Die Revolution der Tee-Nerds
Rechtzeitig zum 14. österreichischen Tag des Tees hat Anna Burghardt ihr Buch mit dem Titel (Achtung, Spoiler!) „Tee! Tee! Tee!“ auf den Markt gebracht. Cheers to that!
Wie? Was soll das heißen, mit Tee prostet man nicht? Also wirklich, jetzt haben Sie sich doch glatt als einer von jenen Teedogmatikern geoutet, mit deren altmodischen Ansichten die Autorin in ihrem Buch aufräumen möchte. Da haben Sie‘s! Nicht einmal Kaffeetrinker ereilt dieses harsche Schicksal. Diese werden lediglich auf dem Buchumschlag davor gewarnt, es lieber nicht zu lesen, wenn sie „ernstliche Bedenken haben, ein Teetrinker zu werden“, denn dieses Buch mache süchtig – „nach dem Buch und nach dem Tee“. Bislang kannte man die pathologische Abhängigkeit von Heißgetränken nur von Morgenmuffeln, die grantig den Gang zur Kaffeeküche entlang schlurfen und jegliche soziale Interaktion verweigern, bis sie ihren allmorgendlichen Koffeinkick bekommen haben. Doch es gibt auch wahre Tee-Nerds, in deren Welt man mithilfe dieses Buches einen Einblick bekommt. Den Zugang zum Thema Tee möchte Anna Burghardt, Gourmet-Redakteurin und Chefin vom Dienst des Presse-Schaufensters, so unkonventionell wie möglich gestalten und somit zeigen, dass auch Teetrinken sexy sein kann.
„Sollte das Kaffe sein, bringen Sie mir bitte Tee. Sollte das Tee sein, bringen Sie mir bitte Kaffee.“ – Abraham Lincoln
Burghardt beweist nicht nur bei der Wahl der Kapitelüberschriften ein glückliches Händchen: Titel wie „Tägliches Kannenbaden oder Wie werde ich ein guter Tee-Nerd?“, „Wenn die scharfe Anna auf Wolke 7 schwebt – Die zweifelhafte Welt der Teenamen“ oder „Was sagt eigentlich George Clooney dazu? – Tee in Kapseln“ lassen den verspielten Themenzugang der Autorin erahnen. Gäbe es so etwas wie eine „Goldene Himbeere für Texte“, stünden Ergüsse über Tee auf Burghardts Favoritenliste ganz weit oben. Ihr eigenes Buch hingegen macht vor allem eines: Spaß! Erzeugen die bunten Kreise am Buchumschlag anfangs noch das mulmige Gefühl, hier sei die Bubble Tea-Lobby am Werk gewesen, entpuppt sich die farbenfrohe Gestaltung auf den zweiten Blick als lediglich symbolisch für Burghardts originelle Art, über einen traditionell anmutenden Themenbereich zu schreiben. Mit ihrer Mischung aus Theorie (sogenannte „Klugscheißerkapitel“), Praxis und einer saftigen Portion Humor trifft die Autorin genau den Zahn der Zeit und macht ein altes Thema wieder jung. Die charmanten Illustrationen von Monica Gross Meinhart tun dazu ihr übriges. Kurzweilig ist da zum Beispiel auch das Kapitel „Von der Wiege bis zum Gebiss im Glas – Ein Leben mit Tee“, welches auf Anregung von Georg Demmer, Sohn des wahl-österreichischen Teemoguls und (wie könnte es anders sein) gebürtigen Londoners Andrew Demmer, entstanden ist.
Die Sekkatur der Teedogmatiker
In Zeiten in denen „Blasentee“ (Wikipedia-Übersetzung von Bubble Tea) & Co scheinbar zu einer zunehmenden Verwahrlosung der traditionellen Teekultur führen, beschreitet Burghardt neue Wege, indem sie den Kulturpessimismus hinter sich lässt und ihre Leser in die Welt von Matcha, Teecocktail- und -tanzparties entführt. Die letzten 20 Seiten widmen sich allerlei Rezepten zum Kochen (Matcha-Gnocchi), Backen („Tearamisu“) oder Feiern (diverse Teecocktails). Mit einem Augenzwinkern fordert sie zudem „10 Rechte des neuen Teetrinkers“ ein: Unter anderem darf man „den edlen weißen Tee als völlig geschmacksneutral bezeichnen“, darf seinen „Tee mit Milch und Zucker trinken“ und sogar „Bubble Tea lustig finden, auch wenn man keine 15 mehr ist“. Gleich im Anschluss gibt‘s dafür auch „Erste-Hilfe-Maßnahmen für Teedogmatiker: Schließen Sie das Buch und Ihre Augen und legen Sie sich flach auf den Boden, bis Hilfe naht. Der Sanitäter kennt Sie ja schon.“
Kleiner Tipp am Rande: Anstatt seine Lieben zu Weihnachten mit dem x-ten Teekannen-Set zu beglücken, schenken Sie lieber diese witzige Streitschrift für Tee-Nerds. (Sollte der zu Beschenkende noch keiner sein, wird er es sowieso durch die Lektüre dieses Buchs.)