Eine lautstarke Minderheit

 

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Die Beschwerden über Veganer in den sozialen Netzwerken häufen sich. Sie seien laut, intolerant und würden einen Shitstorm nach dem anderen auslösen. Provokant gefragt: Sind Veganer besonders nervig, oder tut man ihnen damit unrecht? 

Kennen Sie den? »Woran erkennt man auf einer Party einen Veganer? Völlig unnötig – er erzählt es einem ohnehin irgendwann.«

Auf diesen Witz stößt man unweigerlich, wenn man sich ein bisschen bei Leuten umhört, die bereits schlechte Erfahrungen mit dem Sendungsbewusstsein überzeugter Veganer gemacht haben. Und davon gibt es viele. Wie so oft kommen die Leute vor allem dann zum Reden, wenn man verspricht, sie nicht namentlich zu zitieren. Trotzdem gibt es auch Menschen, die offen zu ihrer Meinung stehen. So wie Sina Trinkwalder. »Mir ist der Missionierungsdrang vieler Veganer einfach zu viel. Sie halten sich zu oft für die besseren Menschen und lassen das die anderen auch spüren.« Dazu muss man wissen, dass Trinkwalder Engagement grundsätzlich alles andere als fremd ist: Der freundlichen, aber direkten Unternehmerin gehört die Firma Manomana, die in Augsburg Ökotextilien von Langzeitarbeitslosen herstellen lässt. »Ich möchte die Welt ja auch besser machen, aber man sollte andere Menschen so leben lassen wie sie wollen.« Der Vorwurf der Intoleranz zieht sich durch viele Gespräche. Und wenn auf der Website vegan.eu unter den »Überlegungen zum Begriff der Toleranz« in – zwar freundlichem Ton – behauptet wird, Veganer seien nicht die »besseren Menschen«, hätten aber die »bessere Ethik« und Missionsarbeit als Teil ebendieser dargestellt wird, ist das sicher nicht hilfreich.

Vor allem die sozialen Netzwerke sind voll von Beispielen, in denen Veganer bestimmten Marken die Hölle heiß machen. Das kann große, unsympathische Player treffen. Aber eben auch kleine oder mittelständische Bio-Firmen, die man spontan eher zu den Guten zählen würde. »Wir hatten über Wochen und Monate hinweg immer wieder Probleme mit einer Handvoll Veganer, die andere Leute recht aggressiv angingen«, erzählt Stefanie Neumann, Sprecherin des Bio-Supermarktkette Alnatura. »Das ging so weit, dass sich andere Fans bei uns gemeldet haben: Sie würden unsere Seite jetzt schweren Herzens verlassen, weil sie das so nicht mehr haben wollten.« Auch die ING-Diba Bank hatte bei der Entscheidung, ihr Testemonial Dirk Nowitzki in einem Werbespot in einer Fleischerei auftreten zu lassen, wohl nicht wirklich mit den Folgen gerechnet. Auf der Facebook-Seite des Unternehmens tobten sich tagelang erboste Veganer und Vegetarier aus. Als dann überzeugte Fleischesser zur Verteidigung ansetzten, wähnte man sich schnell in einem Forum für Ernährungsfragen. Die Social-Media-Abteilung der Bank entschied sich zuerst, die Diskussionen zuzulassen, rief aber zum respektvollen Umfang miteinander auf. Als man schließlich einsah, dass kein Ende abzusehen war, setzte ING-Diba dem Spuk selbst ein Ende und gab bekannt, von jetzt an alle neuen Posts zu dem Thema zu löschen.

Facebook, Twitter und Co. legen durch ihre Viralität viel Macht in die Hand des Einzelnen, was grundsätzlich positiv ist. Allerdings erreichen auch notorische Querulanten schnell ein großes Publikum. Das Problem kennt auch Nardo Vogt von der Wiener Social-Media-Agentur Ambuzzador. Grundsätzlich helfe die Transparenz bei Beschwerden natürlich nicht nur den Menschen, die ein Problem haben, sondern auch den Unternehmen. Diese könnten neue Wege gehen, Feedback aufnehmen und so ihr Service verbessern. »Unangenehm wird es dann, wenn Menschen ihre neue Macht missbrauchen und eine Situation künstlich aufbauschen oder gar komplett neu erfinden. Vor allem kleine, engagierte Marken werden von solchen inszenierten Aktionen besonders hart getroffen und sind rasch überfordert.«

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Vegane Quotes, Quelle: Alnatura Facebook Page (17. Dezember 2012 – 3. Jänner 2013)

Die andere Seite der Medaille

So, genug gebasht. Man muss natürlich fair bleiben. Und zum anderen ist das Internet an Spott gegenüber Veganern auch nicht gerade arm. »Vegan ist japanisch und heißt ‚zu dumm zum Jagen’« ist nur einer der Witze, die sich mittlerweile schon eines gewissen Barts erfreuen dürften. Außerdem ist die ständige Frage »Ist das vegan?« meist ja keineswegs nervig gemeint. Denn im Gegensatz zu Fleisch, das mittlerweile als Zutat auch in Restaurants und Imbissbuden selbstverständlich explizit gekennzeichnet ist, ist das bei anderen tierischen Produkten keineswegs so. Wer weiß schon, ob beim Mittags-Thai um die Ecke nicht doch Fischsoße benutzt wird? Wann hat man das letzte Mal in einem Restaurant Milch als Zutat gelesen?

Auch Felix Hnat, Obmann der Veganen Gesellschaft Österreichs, weist die Vorwürfe zurück. Veganer seien keineswegs besonders intolerant oder nervig. Ganz im Gegenteil. »Sehr viele Veganer, die ich kenne, sind sehr zurückhaltend und trauen sich oft gar nicht im Bekanntenkreis darüber zu sprechen, weil sie nicht auffallen oder Gesprächsthema sein wollen.« Auch die Situation sei oftmals umgekehrt: Viele Fleischesser hätten für Vegetarier und Veganer nur Spott übrig. Für dieses Phänomen haben Psychologen eine Erklärung: Mancher Fleischesser fühle sich durch Vegetarier moralisch verurteilt und zu einem schlechteren Menschen degradiert – auch wenn diese das überhaupt nicht wollten. Und Angriffe auf sein positives Selbstbild beantworte man gerne damit, Angreifer lächerlich zu machen.

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Vegane Quotes, Quelle: Alnatura Facebook Page (17. Dezember 2012 – 3. Jänner 2013)

Schreihälse aus Überzeugung

Trotzdem: Einen gewissen Hang zur Missionierung kann man den Veganern wohl nicht absprechen. Das ist im Grunde auch nicht überraschend: Menschen müssen sich selbst immer wieder vergewissern, mit ihren Lebensentscheidungen auf der richtigen Seite zu stehen. Je tiefgehender und einschränkender diese Entscheidungen sind, desto überzeugter muss man davon sein. Verzicht  wäre schließlich äußerst unbefriedigend, wenn man dadurch nichts gewinnen würde. Sei es moralische Überlegenheit in diesem (Ethik) oder Belohnung im nächsten Leben (Religion). Und wenn man stolz auf seine Überzeugungen ist, gibt man sie halt gerne weiter.

Letztlich ist es bei den Veganern so wie in jeder anderen Gruppe: Man hört immer diejenigen, die am lautesten schreien. Und das ist bei den Veganern eine kleine, aber verdammt laute Minderheit. »Es sind immer dieselben, die dir die Bude anzünden«, erklärt Sina Trinkwalder. »Überall, in jeder sozialen Gruppierung gibt es einen gewissen Prozentsatz von Leuten, die sich nicht benehmen können und auffallen. Ich nenn das jetzt mal ganz undiplomatisch ‚die Arschlochquote’«. Und da es immer mehr Veganer gibt – die Vegane Gesellschaft Österreichs wächst beispielsweise jedes Jahr um 30 Prozent – gibt es natürlich auch mehr »Arschlöcher«. Das wäre kein Problem, wenn sie nicht die vernünftige, freundliche und tolerante Mehrheit mit runterziehen würden.

Was kann man dagegen tun? Manchmal hilft es einfach, das Problem anzusprechen. Alnatura wollte es nicht mehr hinnehmen, dass einige wenige die Stimmung vergiften. Also veröffentlichte man im Dezember 2012 ein Statement auf Facebook, das klar machte: So geht das nicht weiter. Alnatura sei ein Bio-Supermarkt, dessen Sortiment sich an Veganer, Vegetarier und Fleischesser richte. Man plane, das auch in Zukunft zu sein. Und man bitte wieder um einen sachlichen Ton. Hat’s etwas gebracht? Laut Stefanie Neumann ja. »Wir hatten ungefähr 1.300 Kommentare auf dieses Posting. Seitdem ist der Ton wieder deutlich freundlicher.« Besonders erfreulich: Die zahlreichen positiven Rückmeldungen von Veganern, Vegetariern und Fleischessern. Manchmal reicht es, die schweigende Mehrheit zu einer lauten zu machen.

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Vegane Quotes, Quelle: Alnatura Facebook Page (17. Dezember 2012 – 3. Jänner 2013)

 

Was heißt „vegan“?

Vegane Lebensweise bedeutet, völlig auf tierische Produkte zu vezichten. Also in der Ernährung neben Fleisch und Fisch auch auf Milch, Eier und Honig. Aber auch auf Wolle, Leder und Medikamente mit tierischen Zusätzen. Die Entscheidung kann, wie beim Fleischverzicht, verschiedene Gründe haben. Sehr häufig ist sie aber mit dem Konzept der Tierrechte verbunden, also dem Gedanken, dass der Mensch kein Recht habe ein Tier zu „nutzen“. Gesicherte Statistiken über die Zahl an Veganern gibt es nicht.

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