Die Pilzjagd ist eröffnet!

Machen wir’s doch einfach wie die Pinguine: „Kuscheln statt Heizen“. Ein Interview zur wiedereröffneten Heizpilz-Saison.

Das russische Hoch ist eine Bezeichnung aus der Meteorologie und meint die Kombination von wolkenlosem Himmel, strahlendem Sonnenschein und klirrender Kälte. Es stellt die optimalen Bedingungen für das Sprießen von Pilzen – Heizpilzen, um genau zu sein. Deren bevorzugter Lebensraum sind Terrassen und Schanigärten von diversen Gastronomiebetrieben. Dass man diese Art aber eigentlich zur Gruppe der Giftpilze zählen sollte, ist dabei nur den wenigsten bewusst. Günter Strobl, Initiator der Petition für ein „bundesweites Verbot von Heizpilzen bzw. Außenheizungen“ und ehemaliges Mitglied der Wiener Grünen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Öffentlichkeit für ein Problem zu sensibilisieren, das viele unreflektiert als Luxus betrachten. Wir haben Günter Strobl zum Interview getroffen:

BIORAMA: Ein einziger Heizpilz kann bis zu 14 Kilowatt Leistung benötigen und produziert somit im Jahr so viel Treibhausgas wie etwa ein Kleinwagen, der 20.000 Kilometer zurücklegt oder die Beheizung einer 100 Quadratmeter großen Wohnung. Diese eklatanten Umweltbelastungen bestehen ja schon länger – Wieso kommst du gerade jetzt auf die Idee, diese Petition ins Leben zu rufen?

Günter Strobl: Also ich hab mit der Idee im letzten Winter begonnen. Wenn man auf meinen Blog schaut, sieht man, dass mich dieses Thema schon länger beschäftigt. Dann ist die Plattform change.org online gegangen und ich hatte das Gefühl, dort wird einem ein recht kommodes Instrumentarium zur Verfügung gestellt und so hab ich die Petition angelegt. Das war eine relativ rasche Aktion und ich wollte einfach mal einen Schritt setzen in Richtung Öffentlichkeit, auch über den Blog hinaus. Aber eigentlich war der Anlass, dass es diese Plattform jetzt gegeben hat.

Also fördert das Aufkommen von Social Media deiner Meinung nach auch, dass Leute sich politisch engagieren und selbst aktiv werden?

Ja, genau. Und es bietet eben die Möglichkeit, politische Forderungen in Petitionen zu formulieren und dafür Stimmen zu sammeln. Ich kannte bis jetzt nur Plattformen, die Spenden sammeln wie zum Beispiel avaaz.org. Für mich war das neu, dass da jetzt auch Bürgeranliegen formuliert werden können.

In der Schweiz sah es im letzten Jahr schon kurz danach aus, als ob sich eine derartige Forderung durchsetzen könnte. Im letzten Moment hatten Grüne und Grünliberale aber das Nachsehen und das Verbot von Heizpilzen wurde gekippt. Wieso lassen sich Umweltschutzmaßnahmen so schwer kommunizieren bzw. wieso ist es so schwierig ökologisch sinnvolle Anliegen gesetzlich durchzuboxen?

Das ist ein komplexes Thema, aber ich würde sagen, dass Umweltschutzmaßnahmen sich vor allem deswegen so schwer kommunizieren lassen, weil die Folgen nicht unmittelbar spürbar sind für den Einzelnen; das ist das Hauptproblem. Die Folgen unseres Handelns entstehen in der Zukunft. Der Mensch ist aber ein Wesen, das nicht dazu geeignet ist, solche Konsequenzen wahrzunehmen; er ist nicht mit den nötigen Sinnen ausgestattet. Man kann ja die Umweltschäden nicht so einfach wahrnehmen, sondern die werden durch Wissenschaftler, durch Messungen und Studien behauptet und erst dadurch erlangen sie Öffentlichkeit. Das Problem ist tatsächlich, dass wir Menschen das nicht spüren. Der Klimawandel als solcher ist nicht spürbar – schon gar nicht in Mitteleuropa. Selbst bei katastrophalen Ereignissen ist die Verbindung zum Klimawandel kaum herstellbar. Das ist es, was Umweltschutz und die Notwendigkeit von Umweltschutz so schwer kommunizierbar macht.

Günther Strobl

„Die Folgen unseres Handelns entstehen in der Zukunft.“ – Günter Strobl

 

Gastronomiebetriebe sehen sich in letzter Zeit mit immer mehr Auflagen, die ebensolche „unsichtbaren Gefahren“ betreffen, konfrontiert. Wilhelm Turecek, Obmann der Gastronomen in der Wiener Wirtschaftskammer, sieht keinen Grund für ein weiteres Verbot und meint, es sei „eine wirtschaftliche Entscheidung für jedes Unternehmen, ob es sich einen Heizpilz leistet“. Wie willst du mit deiner Idee Gastronomen erreichen, die durch das Verbot ja das Abwandern von Gästen befürchten?

Also ich versteh die Gastronomen, die um ihren Umsatz fürchten, aber man muss einmal genau hinschauen, was die Ursache dafür ist. Wir haben es hier mit einem Rebound-Effekt zu tun: Die Gesundheitspolitik hat das Rauchverbot in Lokalen eingeführt und damit letztlich die Verantwortung auf den Einzelnen abgewälzt. Gastronomen, Raucher und auch Nichtraucher werden dazu aufgerufen, das Problem selbst zu lösen, das ist eine Mutlosigkeit der Politik. Es ist eben nicht nur eine wirtschaftliche Entscheidung des Unternehmens, den Heizpilz anzuschaffen, weil Umweltschutz wie auch Umweltschäden eine Frage der Allgemeinheit sind. Wir alle tragen die Folgen von diesem Energiemissbrauch. Wenn man sich den Nutzungsgrad von diesen Heizpilzen anschaut – der geht gegen Null! Ich würde mal vorschlagen, dass sich jemand von der technischen Universität dieses Themas annimmt und mal erforscht, wie viel von der Heizwärme tatsächlich beim menschlichen Körper ankommt. Wenn man da üblicherweise in einer Jacke eingepackt unter dem Heizstrahler steht, dann kommt ja in der Regel nur maximal am Kopf und vielleicht noch auf den Händen was an. Also der Nutzungsgrad dieser Heizpilze ist einfach so was von weit entfernt von vernünftiger Energienutzung, dass es eben nicht nur am Gastwirten liegen sollte, diese Entscheidung zu treffen. Ich halte das für eine politische Frage, eine umweltschutzpolitische Frage.

Also möchtest du gerne die Politik etwas mehr in die Pflicht nehmen?

Nachdem es um ein allgemeines, öffentliches Gut geht – nämlich darum, unsere Umwelt zu schützen – ist die Politik gefordert, da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Es gibt zwei Möglichkeiten Menschen dazu zu bringen ihr Verhalten zu ändern: Einmal durch Preise – also wenn‘s im Geldbörsel spürbar wird – oder durch Verbote, und die sind überall dort geboten, wo die Vernunft kein ausreichender Regulator ist.

Wie stehst du eigentlich zum generellen Rauchverbot in Gaststätten? Spielt das nicht deinen „Gegnern“ in die Arme, die solche Pilze nicht zuletzt wegen der Raucher aufstellen, die im Winter in der Kälte stehen müssten?

Das ist dieser Rebound-Effekt, von dem ich vorhin gesprochen habe: Die Gesundheitspolitik hat eine Maßnahme gesetzt, die an und für sich zum Schutz der Nichtraucher und der Angestellten in Lokalen gedacht war. Und dieser Rebound-Effekt führt jetzt dazu, dass sich Wirte und Raucher in eine Allianz begeben. Das hat die Politik nie mitbedacht, dass jetzt das Rauchverbot zu einem Umweltschutzthema führt. Das ist ein schönes oder eigentlich weniger schönes Beispiel dafür, wie eine politische Maßnahme zu einem negativen Effekt an einer ganz anderen Ecke führt. In dem Fall trifft es den Umweltschutz, wenn rauchen in Lokalen verboten wird, man dafür aber Heizstrahler aufstellt, die so viel Strom verbrauchen wie ein Kleinwagen.
Und zu den Rauchern die im Winter in der Kälte stehen, will ich auch noch etwas sagen: Ein Freund von mir hat den sehr klugen Satz gesagt: „Wir sollten uns alle endlich bewusst machen, dass wir nun mal in jenen Breiten leben, wo es im Winter kalt und im Sommer warm ist.“ Dementsprechend haben wir Jahrhunderte existieren können, haben Kleidung entwickelt zum Schutz vor Kälte. Warum wird das jetzt so plötzlich vergessen? Es ist letztlich auch mit diesen Heizpilzen ein neues Bedürfnis geschaffen worden, nach Bequemlichkeit. Und da muss man sich einfach fragen, ob es jede Bequemlichkeit wert ist, in Anspruch genommen zu werden.

Was sind denn deiner Meinung nach sinnvolle Alternativen? Wird die Stadt Wien auch weiterhin jeden Gastronomen mit „Kuscheln statt heizen“-Decken ausstatten, der auf die Außenheizung verzichtet?

Also ich finde diese Decken eine großartige Idee! Das zeigt, dass oft die einfachsten Lösungen nicht nur die billigsten, sondern in dem Fall auch eine sehr attraktive Lösung darstellen, weil dieser Kuschelfaktor ja auch positiv besetzt ist. Also ja, wenn‘s gelänge, die Gastronomen zu überzeugen, dafür die Heizpilze abzuschaffen und aufzugeben, dann wäre das schön. Ich bin nur erfahren genug, um zu sagen: Ich glaube nicht, dass das flächendeckend funktionieren wird. Ich glaube, dass am Ende vielleicht 50 % durchaus bereit wären. Aber man muss auch sehen, dass die Anschaffungskosten dieser Heizpilze gar nicht so gering sind. Die Wirte werden sich sagen: „Jetzt wo ich ihn schon angeschafft hab, lass ich ihn auch im Betrieb.“ Es wird vielleicht die überzeugen, die noch überlegen, einen Heizpilz anzuschaffen.

Und wärst du denn auch zufrieden mit einer Kompromisslösung, wie sie in der Schweiz zuletzt angepeilt wurde; bei der nur noch ein einziger Heizpilz pro Gastronomiebetrieb erlaubt würde, unter dem sich dann die Raucher zusammen kuscheln?

Also ich halte das für einen faulen Kompromiss. Es ist ja auch eine schwer administrierbare Regelung und man kann sich schon jetzt vorstellen, wie man das dann zu umgehen versuchen wird: Dann tun sich zwei Wirte nebeneinander zusammen etc.; also es gibt sicherlich viele kreative Lösungen, das dann zu umgehen. Nein, es braucht klare Regelungen, sonst führt das zu einem ähnlichen Dilemma, wie bei der Raucherregelung. Das verlagert das Problem nur. Ich bin auch kein besonderer Fan von Kompromissen dort, wo sich zeigt, dass es absolut sinnlos und frei von Vernunft ist.

In seinem Kommentar „Verbieten wir doch das Leben“ beurteilt Erich Kocina von der Presse deine Petition als „Überreaktion“ und meint darin eine Art Verbotswahn zu erkennen, der gerade für Österreicher typisch wäre. Ist der Ruf nach Verboten tatsächlich charakteristisch für Österreich?

Na ja, also ich seh‘s jetzt mal nicht so, aber es wird schon was dran sein. Jede Kultur und jedes Land hat so seine Eigenheiten und Österreich ist geprägt von einer gewissen Obrigkeitshörigkeit; von daher kann man das schon so interpretieren. Einen Verbotswahn darin zu orten, halte ich für etwas überzogen. Die Kernfrage ist: Wie verändere ich menschliches Verhalten – und das nachhaltig. Das ist die Grundsatzfrage, der man sich stellen muss. Im Spezialfall Österreich kommt noch die Frage hinzu: Wie motiviere ich Menschen, sich umweltgerecht, nachhaltig zu verhalten? Und in dem konkreten Fall, bei Heizpilzen und Rauchern, kommt eine fatale Kombination zusammen, nämlich Suchtverhalten mit Energieverschwendung. Also wenn man so will, kann man sagen: Suchtmittelmissbrauch führt zu Energiemissbrauch. Da komm ich mit Freiwilligkeit nicht weiter, da muss ich mir einfach andere Maßnahmen überlegen. Schön wär‘s, wenn wir alle vernünftig wären. Aber die Vergangenheit und die Gegenwart zeigen, dass manche Dinge, wie gesagt, nur durch die Geldbörse oder durch gesetzliche Regelungen und Verbote durchzubringen sind. Die Einführung der Mülltrennung in Österreich beispielsweise, vor mittlerweile 20 Jahren, hätte ohne gesetzliche Maßnahmen niemals funktioniert.

Ein Online-Kommentar zu Kocinas Text lautete: „Das Verbieten aller Dinge, die Freude machen, ist überhaupt nicht ‚typisch österreichisch‘, das ist typisch grün.“ Den Grünen wird oft vorgeworfen, eine Spaßbremser- und Spielverderber-Partei zu sein, etwa als Eva Glawischnig ein Verbot von Zigarettenautomaten einführen wollte. Wie geht die Partei deiner Meinung nach mit diesem Ruf um?

Also als Spaßbremse erlebe ich die Grünen nicht. Ich habe sogar aus meiner seinerzeitigen Erfahrung das Gefühl, dass das ein sehr witziges Parteivölkchen ist, das auch die Politik durchaus mit dem nötigen Spaßfaktor versieht. Aber die Grünen nehmen sich sehr wohl auch ernster Themen an und da ist eben nicht immer alles lustig. Aber eine „everything goes“-Mentalität oder dieser Wunsch „jeder soll doch machen dürfen, was er will“ – das funktioniert nicht mehr und hat eigentlich noch nie funktioniert. Es geht darum unsere Gesellschaft so zu gestalten, dass sie durch Kooperation zu besseren Lösungen kommt. Dieser Individualismus, der auch auf diesen Funfaktor sehr stark abstellt, der ist eigentlich passé. Dass jeder nur auf diesem Planeten ist, um den größtmöglichen Spaß zu haben, das ist gar nicht mehr das Ziel und ich glaube, das repräsentieren die Grünen auch ganz gut, dass es durchaus auch ein Stück weit um Ernsthaftigkeit, um Authentizität geht. Also die Grünen da als Spaßbremsen zu verunglimpfen, das ist eben die Art und Weise, wie in Österreich mit dem politischen Gegner umgegangen wird: Anstatt dass man sachlich argumentiert, argumentiert man meistens knapp über, wenn nicht unterhalb der Gürtellinie.

Eine Petition ist immer auch ein demokratisches Instrument. Bist du generell für eine Stärkung der Demokratie, u.a. durch mehr Volksbefragungen?

Ein uneingeschränktes ja meinerseits! Es braucht mehr Bürgerbeteiligung, mehr partizipative Modelle, die den Menschen ermöglichen, an der politischen Gestaltung teilzuhaben. Das hat mitunter auch zur Konsequenz, dass Fehlentscheidungen getroffen werden, aber das muss eine Demokratie aushalten. Ich finde außerdem das System der Soziokratie sehr spannend.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Glück mit deiner Petition!

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