Donauwasser gegen die Dürre? – „Grundsätzlich legitim.“
Niederösterreichs Bauern wollen ihre Felder künftig mit Donauwasser beregnen. Im Interview äußert Carl Manzano, Direktor des Nationalparks Donau-Auen, dafür grundsätzlich Verständnis.
BIORAMA: Durch die Dürre und die damit einhergehend historisch schlechte Ernte haben Bauernvertreter gefordert, Felder und Äcker im Marchfeld in Zukunft mit Donauwasser zu bewässern. Wie bewerten Sie diese Idee als Direktor des Nationalpark Donau-Auen?
Carl Manzano: Mir ist kein konkretes neues Projekt zur Entnahme von Donauwasser bekannt. Meines Wissen gibt es bis jetzt nur grundsätzliche Überlegungen seitens der Niederösterreichischen Landeslandwirtschaftskammer, wie in Zeiten des Klimawandels langfristig die großflächige Wasserversorgung (250.000 Hektar) für die landwirtschaftliche Produktion im trockenen Osten Niederösterreichs sicher gestellt werden kann. Solche vorausschauende Überlegungen sind meines Erachtens durchaus verständlich und legitim. Bei Annahme gewisser Szenarien kommt dann nur mehr Donauwasser in Frage.
In Italien hat die Wasserentnahme aus dem Po mittlerweile Tradition. Dennoch wird sie Medienberichten zufolge nun reduziert. Welche Auswirkungen hat denn die Wasserentnahme auf die Ökosysteme Fluss und Auwald?
Carl Manzano: Die Auswirkungen auf Fluss und Au hängen von den Mengen ab, die entnommen werden sollen, und die dann dem Ökosystem fehlen. Entscheidend sind die Auswirkungen bei Niederwasser, wenn wenig oder gar extrem wenig Wasser in der Donau fließt. Bekanntlich haben wir derzeit schon starke Probleme mit den Altarmen und Nebengewässern, die bei Niederwasser der Donau für immer längere Zeiten trocken fallen. Alarmierend ist der dramatische Rückgang der Fisch-Biomasse im ganzen System, der, wenn es so weiter geht, bald nicht mehr den Grenzwerten der EU-Wassserrahmenrichtlinie entsprechen wird. Der Rückgang hat mehrfache Ursachen, wesentlich ist sicher die laufende Eintiefung der Donausohle. Gelingt es endlich, diesen Trend durch ein aktives und verbindliches Geschiebemanagement dauerhaft zu stoppen oder gar umzudrehen (dabei gibt es in den letzten beiden Jahren erfreulicherweise Fortschritte), dann kann man auch seitens des Nationalparks bzw. aus Sicht der Fluss- und Auenökologie eine allfällige Wasserentnahme für Bewässerungen deutlich entspannter diskutieren.
Was, wenn nach den Marchfelder Bauern auch jene in Bayern und Oberösterreich, oder stromabwärts in der Slowakei, Ungarn oder in Rumänien und Bulgarien beginnen ihre Felder massiv mit Donauwasser zu gießen?
Carl Manzano: Der Marchfeldkanal entnimmt – oberhalb des Nationalparks – laufend 4 bis 5 cm³ Wasser pro Sekunde, das ist nur ein Drittel der Menge, die laut gültigem Bescheid möglich wäre. Direkt aus dem Kanal werden nur ca. 1.000 Hektar Landwirtschaft bewässert. Allerdings sichert eine durch den Kanal ermöglichte Dotierung des Grundwassers, dass die Landwirte ihre bestehenden Feldbrunnen weiterhin langfristig nutzen können, weil die bei tiefen Grundwasserständen durch die Beregnungen verursachte Absenkung der Grundwasserspiegel wieder durch Grundwasseranreicherung kompensiert werden kann. Das gilt für die sogenannte „Niederterrasse“, also die donaunahen Teile des Marchfelds. Die ursprünglich geplante Bewässerung der (weiter nördlich gelegenen) Hochterrasse (dort haben die Landwirte keine oder nur schlechter nutzbare Brunnen) ist bis heute trotz hoher Fördermöglichkeiten nicht realisiert, weil es vermutlich nicht wirtschaftlich ist. Die Frage stellt sich daher, ob Bewässerungsprojekte, die das Wasser in noch weiter von der Donau gelegene Gebiete bringen sollen, je wirtschaftlich sinnvoll sein können. Natürlich stellt sich auch die Frage, wie (wasser-)ressourcenschonend eine zukünftige Landwirtschaft sein soll bzw. sein muss.
Auch in der Region sind Bewässerungssysteme nicht neu. Wie sehen Sie den Marchfeldkanal denn aus ökologischer Sicht?
Carl Manzano: Der Marchfeldkanal ist, wie er sich heute darstellt, eine Bereicherung für die Landschaft des Marchfelds und auch ein guter Fisch-Lebensraum. Der größte Teil des Wassers, das der Donau für den Marchfeldkanal entnommen wird, fließt am Ende der Nationalparkstrecke wieder in die Donau zurück.
Was durch Hitze und Trockenheit heuer weitgehend ausgeblieben ist: die Gelsen. Wenn die Gelsenbrut ausbleibt, verhungern dann junge Fische in den Altarmen der Au?
Carl Manzano: Massenhaftes Gelsenaufkommen entwickelt sich in erster Linie in temporären Gewässern. In ständigen Gewässern gibt es zu viele Fressfeinde, die die sich im Wasser entwickelnden Gelsenlarven laufend dezimieren. „Gelsenplagen“ gibt es in unseren Donau-Auen heute nur mehr, wenn die Donau zumindest einmal über die Ufer geht und tiefe Stellen und Gräben in den Auen mit Wasser gefüllt werden. Das kann auch durch längere sehr hohe Grundwasserstände (die wiederum von einer langandauernden hohen Wasserführung der Donau bewirkt werden) geschehen. Beides war heuer nicht der Fall. Passen in den nächsten Jahren die Bedingungen wieder, kann es auch zeitweilig wieder massenhaft Gelsen geben. Beim Typ der „Überschwemmungsgelsen“ überwintern keine adulten Tiere, sie überleben als Eier die trockenen Zeiten. Faszinierend ist, dass die Gelsenweibchen offenbar wissen, wo sie die Eier ablegen müssen, damit sie sich irgendwann später in einem genau dort entstehenden temporären Wasserkörper entwickeln können.
Ist damit zu rechnen, dass es nach einem heißen Sommer 2017 auch 2018 merkbar weniger Gelsen geben wird?
Carl Manzano: Es ist nicht untypisch für die Natur, dass bei vielen Arten von Jahr zu Jahr große Schwankungen in den Populationsdichten auftreten können, abhängig von Witterung und anderen Faktoren. Das betrifft dann natürlich auch ihre Fressfeinde. Wichtig ist nur, dass sich das im Lauf der Jahre wieder ausgleicht und rechtzeitig genug wieder Bedingungen da sind, unter denen sich die Population regenerieren kann.
Weiterlesen? Ende 2016 haben wir Carl Manzano ausführlich zum Jubiläum des Nationalparks Donau-Auen interviewt. Auch mit dem Thema Gelsen haben wir uns bereits ausführlich beschäftigt. Am 7. Oktober 2017 führt uns eine BIORAMA-Lesersafari in den Erweiterungsteil des Nationalparks – nach Sonnenuntergang, um den Lebensraum der Waldkäuze zu erkunden.