Die Sache mit der Milch

Illustration: Katharina Hüttler/agentazur.com

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Noch nie war in den Verkaufsregalen die Auswahl an Milchprodukten so groß wie heute. Aber auch Intoleranzen gegenüber Milchzucker steigen. Ist das normal?

In meiner Kindheit war Milch für uns Kinder der unverzichtbare Energydrink. Die weiß-blauen Packungen waren das Red Bull der 70er-Jahre. Neben der normalen Milch gab es damals noch Babymilch in rosa Packungen und Variationen als Kakao- oder Vanillemilch. Ohne Milch wäre ich wohl nie so groß geworden, das hat uns die Werbung schon damals suggeriert. Als sportlicher Teenager hab ich dann mit Sicherheit auch mindestens zwei Liter Milch am Tag getrunken. Als ich heimkam von der Fußballwiese, führte mein erster Weg zum Kühlschrank und wenn ich gleich direkt aus der Packung getrunken habe, dann hab ich sie erst leer wieder abgesetzt.

20 Jahre später – die Regale waren mittlerweile mit zig Packungen mit verschiedenen Fettstufen, Haltbarkeitsdauer und aus den unterschiedlichsten Regionen prall gefüllt – machte ich im Rahmen einer Untersuchung einen Unverträglichkeitstest. Ergebnis: Mein Körper verträgt keine Milch (mehr). Milchprodukte sollten laut einer Diätologin vermieden werden. Der Yorktest war unter Medizinern aber auch etwas umstritten, weshalb ich mich selber mit einem Ernährungstagebuch austestete. Reine Milch habe ich dann ab 35 gar nicht mehr konsumiert. Aber auf Produkte wie Butter oder Käse wollte ich auf keinen Fall verzichten. Beim Verzehr kann ich keine Symptome einer Unverträglichkeit feststellen und verzichte daher bis heute nicht auf Käse.

Genauer hinschauen

Dabei wollen mir Tierschützer immer wieder den Genuss verleiden. Zum Teil mit gar nicht so schlechten Argumenten: Eine Milchkuh muss tatsächlich laufend schwanger sein, um bis zu 350 Tagen im Jahr Milch zu liefern. So wird sie bereits zwei bis drei Monate nach der Geburt des Kalbes erneut künstlich besamt, um permanent Milchleistung geben zu können. Außerdem ist der Mensch im Kreis der Säugetiere das einzige Lebewesen, das Milch von anderen Säugern bewusst verwendet. Trotzdem mag ich auf Milchprodukte nicht gänzlich verzichten. Ich möchte nun nur etwas genauer hinschauen: Woher die Produkte kommen und wie mit den Tieren umgegangen wird. Da führt der Weg klarerweise zu Produkten von biologisch gehaltenen Tieren. Im besten Fall sogar in alpinen Bergregionen mit saftigen Wiesen.

Vor einigen Jahren wurde dann auch bei meiner Mutter Unverträglichkeit von Milchzucker festgestellt. Nach fast 70 Lebensjahren war eine Umstellung ob vieler lange gepflegter Konsumgewohnheiten noch schwieriger, wenngleich die Anzahl von Ersatzprodukten heute schon enorm ist. Aber der Vergleich mit Soja-, Reis- oder Hafermilch lässt mich doch immer auf die Kuhmilch zurückgreifen – wenn man sie denn verträgt und es ethisch vertreten kann. Weil: So normal ist das Milchtrinken auf unserem Planeten nämlich gar nicht. Über 75 Prozent der Weltbevölkerung, speziell in Asien, kann Milchzucker nicht verdauen. Gerade mal in Nordamerika, Europa, Russland und Australien ist der Verzehr von Milch bei Erwachsenen normal. Und das gibt mir auch wieder zu denken.

 

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