sind auch viele Bioprodukte in heimischen Supermärkten aus Osteuropa importiert, um die hohe Nachfrage zu decken. Es ist nicht möglich, von Osteuropa als einem einheitlichen Markt zu sprechen, gibt es doch große Unterschiede zwischen einzelnen Ländern. Nach Marktöffnungen und dem Beitritt zur EU hat sich die biologische Landwirtschaft in Osteuropa unterschiedlich entwickelt. So befinden sich Tschechien und Estland neben Österreich und Schweden im europäischen Spitzenfeld mit einem Anteil von mehr als 10% biologisch bewirtschafteter Anbaufläche. Während Polen und Ungarn mit 3–4% noch in der Nähe des EU-Durchschnitts von 5,6% liegen, weist Rumänien nur einen Anteil von 1,3% auf.

Exportschlager: Bio

Produktion bedeutet aber nicht automatisch Konsum: Viele osteuropäische Länder, in denen der biologische Landbau stark gestiegen ist, produzieren für den Export und nicht notwendigerweise für den lokalen Markt. So werden in Rumänien und Ungarn 80–95% der Bioerzeugnisse exportiert, nach Deutschland, Österreich, die Schweiz, und im Fall von Rumänien auch nach Italien und die Niederlande. Rumänien hat sich sehr stark auf Bioexportgüter wie Getreide, Hülsenfrüchte und Ölsaaten spezialisiert. Dementsprechend steht biologische Landwirtschaft nicht notwendigerweise auch für eine kleinteilige Landwirtschaft: Während der rumänische landwirtschaftliche Durchschnittsbetrieb 3,4 Hektar zählt, liegt die durchschnittliche Größe von Biobetrieben bei 60 Hektar. Die meisten Betriebe finden sich jedoch nicht in dem  Durchschnittwert: 40% der biologischen Anbaufläche werden von Betrieben mit 100 bis zu mehreren Tausend Hektar bewirtschaftet. Die Produktion für den Export bedeutet aber auch, dass Standards und Kontrollen implementiert werden, und Zertifizierungen Sicherheit geben, so dass die Produkte auch im Ausland bestehen.

Heimische Nachfrage

Als Faktoren, die das Entstehen und das Wachstum eines lokalen Marktes für Bioprodukte fördern, haben sich Intensität der staatlichen Unterstützung und Subventionen, Distributionskanäle für Bioprodukte, und ökologisches Bewusstsein und aktive Nachfrage von Konsumenten herauskristallisiert. Es sind also vor allem wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen, die bestimmen, ob und wie stark sich die biologische Landwirtschaft entwickelt.

Die Tschechische Republik weist momentan mit 10,6% die größte anteilige Bioanbaufläche in Osteuropa auf. Der Marktanteil von Biolebensmitteln am Lebensmittelgesamtmarkt liegt bei 0,7%. Zum Vergleich: In Österreich liegt der Anteil bei 5%, der höchste innerhalb der EU. Tschechien ist somit Vorreiter in Osteuropa. Ein Hauptgrund für die starke Entwicklung ist, dass der biologische Landbau seit Anfang der 90er Jahre intensiv von staatlicher Seite gefördert wird. Das staatliche Ziel von 10% Biolandbau bis 2010 wurde erreicht, und bis 2015 wird nun ein Anteil von 15% angestrebt.

BILD Cosul de Legume

BILD Cosul de Legume

Verfügbarkeit und Kaufkraft

Bei der Distribution von Bioprodukten an Konsumenten stellt sich vor allem die Frage, wie leicht es ist, frische Bioprodukte zu bekommen. Je höher die Nachfrage, desto eher finden sich Produkte in Supermärkten, also in Orten, in denen Konsumenten normalerweise einkaufen, was in der Folge den Konsum weiter ankurbelt – der Griff zu Bio wird leichter gemacht. Während in Rumänien und Ungarn noch fast keine lokalen, unverarbeiteten Bioprodukte in Supermärkten zu finden sind, sind Supermärkte in Tschechien der wichtigste Distributionskanal und machen Biolebensmittel so einer großen Öffentlichkeit zugänglich. 50% des Absatzes müssen noch über Importe gedeckt werden, da es noch zu wenig lokale Produktion und Verarbeitung gibt. Diese sollen nun bis 2015 gestärkt werden, um so den Biolebensmittelverbrauch zu verdreifachen und 60% des Angebots lokal zu decken. Vor allem in Ländern wie Rumänien, Polen und Ungarn, in denen der lokale Markt noch nicht stark entwickelt ist, können Bioprodukte vor allem in Reformläden und über Direktvermarktung ab Hof oder auf Biomärkten gekauft werden.

Hauptbarriere für den Biokonsum sind die zum Teil sehr hohen Preise bei relativ niedriger Kaufkraft. Das Biobewusstsein der Konsumenten ist jedoch dabei, sich zu entwickeln. Die typischen Biokonsumenten leben in der Stadt, sind eher jünger, mit hoher Bildung und hohem Einkommen, und vor allem weiblich. Auch Familien mit Kindern bekommen immer mehr Interesse an biologisch angebauten Produkten. Bei den Motiven überwiegt ganz klar die Gesundheit: Biologische Lebensmittel werden als nahrhafter und gesünder wahrgenommen. Darüber hinaus zählen für viele Konsumenten der bessere Geschmack und der Verzicht auf Pestizide und andere potenziell gefährliche Stoffe. Während Umweltschutzbedenken in vielen westeuropäischen Ländern ein wichtiges Motiv für den Konsum von Bioprodukten sind, spielen sie in Osteuropa nur eine untergeordnete Rolle, die meisten Konsumenten verbinden Landwirtschaft nicht mit Umweltproblemen. Viele gesundheitsbewusste Konsumenten geben Reformhäusern den Vorzug, und man kann annehmen, dass sie nicht dasselbe Vertrauen in eine Supermarktkette wie zu einem spezialisierten Naturladen oder Bauern beim Ab-Hof-Verkauf haben.

All diese Umstände haben auch Matei Dumitrescu und seine Kollegen zu ihrem Biokistl Cosul de Legume in Bukarest inspiriert. Dieses bietet wöchentlich frisches Obst und Gemüse von Kulturpflanzen an zentralen Knotenpunkten Bukarests zur Abholung an.

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