Effishent: Aquakultur als Social Business im Bergdorf
Engagierte Studenten der Uni Mannheim entwickeln Social-Business-Ideen – etwa das Start-up „Effishent“: an indonesische Bergbauern werden Mikrokredite vergeben, wird die Idee von Aquaponik – also Fischzucht samt Gemüsebau – vermittelt.
„Unternehmerisch die Welt im Kleinen verbessern.“ – das ist das Credo von Enactus Mannheim e.V., angesiedelt an der Uni Mannheim. Ziel des Projekts ist es einerseits, theoretisches Wissen in der Praxis anzuwenden. Andererseits werden hier in interdisziplinären, oft auch internationalen Teams Projekte im Bereich Social Entrepreneurship umgesetzt. Etwa das Projekt Effishent, das Aquaponik – also die integrierte Fischzucht in Aquakultur, die durch die tierischen Nährstoffe gleichzeitig auch Gemüse produziert – in abgelegene indonesische Bergdörfer bringt.
Clara Tandler hat Melanie Vorderobermeier, Master-Studentin und einer der Vorstände von Enactus Mannheim e.V., interviewt.
BIORAMA: Wie ist die Idee für Effishent entstanden?
Melanie Vorderobermeier: Die Idee für Effishent entstand durch eines unserer Mitglieder, Henry Schröpfer, der selbst nach seinem Abitur ein Jahr in Indonesien verbracht hat, um seinen Freiwilligendienst bei den SOS-Kinderdörfern zu absolvieren. Da er die Missstände vor allem im ländlichen Gebiet am eigenen Leib erfahren hat und auch die kulturellen Aspekte sehr gut einschätzen kann, initiierte er im Sommer 2015 die Idee, ein Projekt im Bereich ‚Integrierte Aquakultur‘ im ländlichen Indonesien umzusetzen.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt die Projektleitung für dieses neue Projekt übernommen und machte mich mit meinem Projektteam an die konkrete Ausarbeitung. Nach verschiedensten Recherchen und Gesprächen sind wir auf die Methode der Aquaponik gestoßen und waren von Anfang an begeistert. Insbesondere der innovative Charakter, als auch die Symbiose aus Fischzucht und Gemüseanbau sowie der umweltfreundliche Aspekt hat uns von Anfang an sehr gut gefallen und wir haben uns entschlossen, ein maßgeschneidertes Aquaponik-System in die Bergdörfer Indonesiens zu bringen.
Wie erreicht man Kleinbauern in indonesischen Bergdörfern – und wie offen sind die Menschen für eine neue Innovation wie Aquaponik?
Melanie Vorderobermeier: Henry Schröpfer vermittelte uns den Kontakt nach Indonesien und zu unserem sozialen Kooperationspartner, da er durch seinen Auslandsaufenthalt ein breites Netzwerk ausbauen konnte. Im Juli 2016 konnten wir unser Projekt vor Ort umsetzen und die Menschen in unserer Community und auch unseren Kooperationspartner persönlich kennenlernen. Durch den gemeinsamen Aufbau des Systems konnten wir unsere Erfahrungen optimal austauschen und die Indonesier von Anfang an in den Prozess integrieren. Sie zeigten sich sehr interessiert für neue Methoden und brachten sofort ihr lokales Know-how für den Aufbau ein, um das System ideal an die Rahmenbedingungen anzupassen. Beispielsweise verwendeten wir statt Stacheldraht selbstgeschnitzte Bambusnägel, um das System zu fixieren. Auch auf kultureller Ebene fand ein breiter Austausch statt und wir konnten den Wissenstransfer optimal gestalten.
Die Menschen vor Ort waren sehr offen für Aquaponik, da ihnen die Probleme mit den herkömmlichen Methoden – beispielsweise schlechte Ernteergebnisse – nur zu gut bekannt sind. Dadurch wurde der Sinn des Projekts, das Warum, von den Locals nicht in Frage gestellt. Wir mussten sie lediglich überzeugen, dass unsere Methode besser funktioniert als die herkömmliche Landwirtschaft.
Ist es Ihr erstes Projekt in Indonesien?
Melanie Vorderobermeier: Als Enactus Mannheim e.V. ist es unser erstes Projekt in Indonesien. Grundsätzlich achten wir bei allen internationalen Projekte darauf, dass wir immer Projektmitglieder im Team haben, die über das kulturelle Wissen im Zielland verfügen, damit von Anfang an falsche Annahmenbildung vermieden wird.
Grundsätzlich ist es unser Ziel bei Enactus Mannheim e. V., den gesellschaftlichen Problemen unserer Zeit mit innovativen Ideen und einer unternehmerischen Herangehensweise zu begegnen. Das ist die Basis für unsere Projekte, durch die wir nachhaltig Veränderungen bewirken. Wir befähigen Menschen, die auf unterschiedliche Arten benachteiligt sind, ihren Lebensstandard und ihre Lebensqualität langfristig zu verbessern. Das erreichen wir durch die Weitergabe von Wissen und Fähigkeiten sowie durch die gemeinschaftliche Erarbeitung und Realisierung von Lösungen. Daher haben alle unsere Enactus Projekte eine gemeinsame Basis: Sie sind alle sozial, ökonomisch und ökologisch und erfüllen somit die Triple Bottom Line.
Erfüllt Effizient als Enactus Projekt alle diese Kriterien?
Melanie Vorderobermeier: Ja, da wir in Zusammenarbeit mit unserem Kooperationspartner, dem Aquaponics Deutschland e.V., ein innovatives Low-tech-Aquaponics-System entwickelt haben, um der ländlichen Bevölkerung in Indonesien eine wirtschaftliche Perspektive zu bieten und sie dazu zu befähigen, sich langfristig selbst zu helfen. Konkret stiften wir einen sozialen Nutzen, in dem wir Hunger und Armut unter der ländlichen Bevölkerung bekämpfen und die Nahrungsmittelsituation nachhaltig verbessern. Durch den Verkauf der Ernteprodukte funktioniert Effishent wirtschaftlich, sodass wir nicht nur ein zusätzliches Einkommen schaffen, sondern sich unsere Anlagen durch einen mikrokreditbasierten Ansatz auch zu 100% refinanzieren. Ökologisch ist das Projekt, da Aquaponik eine enorm umweltfreundliche Farmingmethode ist, mit deren Hilfe um bis zu 90% Wasser im Vergleich zu herkömmlichen Farmingmethoden eingespart werden kann und auf jeglichen Einsatz von Pestiziden oder anderen chemischen Düngemitteln verzichtet wird.
Welchen Zeithorizont hat das Projekt für Sie bzw. für die Wadah Foundation, Ihren Partner vor Ort?
Melanie Vorderobermeier: Für unseren Kooperationspartner hat das Projekt eine langfristige Dimension, da es sich um eine neue Technologie handelt, die die Landwirtschaft in Indonesien nach vorne bringt und besonders die Situation in den ländlichen Gebieten nachhaltig verändert. Als Enactus Mannheim e.V. betreuen wir unsere Projekte in der Regel 2 bis 3 Jahre, da unser Ziel Projekte sind, die sich zum Selbstläufer entwickeln und nach der Anfangsphase auch ohne unser Zutun zuverlässig funktionieren. Dies gewährleisten wir durch die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten, die alle Beteiligten für die Implementierung des Projekts brauchen.
Und wie finanziert es sich?
Melanie Vorderobermeier: Ziel ist, dass sich alle unsere Projekte langfristig finanziell selbst tragen. Bei Effishent haben wir hierfür ein entsprechendes Business Model ausgearbeitet, das mit Mikrokrediten funktioniert. Nichtsdestotrotz benötigen wir für die meisten unserer Projekte eine Anschubfinanzierung, die wir über Spenden, eine Crowdfundingkampagne und Sponsoren finanziert haben. Diese Anschubfinanzierung war in Indonesien insbesondere nötig, um die Bevölkerung von unserem Ansatz zu überzeugen und ihr Vertrauten zu gewinnen.
Inwiefern ist geplant, Ähnliches an anderen Orten der Welt umzusetzen?
Melanie Vorderobermeier: Aktuell arbeiten wir an zwei Expansionen: Einerseits möchten wir das System in Indonesien verbreiten und noch mehr Familien zur Verfügung stellen. Darüber hinaus ist eine Expansion nach Afrika geplant.
Wie kann man Effishent bzw. Enactus Mannheim unterstützen?
Melanie Vorderobermeier: Generell kann sowohl Enactus Mannheim, als auch Effishent konkret mit Spenden unterstützt werden. Als offiziell eingetragener gemeinnütziger Verein, können wir selbstverständlich auch Spendenquittungen ausstellen. Darüber hinaus sind wir jederzeit an Sponsoring-Kooperationen interessiert und freuen uns selbstverständlich über jeden persönlichen oder medialen Support auf allen Kanälen. Für Personen, die Enactus Mannheim e.V. langfristig und regelmäßig unterstützen möchten, haben wir einen Förderverein gegründet.
Zu Ihrer Person: Wie und wann kamen Sie zu Enactus?
Melanie Vorderobermeier: Ich selbst kam im Herbst 2013 während meines Bachelorstudiums eigentlich ganz zufällig zu Enactus Mannheim e.V.. Zu Beginn des Herbstsemesters bin ich gemeinsam mit einer Kommilitonin zur Enactus Mannheim Infoveranstaltung gegangen, um mich generell über die Initiative zu informieren. Erst in den letzten Minuten vor Anmeldedeadline habe ich mein Anmeldeformular tatsächlich abgeschickt und es bisher nicht bereut. Mittlerweile bin ich als Operations Vorstand tätig und in dieser Funktion für alle unsere 12 Projekte, insbesondere für deren strategische Ausrichtung verantwortlich. Überzeugt hat mich von Anfang an der Ansatz von Enactus – gesellschaftliche Probleme mit einem unternehmerischen Ansatz angehen, um nachhaltig Veränderung zu bewirken. Mich fasziniert, wie viel man als junger Erwachsener im Team bewerkstelligen kann und wie man lernt, reale Verantwortung zu tragen und andere Menschen davon zu begeistern.
In meiner Zeit bei Enactus bin ich selbst als Projektmitglied, als Projektleiterin und jetzt auch als Vorstand tätig gewesen und habe alle Rollen und Funktionen gut kennengelernt. Zu Beginn war mir noch nicht bewusst, welche wertvollen Erfahrungen und Perspektiven Enactus bietet und wie viel man von der investierten Arbeit wieder zurückbekommt. Seien es neue Freunde, die praktische Umsetzung der Uni-Kenntnisse, ein toller Austausch im gesamten Netzwerk oder die Erstellung einer National-Cup- oder World-Cup-Präsentation.
Für mich persönlich war es eine große Herausforderung, mein Team von Projektidee bis hin zu Umsetzung vor Ort immer motiviert zu halten, da es immer wieder Durststrecken gibt, die es dann zu überbrücken gilt. Umso schöner war es am Ende zu sehen, wie wir nicht nur hier in Deutschland das erste Gemüse ernten konnten, sondern auch unser erstes ganz eigenes System in Indonesien komplett lief. Darüber hinaus fällt es mir als Vorstand nicht immer leicht, mein Enactus Engagement mit meinen Univeranstaltungen zu vereinbaren – manchmal hätte ich gerne mehr als 24 Stunden am Tag!
Wie könnte Ihr beruflicher Werdegang sein? Was wünschen Sie sich hierfür?
Melanie Vorderobermeier: Ich habe im September mit meinem Masterstudium an der Universität Mannheim begonnen und freue mich sehr, Enactus Mannheim im nächsten Jahr mit voller Kraft zu unterstützen. Nach meinem Master würde ich gerne im Bereich Social Entrepreneurship arbeiten und vielleicht sogar ein eigenes Unternehmen gründen. Auch der Bereich der Aquaponik gefällt mir mittlerweile so gut, dass ich mir wünsche, weiter Projekte im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft und natürlich der Aquaponik umsetzen zu können. Ich wünsche mir einen Job, bei dem ich all meine Erfahrungen einbringen und zu 100% hinter der Tätigkeiten stehen kann. Nichtsdestotrotz bin ich froh, aktuell noch am Anfang meines Masterstudiums zu stehen, da ich die kommende Zeit für vielfältige Praxis- und Auslandserfahrungen nutzen möchte, um meinem Traumjob noch ein Stück näher zu kommen.
Weiterführende Infos zum Thema Aquaponik liefern Aquaponik Deutschland e.V. oder der Verein Aquaponic Austria. Ebenfalls lesenswert: der Blog einer Wiener BOKU-Studentin zum Thema sowie dieser Aquaponik-Blog aus Vorarlberg.