Edward, ein tierischer Held

Edward

Romanheld Edward schaut so grimmig, weil ihn die Verdauung plagt – es wandelt ihn gerade vom Pflanzen- zum Fleischfresser.
BILD Erli Grünzweil

Eine Wiederentdeckung: »Edward« erzählt, wie es gewesen sein könnte, als wir Affen zum Menschen wurden – spöttisch, blasphemisch und unglaublich komisch.

Die Geschichte der Menschwerdung ist eine Geschichte voller Missverständnisse, unfassbar lang und in der gewohnten Maßeinheit eines Menschenlebens schwer begreiflich. Denn den einen Punkt in der Evolution, an dem der Affe zum Menschen wurde, den gibt es nicht. Er wäre willkürlich festgelegt, was wiederum wissenschaftlich unzulässig wäre. Für Anthropologen, wie Roy Lewis (1913–1996) einer war, mag das kein Problem darstellen; für den Durchschnittsmenschen aber durchaus, denn wer außer Wissenschaftern denkt schon in Jahrmillionen. Da der Brite aber nicht nur studierter Anthropologe und Ökonom, sondern auch Afrika-Korrespondent des Economist und der Times war, fiel es ihm leicht, komplexe Zusammenhänge verständlich zu schildern – freilich ohne sein wissenschaftliches Fundament zu verlassen.

Wie es sicher nicht war, aber doch wie es gewesen sein könnte, das erzählt »What We Did To Father«, sein Familienroman aus dem Pleistozän. Erstmals 1960 erschienen, wurde er nun unter dem deutschen Titel »Edward« zum 100. Geburtstag seines Schöpfers vom Züricher Unionsverlag zu neuem Leben erweckt. Alles, was uns Menschen ausmacht – die Wandlung vom Pflanzen- zum Allesfresser, vom Gejagten zum geschickten Jäger, die Sesshaftwerdung, erste Versuche der Nutztierhaltung, ein gewandter Umgang mit dem Feuer – all das hat Lewis darin im Zeitraffer verdichtet und in eine mehrere Generationen überblickende Urgeschichte-Saga gerafft. Die Sippe um die Menschenaffen Edward und Oswald, Tante Mildred und Onkel Wanja (der reaktionär sein »back to the trees« predigt), Ann, Doreen und wie sie alle heißen, macht alles durch, was uns im Laufe unserer Menschwerdung irgendwann tatsächlich widerfahren ist.

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Das liest sich kurzweilig, wunderbar respektlos und klingt doch durchwegs plausibel. Der Roman lebt vom spöttischen Witz und den Kontrasten, die entstehen, wenn – ein gelungener Kunstgriff – sich die Protagonisten ihrer Bedeutung für die Evolution und den menschlichen Fortschritt bewusst sind und all das aus der Gegenwart der 50er Jahre durch die Brille eines weitsichtigen Ökonomen reflektiert wird. Edward hat zwar keine Ahnung, in welcher Phase des Pleistozäns er lebt, weiß aber doch, was ihn weiterbringt und »dass das Erfolgsgeheimnis der modernen Industrie in der intelligenten Nutzung von Nebenprodukten liegt«. Oder dass Copyrights die Evolution und den Fortschritt verhindert hätten. Solch bewussten Stilbrüchen zum Trotz bleibt Lewis bildhaft gebrochene Urgeschichtsromantik immer schlüssig. Etwa, wenn Edward schwelgt: »Sie schaute mich fragend aus großen, braunen Augen an, die sanft schimmerten wie Teiche, unter deren Oberfläche Krokodile lauern.«

Immerhin: Er hat überlebt und auch heute noch prominente Fürsprecher. Fantasy-Autor Terry Pratchett sah in dem Roman gar »das witzigste Buch der letzten 500.000 Jahre«. So hat es »Edward« nicht nur zu einiger Popularität geschafft, sondern, zumindest in Großbritannien, auch auf die Leselisten für angehende Anthropologen.

Roy Lewis’ Roman »Edward. Wie ich zum Menschen wurde« wird im Unionsverlag wiederaufgelegt.

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