Direct Trade Coffee: Dem Kaffeesatz auf den Grund gegangen

Bild: flickr.com/counterculturecoffee/CC BY-NC-ND 2.0

Bild: flickr.com/counterculturecoffee/CC BY-NC-ND 2.0

Der Handel mit Produkten, die das Fairtrade-Siegel tragen, boomt. Im ersten Halbjahr 2014 stieg der von Fairtrade geschätzte Handelsumsatz in Österreich um elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mancherorts wurde und wird allerdings Kritik laut und eine Diskussion rund um die Wirksamkeit des Systems hinter Fairtrade läuft. Im Bereich des Kaffeehandels entwickelt sich seit einiger Zeit eine kleine aber feine, alternative Strömung zum Fairtrade-Zertifikat: Der direkte Handel mit Produzenten aus Afrika und Lateinamerika.

„Make Trade Fair!“, schrieb sich vor einigen Jahren Coldplay-Sänger Chris Martin auf Hände, Bauch und Klavier. Diese Kampagne von Oxfam, einem internationalen Verbund unterschiedlicher Organisationen zur Entwicklungszusammenarbeit, sollte zur Emanzipation von landwirtschaftlichen Produzenten in Entwicklungsländern beitragen. Initiativen wie diese sind inzwischen zahlreich und das Label Fairtrade hat sich etabliert. Doch es hagelt auch Kritik: Fairtrade leiste keinen Beitrag hin zu einem grundlegenden Wandel in den weltweiten Handelsstrategien, das Label begünstige Greenwashing und die Kooperativen-Struktur sei korruptionsanfällig. Mit diesen und weiteren Vorwürfen sieht sich die Zertifikate vergebende Organisation konfrontiert.  Hier, hier, hier und hier gibt es einige weiterführende Links zur Diskussion.

Im fairen Handel mit Kaffee im kleineren Stil, abseits der Gütesiegel-Pfade tut sich derweil so einiges. Coffeecircle zeigt es vor und so mancher schließt sich an. So auch in Wien: Die Kaffeefabrik im vierten Wiener Gemeindebezirk hat sich dem direkten Handel mit Kaffee verschrieben. BIORAMA fragte nach den Hintergründen.

BIORAMA: Warum hast du dich für den Direktimport entschieden?

Tobias Radinger: Das hat mehrere Gründe: Einerseits ist es das Geld – ich will einen fairen Preis für das Produkt bezahlen und sicherstellen, dass dieses Geld auch beim Produzenten ankommt. Bei Fairtrade weiß ich zwar dass ein – für mich zu niedriges – Minimum bezahlt wird, kenne aber sonst die Aufteilung des Geldes nicht. Bei Direct Trade handeln wir direkt mit den Kooperativen, das heißt die Verträge werden in der Regel mit den Kooperativen selbst verhandelt, das Geld geht direkt an sie. Bei unseren Besuchen in den Koops führen wir Gespräche auf verschiedenen Levels (Koop-Management, Mitarbeiter, Mitglied der Koop also Kaffeebauer etc.) und versuchen auch da noch den Weg des Geldes nachzuvollziehen. Das Fairtrade-Minimum liegt bei 1,4 $/Pfund, plus Biozuschlag und Prämie macht das maximal 1,9 $/Pfund. Unser Minimum liegt derzeit bei 2,65 $/Pfund.

Ein weiterer Punkt ist die Qualität – wir wollen nur Qualität anbieten also kann ich auch nur Qualität einkaufen. Durch die meist schon langjährige Partnerschaft kennen die Koops unsere Ansprüche und jeder Kaffee wird von uns in Europa nochmal getestet, bevor er das Produktionsland verlässt. Dadurch, dass wir in direktem Kontakt mit den Koops stehen, können wir ihnen auch ein unmittelbares Feedback zu ihren Kaffees geben, ob positiv oder negativ. Sollte es ein Problem gegeben haben, versuchen wir gemeinsam die Ursache zu finden, damit bei der nächsten Ernte wieder alles passt. Daher ist für uns auch eine langfristige Partnerschaft von Bedeutung: Wir kaufen Jahr für Jahr von den selben Koops und wir bestellen spätestens ein halbes Jahr vor der Ernte bindend. So können beide Seiten planen und gemeinsam die Qualität und die Beziehung weiter entwickeln.

Diese Partnerschaft inkludiert auch, dass wir zum Teil 60 Prozent unseres Einkaufs ein halbes Jahr vor der Verschiffung zinsfrei vorfinanzieren, um der Koop ausreichend Kapital während der Ernte zur Verfügung zu stellen.

Und ich will einfach wissen, wo und wie das Produkt, das ich verarbeite und weiterverkaufe entsteht. Nur so kann ich auch dem Konsumenten die volle Information bieten. Diesen Anspruch versuche ich auch privat zu leben und das will ich meinen Kunden genauso bieten.

Wo siehst du Fehler im System von Fairtrade?

Einerseits ist das System hinter Fairtrade ein großer Apparat, der selbst finanziert werden muss und nach wie vor sehr intransparent ist. Viel Geld wird für Marketing aufgewendet. Die Zertifizierung kostet auch für die Kooperativen Geld. Und es gibt keine Incentives für besondere Qualität, was sich eher zum Nachteil für die Qualität auswirkt. Die Zusammenarbeit von Fairtrade und Nestlé, also Nespresso, stellt für mich zudem die Glaubwürdigkeit von Fairtrade insgesamt in Frage.

Was man der Organisation Fairtrade nicht, aber anderen „fairen“ Siegeln vorwerfen kann: Zum Teil muss nur ein geringer Teil des Kaffees in der Packung zertifiziert sein, zum Beispiel bei Rainforest Alliance, und die Packung darf das Siegel tragen – ohne konkreten Hinweis darauf. Das ist schlichtweg Betrug. Ich gehe die Wette ein, dass 90 Prozent der Konsumenten glauben, dass das Produkt zur Gänze fair gehandelt ist.

Der Konsument unterliegt aber vielleicht auch einem Missverständnis: Fairtrade ist kein Hilfsprojekt. Die Ideen auf denen Fairtrade basiert, sollten eigentlich selbstverständlich sein: ein Preisminimum, Mindestlöhne, eine nachhaltige Arbeitsweise, etc. Als Konsument sollte ich wissen, dass Fairtrade eigentlich nur ein wünschenswertes Minimum erfüllt, mit Helfen hat das aber nichts zu tun. Wenn man in Österreich ab Hof bei Bauern einkauft, wird man auch nicht auf den Gedanken kommen, ein Hilfsprojekt zu unterstützen. Man sollte aber nicht außer Acht lassen, dass der Bauer im Großhandel nur einen wesentlich schlechteren Preis erzielen würde, als den, den ich bereit bin für ein Produkt zu zahlen. Ich fürchte, das ist Konsumenten oft nicht bewusst.

Bild: flickr.com/Martin Fisch/CC BY-SA 2.0

Bild: flickr.com/Martin Fisch/CC BY-SA 2.0

Wie erlebst du die Zusammenarbeit mit den lokalen Produzenten?

Ich könnte jetzt Geschichten erzählen, wie ich mit meinem Kaffeebauern durch seine Plantage schreite und wir gemeinsam die Kaffeekirschen betrachten und das Jahr und die Probleme besprechen. Das machen wir auch und ist sicher auch oft der emotional berührendste Teil unserer Reisen. Die Arbeit an sich passiert allerdings anders.

Auch wenn wir einzelne Bauern besuchen, ist unser Ansprechpartner in der Regel die Kooperative. Die meisten Koops mit denen wir arbeiten, haben mehrere hundert Mitglieder. Wir besuchen einige Bauern, um zu sehen wie gearbeitet wird, wo es Probleme und Potenzial gibt – und um sie über ihre Meinung zur Koop zu fragen. Aber das ist eine eher zufällige Auswahl. Die Menschen, mit denen wir über’s Jahr Kontakt haben, sind die Verantwortlichen in den Koops. Mit ihnen können wir Maßnahmen besprechen, die auf die gesamte Koop wirken können. Wir versuchen aber auch nicht, unsere Vorstellungen von den Produzenten unhinterfragt einzufordern. Auf Sumatra gibt es beispielsweise ein System, wo der Kaffee vom Bauern zum Collector – das ist meist der größte Produzent in einem Dorf – und dann erst zur Koop kommt. Der Collector hat damit eine eigene wirtschaftliche Stellung, die uns nicht hundertprozentig gefällt. Hier einzugreifen und zu sagen, dass dies geändert gehört, wäre aber anmaßend.

Schöne Momente gibt es aber dennoch viele: Wir haben zum Beispiel in einer Runde von Kaffeebauern einer Koop auf Sumatra gefragt, warum sie überhaupt in dieser Koop sind und ihren Kaffee nicht einfach an Händler verkaufen. Eine Produzentin hat daraufhin gesagt, dass sie jetzt weiß, dass ihr Kaffee in Wien, Paris und Hamburg getrunken wird und sie das stolz macht. Auch dafür arbeiten wir direkt. Es hat natürlich auch schon Partner gegeben, mit denen wir nicht weiter zusammenarbeiten konnten. Aber auch das gehört dazu.

Nach welchen Kriterien wählst du deine Produzenten aus?

Unsere Kriterien sind folgende: Der Produzent muss bio-zertifiziert oder auf dem Weg zur Umstellung auf Bio sein. Die Koop muss demokratisch organisiert sein und aus kleinen Produzenten bestehen. Die Abläufe müssen nachvollziehbar und demokratisch sein. Die Qualiät muss stimmen und das Interesse an einer langjähriger Zusammenarbeit sollte gegeben sein.

Die Anzahl unserer Produzenten ist natürlich gewachsen und das hat, je nachdem, unterschiedliche Gründe. Manchmal hat zum Beispiel ein Röster von Roasters United schon früher mit dem Produzenten gearbeitet oder hat ihn bei einer Reise besucht. Das funktioniert also in der Regel über persönliche Kontakte.

Unser Direct-Trade-Modell verbindet sich auch sehr mit der Idee der Kooperative. Dass kleine Produzenten sich zusammenschließen und gemeinsam arbeiten, das unterstützen wir. Wir setzen daher auch Maßnahmen, die über den unmittelbaren Kaffee-Einkauf hinaus gehen und bieten Schulungen und Trainings an.

Direct Trade kann auch heißen, dass man direkt von einem Großbetrieb mit konventionellem Anbau kauft und  Marktpreise bezahlt … aber das ist eben nicht unsere Idee von Direct Trade. Das benennt aber auch das größte Problem: Jeder kann sagen, er handelt direkt und meint dabei jeweils etwas Anderes. In der Kaffeefabrik verarbeiten wir ganz bewusst keine preisgekrönten Kaffees. Diese Kaffees erzielen zwar für den Produzenten Höchstpreise, aber das unterstützt kaum den Zusammenhalt in einer Gemeinschaft.

Unser Motto könnte man in etwa so zusammenfassen: Coffee from the people to the people – das heißt, neben Direct Trade ist uns auch wichtig, dass der Kaffee hier leistbar bleibt, obwohl wir sehr gute Preise für das Produkt bezahlen.

VERWANDTE ARTIKEL