Echt cool – Bio-Eiszeit
Der eigentliche Plan war ja, die Bio-Eisverkostung ganz cool zu zelebrieren. Die hochsommerlichen Temperaturen und die Tatsache, dass die Objekte der Begierde ihren Aggregatzustand sehr schnell wechseln, kamen dem Tasting Forum 79 allerdings in die Quere. So ging es in dem Verkostungsreigen Schlag auf Schlag, was den eishungrigen Gästen durchaus gelegen kam.
ÖsterreicherInnen sind dem Eis allgemein nicht abgeneigt: Knapp 8 Liter oder 64 Kugeln Eis werden hierzulande pro Kopf und Jahr konsumiert – vielfach sind es die Lieblingssorten Vanille, Erdbeere, Stracciatella oder Schokolade. Das meiste Eis wird übrigens überraschenderweise nicht in Italien geschleckt, sondern in Skandinavien: mit Finnland und 12 Litern pro Person und Jahr als Spitzenreiter.
Die Nase vorn hat Österreich allerdings, was die Versorgung mit Eissalons angeht: die ist in keinem anderen europäischen Land so hoch wie hierzulande. Zentrum der österreichischen Frischeis-Produktion ist und war immer schon Wien, um 1850 haben hier die ersten italienischen Eisläden aufgesperrt.
Die Geschichte der Speiseeisherstellung ist lang und erfolgreich: Das erste Speiseeis gab es vermutlich im antiken China. Dem Sorbet ähnliches Speiseeis war aber auch in der europäischen Antike bekannt – die alten Griechen verfeinerten den Schnee vom Olymp mit Honig, Fruchtsäften und Wein. Doch erst im 16. Jahrhundert, als die kühlende Wirkung von Salpetersalz entdeckt wurde, konnte in Europa zum ersten Mal künstliche Kälte hergestellt werden. Im 19. Jahrhundert verhalfen Nancy Johnson mit der Patentierung der Eismaschine und Carl von Linde mit der Erfindung der Kältemaschine dem Speiseeis zum Durchbruch als Massenware.
Zum Dahinschmelzen
Seit einigen Jahren steigen auch immer mehr BioproduzentInnen in das Eisgeschäft ein und überzeugen mit Geschmack und Qualität. Höchste Zeit also, um der kalten Köstlichkeit wieder einmal ein Tasting Forum zu widmen.
Zur besseren Vergleichbarkeit konzentrierte sich die Verkostung zum Einstieg auf Geschmäcker, die wir seit unserer Kindheit lieben und setzte auf die Klassiker Vanille und Erdbeere. Im zweiten Verkostungsteil dominierte dann die pure Vielfalt der Bio-Aromen – sozusagen Bio(eis)diversität. Zu verkosten gab es 100 % reine Bio-Eise auf Kuh-, Schaf- und Mandelmilchbasis, vegane Bio-Fruchtsorbets, Bio-Eise aus bäuerlicher Produktion und aus „industrieller“ Herstellung, Bio-Eise mit und ohne Ei und natürlich auch Eis aus einer besonders engagierten Bio-Gelateria.
Bio-Vanille-Eis, Leones
Es war eine Diskussion, die man, wenn es um Vanille fürs Vanilleeis geht, sonst eigentlich nicht hat. Es ging um den Ursprung. Madagascar oder Tahiti. Um den Preis für den Rohstoff und die Mengen, die man für ein sensationell gutes Eis braucht. Es wurde so lange diskutiert, bis alle den Löffel im Mund hatten. Damit war die Diskussion schlagartig beendet. Das Eis ist cremig, nicht zu süß, die Vanille schmeckt herb und duftet intensiv.
Bio-Vanille-Eis auf Mandelmilchbasis, Kremstaler Eismacher für Ja! Natürlich
Die vegane Variante des Vanille-Flights. Ganz zart kommt das Mandelmilcharoma durch, passt sich überraschend gut den (zugegeben etwas weniger expressiven) Vanillenoten an und überrascht mit einer stimmigen Nussigkeit.
Bio-Erdbeer-Sorbet – vegan, Stadler Bio-Eis
Man mag anfangs gar nicht glauben, dass das wirklich ein Sorbet ist. Ist es aber. Stadler ist hier ein ausgesprochen fruchtiges, intensives Eis auf Wasserbasis gelungen. Der Erdbeergeschmack wirkt frisch, lebendig und irgendwie gelingt es den Eismachern auch, die Balance von Süße und Säure gut im Griff zu haben.
Bio-Erdbeer-Sorbet, Natur pur
Das Bio-Erdbeer-Sorbet von Natur pur genießt man am besten als Kugel in einem kühlen Getränk. Gin bietet sich an. Oder Vodka. Die Struktur ist kristallin und leicht brüchig. (Was am Gaumen allerdings unglaublich Spaß macht), die Erdbeernoten wirken ein wenig gekünstelt.
Bio-Vanille-Eis mit Ei, Bio Hansinger
Ein Eis hatten wir in der Serie, dass wir sensorisch quasi als „Piraten“ eingeschleust haben. Wir wollten wissen, ob das Ei im Eis schmeckbar ist und was es für einen Unterschied macht. Das Ergebnis war eindeutig. Es ist schmeckbar und wertet das Eis (für die meisten KosterInnen) enorm auf. Es wird cremiger und fülliger und erinnert zart an Eierlikör.
Bio-Vanille-Eis auf Schafmilchbasis, Eisl Eis
Zuletzt noch ein Artenexperiment: Eis von der Schafmilch. Laut Eisl ist Schafmilcheis anders! Im Unterschied zum Speiseeis aus Kuhmilch besticht Schafmilcheis nämlich durch seine besonders cremige Konsistenz. Wir konnten das 1:1 nachvollziehen.
Abgesehen von der verkosteten Eisvielfalt plauderte das Ehepaar Lisa und Giorgio Leone ausführlich aus der EismacherInnenschule und erzählte lebendige Geschichten aus dem Alltag einer biozertifizierten Gelateria in Wien-Josefstadt. Da wurde begeistert über die Vorzüge von Bio philosophiert, aber auch ein wenig über die Schwierigkeiten geklagt, immer alle gewünschten Zutaten in bester Bio-Qualität von kleinen Betrieben zu bekommen. Die mitgebrachten Eisspezialitäten machten deutlich, was die beiden Bio-Eisafficionados unter „so muss das schmecken“ verstehen. Die VerkosterInnen schmolzen jedenfalls dahin.
Die beiden, den heißen Abend abschließenden Getränke – ein estnischer Bio-Icecider und ein niederösterreichischer Bio-Eiswein – machten die süße Wirkung des Eises in der Fruchtveredelung angenehm erlebbar.
Weitere Infos zu den Tasting Foren unter www.biodreinull.at.
Bio-Wissen
Der biologischen Landwirtschaft ist eine artgemäße Tierhaltung ein zentrales Anliegen. Bio-Tiere sollen ihre angeborenen Verhaltensweisen möglichst uneingeschränkt ausleben können. Dazu gehört neben ausreichend Bewegung oder der Pflege von Sozialkontakten zu Artgenossen auch eine ausgewogene Bio-Fütterung.Bio-Kühe fressen hauptsächlich Raufutter (Gras, Klee, Heu, …) und zählen dadurch zu den effizientesten Pflegerinnen einer vielseitigen Kulturlandschaft und Erzeugern wertvoller Lebensmittel. Das ist durchaus auch klimatechnisch relevant, denn Wiesen und Weiden speichern mehr als ein Drittel des globalen Kohlenstoffs. Da eine stabile Grünlanddecke ohne Beweidung und Nutzung dauerhaft nicht möglich ist, treten hier die Wiederkäuer auf den Plan: Sie stoßen zwar klimabelastendes Methan aus, doch wenn sie, wie im Biolandbau üblich, artgemäß grasen, kann diese Art der Grünlandnutzung große Mengen an Treibhausgas-Emissionen vermeiden.Der hohe Raufutteranteil unterstützt auch die Arbeit der Mikroorganismen, die im Pansen der Wiederkäuer leben und mit deren Hilfe die Kuh das hochwertige Lebensmittel Milch produziert. Die Produktion großer Milchmengen bedeutet für die Kühe allerdings Höchstleistung, für die sie sämtliche Körperreserven mobilisieren müssen. Statt kurzfristig erbrachter Spitzenleistungen strebt man in der Biolandwirtschaft daher eine nachhaltige und langfristige Lebensleistung der Tiere an – denn gesunde und zufriedene Milchkühe sind die Basis für hochwertige Bio-Milch und Bio-Milchprodukte.