Ein Auto für die Natur? Von wegen!
Jeder vierte verkaufe Neuwagen ist ein SUV oder Geländewagen. Was wollen die Menschen mit den verschwenderischen Autos? Die wurden doch eigentlich mal für Abenteurer konzipiert. Oder sind sie der Nachfolger des VW-Bus?
Über vierzig Jahre ist es her, dass mit dem Range Rover das erste luxuriöse Geländefahrzeug auf den Premiummarkt kam. Ein knappes Jahrzehnt nach dessen Markteinführung stellte die deutsche Design-Legende Otl Aicher über den automobilen Traum aller Wachsjacke tragenden Outdoor-Freunde mit oder ohne Pferdeanhänger fest: „Sollte es einmal eine Freizeitkultur geben, dann war der Range Rover seine erste Ankündigung.“ Drei freizeitkulturell weiterentwickelte Jahrzehnte später lässt sich feststellen, dass der Range Rover tatsächlich Vorbild für ein ganzes Marktsegment der Automobilbranche war. Inzwischen gehören komfortable Geländewagen bei nahezu allen Autobauern zum Programm. Und – wachsendes gesellschaftliches Umweltbewusstsein und steigende Spritpreise hin oder her – die Autokonzerne verdienen prächtig an ihren Sports Utility Vehicles. SUVs boomen, trotz der insgesamt eher schwierigen Zeiten für Autohersteller. In Österreich ist inzwischen fast jeder vierte verkaufte Neuwagen ein mehr oder weniger geländegängiges Auto. 23 von 100 Neuzulassungen entfallen auf SUVs und Geländewagen, teilt der VCÖ mit. Am beliebtesten sind die Offroader und Möchtegern-Offroader in Kärnten und dem Burgenland. Skurril: Auch in Wien sind 21 von 100 Neuwagen SUVs.
Da muss man sich schon wundern. Schließlich gelten die Riesen als verschwenderisch in fast jeder Hinsicht und damit als unökologisch und folglich auch als politisch nicht ganz korrekt. Drei Viertel der verkauften SUVs fahren mit Dieselantrieb. Ihre Abgase enthalten mehr gesundheitsschädliches Stickoxid als die von Benzin-Motoren. Der Verbrauch liegt bei SUVs außerdem um rund ein Viertel höher als der von Autos mit anderen Karosserieformen, weniger Bodenabstand und kleineren Reifen.
Verstehen wir SUVs falsch?
Etwas muss sich verändert haben am Image des Geländewagens, denn auch immer günstigere und weniger glamouröse Modelle bescheren den allgemein schwächelnden Autoherstellern Umsätze. Vielleicht steht er doch auch für Naturverbundenheit und nicht nur für Naturbezwingung. Ist der Geländewagen etwa ein Erbe des VW-Bus und Ausdruck von grenzenloser Individualität und Eskapismus?
Ein SUV zu fahren bedeutet, sich selbst mit einem Hauch von Abenteuer zu versehen, wobei das Abenteuer schön kalkulierbar bleibt. Das Kaufen eines SUV kommt somit einer emotionalen und symbolischen Stadtflucht gleich. So viel Gemeinsamkeit muss man VW-Bus und SUV zusprechen.
Moderne SUVs entsprechen in der Symbolik, die sie auf ihre Insassen übertragen, dem allgemeinen bürgerlichen Trend der Hinwendung zu einem naturverbundenen Lifestyle. Damit sind sie keineswegs gleich „grün“. Die meisten SUVs ermöglichen auch nicht die völlige Unabhängigkeit von gut ausgebauten Straßen, wie es klassische Geländefahrzeuge tun. Ein VW-Bus ermöglicht als geräumiges Reise-Fahrzeug immerhin noch die weitgehende Unabhängigkeit von teuren Übernachtungsmöglichkeiten.
Naturverbundener sind andere Autos
Den Fahrern von SUVs möchten wir hier nicht ihre Liebe zu Natur und Umwelt absprechen. Doch besonders nachhaltig sind ihre wenig aerodynamischen Fahrzeuge keineswegs. Die pure Größe von – mehr oder weniger – Gelände-tauglichen Fahrzeugen behindert die Übersicht im dichten Stadtverkehr und die Nutzer alternativer Verkehskonzepte wie kleinerer Elektroautos oder dem Fahrrad sind durch die aufgeblasenen Gelände-Boliden sogar gefährdet. Setzt sich der Trend zum SUV auch im Segment kleinerer und günstiger Autos fort, wird die Umweltbelastung besonderst stark steigen.
Wenn jene, für die ein teurer Edel-SUV mit drei Liter Hubraum die Alternative zur schweren Limousine mit gleicher Motorisierung darstellt, sich für den SUV entscheiden, ist der Schaden für die Umwelt relativ betrachtet kein großer. Problematisch wird es – und darauf wies der Auto-Designer Paolo Tumminelli schon vor Jahren hin – wenn auch die weitaus größere Zielgruppe bescheidenerer Fahrzeuge plötzlich in verschwenderischen SUVs unterwegs ist. Wenn auch der Ersatz für ein Mittelklasse-Auto ein verschwenderischer Spritfresser ist, und nicht nur der Ersatz für Sportwagen und Luxuskarossen, dann ist das in Summe umso klimaschädlicher. Denn der Unterschied im Verbrauch ist beispielsweise bei VW Golf und VW Tiguan größer als bei Audi A8 und Audi Q7.
„Wir sind die letzte Generation, die den Klimawandel noch bremsen kann. Jeder Sektor hat die Verantwortung, im Interesse der zukünftigen Generationen das Mögliche zu tun, um die tatsächlichen Treibhausgas-Emissionen deutlich zu verringern. Angebot und Werbung bestimmen wesentlich das Kaufverhalten. Eine entsprechend zentrale Rolle hat daher die Autoindustrie bei der Klimabilanz der Fahrzeugflotte“, betont die VCÖ-Expertin Rasmussen. Stimmt. Doch auch die Kunden sind gefragt. Sie sollten sich fragen, ob sie wirklich ein klimaschädliches Auto kaufen müssen, um ihrem Hang zur Natur Ausdruck zu verleihen.