Boot – Land – Fluss

Titelbild Mohacs

BILD Laura Nitsche

Von Niederösterreich bis ans Schwarze Meer – die »Donauruderwanderung« führte die Künstlerin Laura Nitsche vergangenen Sommer in einem Ruderboot die Donau entlang. Ein Reisebericht in Öl.

Sommer 2012. Ruderteams von bis zu fünf Personen machen sich auf den Weg, um in verschiedenen Etappen die Donau entlangzufahren. Unser Ruderboot heißt »Wachau« und ist ein Holzboot, das wir für eine Kiste Bier von einem Ruderverein bekommen haben. Es ist eine wahre Kunst, das Ruderboot zu bepacken – alle müssen mithelfen, die Bootssäcke von Land durchs Wasser auf Bug und Heck zu befördern, durchdacht zu platzieren, zu stapeln und zu verschnüren. Wir haben alles, was wir brauchen, an Bord – von A(utan) bis Z(elt). Übernachtet wird, nachdem wir die österreichische Grenze und das Campingverbot hinter uns gelassen haben, in Zelten, wo auch immer wir einen geeigneten Rastplatz finden – je nach Gelsensituation, Hunger, Müdigkeit, Überschwemmungsrisiko und Müllfreiheit.

Die Packerei war auch sonst eine Plackerei, eine der wenigen entbehrlichen Umstände dieser sonst fabelhaften Reise, wenn man vom Sand im Mund während der Lagerfeuermahlzeiten absieht. Für die Zubereitung eines stärkenden Mahls geht locker eine Stunde drauf, mit Extrakaffee eineinhalb.

»Wo sind die Haferflocken?« »Ich glaub, in dem kleinen blauen Sack.« »Nein, ich hab sie gestern zum Kohlenhydratsackerl dazugetan.« »Und wo ist das?« »Ähm. Weiß nicht genau, aber ich glaube, das Sackerl war gelb.« »Aha, gelb. Gut, dann such ich auch gleich die Rosinen, die werden ja wahrscheinlich auch in der Nähe sein?« »Nein, die haben wir ins Tagesfressackerl gegeben – zu den Müsliriegeln und Keksen …« Get the picture?

Kreuzschmerzen und zähnefletschende Wölfe

Selbstredend sind alle Mitreisenden Frohnaturen, aber stundenlanges Rudern bei 40 Grad (von Trink-, Haarstyling- und Pinkelpausen durchwachsen), Schwielen und Blasen (täglicher Vergleich: Je größer, desto besser!), Kreuzschmerzen (an aufrechten, einigermaßen würdigen Gang ist nicht mehr zu denken) und schwarze Aluschmiere, wohin das Auge blickt (der Abrieb von den Schienen des Rudersitzes) kann die bravsten Schäfchen zu zähnefletschenden Wölfen machen. Diese haarsträubenden – und im Übrigen zu vernachlässigenden – Details muss ich erzählen, damit ich hier nicht ausschließlich schwärme und der glorifizierenden Fantasterei bezichtigt werde. In Wahrheit ist diese Reise für mich eines der lustigsten und besten Erlebnisse meines Lebens. Ich kann die erste Woche (diese Gruppe besteht nur aus Frauen) von Mohacs (Ungarn) bis Backa Palanca (Serbien) vor Lachen kaum schlafen und wenn, träume ich Lustiges weiter. Meistens singen wir während des Ruderns, tratschen, zählen in Fremdsprachen bis Tausend oder geben gute, meistens aber grottenschlechte Witze (seltsamerweise merkt man sich solche am ehesten) zum Besten. Die andere Gruppe, mit der ich in Rumänien von Turnu Severin bis Calafat rudere, ist kontemplativer, da kann man sich ganz dem meditativen Ruderschlag hingeben, auch wunderbar! Wir haben einen Rumänien-Experten an Bord, der uns Interessantes über Land, Leute, Politik und Wirtschaft erzählt. Abends musizieren wir am Lagerfeuer mit Maultrommel, Kazoo, Ukulele und Melodika Ich bin so glücklich – ich glaube, das sind wir alle.

Zeitreise am Wasser

Untertags versuchen wir, ein gewisses Kilometerpensum (20 km/Tag) zu erreichen und machen, wenn es möglich ist, Mittagspause in einem Lokal – in Serbien oft, in Rumänien so gut wie nie, je einmal illegal in Kroatien und Bulgarien, wo wir dann auch mit der Exekutive in Kontakt kommen, weil man nur in einem Land offiziell einreisen darf. Wir essen frischen Karpfen aus der Donau und Szopskasalat oder: Was es halt gibt. In Serbien und Ungarn sind die Menschen extrem gastfreundlich, in Rumänien anfangs eher misstrauisch und dann sehr hilfsbereit. Frauen holen Trinkwasser für uns, Kinder fragen, ob sie das Boot angreifen dürfen, Großväter pflücken Pflaumen, man bringt uns Gemüse aus dem Garten, weil man, sofern es überhaupt Geschäfte gibt, dort fast nichts kaufen kann. Truthähne, Esel, Gänse, dreibeinige Hunde, Pferdewagen … es ist wie eine Zeitreise in ein früheres Jahrhundert – vom Wasser aus mit Aus- und gleichzeitigem Einstieg in eine andere Welt. Auf scheinbar filigranen Stegen angeln Väter mit ihren Söhnen, wir sehen Ziegen, die Halt in der senkrechten Böschung finden, Pferde, die am Ufer grasen, Kuh- und Schafherden, an manchen Tagen folgt eine Augenweide der nächsten.

Macht euch auf den Weg! An die Riemen! Und wenn nicht rudernd, dann per pedes! Die Donau ist ein Fluss, ein Erlebnis in sehr greifbarer Nähe, also: Karpfe diem!

 

Die Ausstellung »Donauzeit« von Laura Nitsche ist bis 14. August 2013 im Schloss in Orth a.d. Donau oder auf www.lauranitsche.com zu sehen.

TEXT & BILD Laura Nitsche

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