Ein Land, zwei Welten – „Nader und Simin“ von Asghar Farhadi
Der iranische Regisseur Asghar Farhadi beschreibt in seinem preisgekrönten Film „Nader & Simin“ das Schicksale zweier Familien, die, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, letztendlich doch im selben Boot sitzen.
Filme aus dem Iran entstehen meist unter sehr außergewöhnlichen, um nicht zu sagen bedrängenden, Umständen. Ständig wirft die Regierung ein Auge auf die Dreharbeiten und versucht mit allen Mitteln, „unpassende“ Filme zu verbannen. Selbst westliche Filme erscheinen im Iran, wenn überhaupt, stark gekürzt. Eine schwere Aufgabe für die Filmemacher dort, ihre oft kritischen Werke an die Öffentlichkeit oder sogar über die Landesgrenze hinauszubringen.
Asghar Farhadi gehört zu den Regisseuren, die es geschafft haben, die Hürden der Regierung zu überspringen. Mit seiner dezenten, unterschwelligen Systemkritik, die keinesfalls zum Hauptthema des Films wird, sondern eher der stille Auslöser der Katastrophe ist, überzeugt er auch mit seinem mittlerweile fünftem Film „Nader & Simin – Eine Trennung“.
Die erste Einstellung zeigt bereits die Protagonisten, nach denen der Film benannt ist. Vor dem Scheidungsrichter streiten sie, ob man mit der gemeinsamen Tochter Termeh ins Ausland ziehen oder zu Hause bei Naders krankem Vater bleiben soll. Die Scheidung wird nicht bewilligt und so zieht Simin allein zu ihren Eltern. Um die Pflege seines Vaters weiterhin gewährleisten zu können, stellt der berufstätige Nader die junge Mutter Razieh ein. Diese ist streng gläubige Muslimin, kommt aus ärmeren Verhältnissen und erwartet ihr zweites Kind. Ohne das Wissen ihres jähzornigen Mannes will sie durch den Job die Haushaltskasse aufbessern. Doch schon bald merkt sie, dass die Arbeit nicht mit ihren religiösen Vorsätzen einhergeht und will die Aufgabe an ihren Mann abgeben; unter der Bedingung, dass er nie erfahren sollte, dass auch sie diese Arbeite durchgeführt hat. Als dieser nicht, wie ausgemacht, erscheint, übernimmt sie für einen weiteren Tag die Pflege des alten Mannes. Als Nader an diesem Tag nach Hause kommt, findet er seinen Vater allein und gefesselt neben dem Bett liegen. Kurz darauf erscheint auch Razieh wieder in der Wohnung, weigert sich aber, die Umstände ihres Verschwindens zu erklären. Der Streit eskaliert und Nader stößt die schwangere Frau unsanft aus der Wohnung. Am nächsten Tag erfährt er, dass sie ihr Kind verloren hat. Es folgt ein langer und zehrender Prozess, in dem sich die Lügenspirale nach und nach weiterdreht, aber zu einem Ergebnis kommt, mit dem niemand wirklich glücklich werden kann.
Von Anfang an baut der Film eine eindringliche Spannung auf, die den Zuschauer die Katastrophe erahnen lässt, lange bevor sie eintritt. Das liegt nicht zuletzt an den vielen Konfliktherden in der Geschichte. Da gibt es die starke Frau Simin, die sich gegen ihre Mann auflehnt und eine bessere Zukunft für ihr Kind will; die schlaue Termeh, die unter der Trennung der Eltern leidet; Razieh, die zwischen ihrem Mann und ihrem Glauben hin- und hergerissen nach einer richtigen Entscheidung sucht und das Netz aus kleinen Lügen mit großen Folgen.
Farhadi geht sehr narrativ und mit fast dokumentarischem Blick an die Geschichte heran. Der Film lebt weder von Action, noch von schönen Bildern – er lebt einzig und allein von der Story.
„Nader und Simin“ wird ab 18.11.2011 in österreichischen Kinos gezeigt.
TEXT Teresa Pentzold