I love You, Honey
Schlupfschleier, Rauchapparat und Wabenheber – Lena Sallmaier hat das Werkzeug, um guten Honig zu machen. Und die Überzeugung, dass Bienen unersetzlich sind. Eine Neo-Imkerin und 120.000 Bienen im Porträt.
Lena stellt das Glas Honig auf den Tisch in der Gartenlaube. »Dafür muss eine Biene fast zwei Mal um die Welt fliegen«, sagt sie. Und bei jedem weiteren Satz, der während meines Besuches in der niederösterreichischen 500-Seelen-Gemeinde, eine knappe Stunde nordöstlich von Wien gelegen, über Lenas Lippen kommt, spürt man die Wertschätzung, die sie den Bienen dieser Welt entgegenbringt. Sie öffnet das Glas. Ich schmiere mir andächtig ein Honigbrot. Während die goldene Masse langsam auf dem sorgfältig mit einem Leintuch aus Butter bespannten Brotbett zerfließt, packt Lena die harten Fakten aus: drei Bienenvölker besitzt sie; ein Volk besteht im Sommer aus 40.000 bis 60.000 Arbeiterinnen; 120 Gläser Honig hat die erste Ernte im vergangenen Jahr eingebracht; und: Königinnen kann man per Post bestellen. Ich beiße ins Brot und atme gleichzeitig den Honigduft durch die Nase ein. Der Honig schmeckt zurückhaltend, süß, leicht kratzig am Gaumen. So wie Honig eben schmecken soll. »So ein Honigbrot ist leider vielen fremd. Die meisten Menschen süßen ihren Tee mit Honig oder verwenden ihn zum Backen. Dabei schmeckt er so am besten«, meint Lena und beißt in ihr Honigbrot.
Hype und Hoheitsgebiet
Ein wieder eingefangenes Bienenvolk, das dem Nachbarn entwischt war, hatte vor über einem Jahr in Lenas Garten ein neues Zuhause gefunden. Seitdem ist Lena neben ihrem Job als Texterin in einer Werbeagentur auch Imkerin und bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Freund Stefan und ihrer Mutter die Bienenstöcke hinterm Haus. Ein Zertifikat der Landwirtschaftlichen Fachschule macht es amtlich. Wo in Berlin und Brooklyn die Imkerei als Hobby von jungen Menschen schon ein Hauch von urbanem Hype umweht, muss in der niederösterreichischen Pampa das Imkertum – als Hoheitsgebiet von naturverbundenen Pensionisten oder in die Jahre gekommenen Jagdgesellen – erst ein bisschen entstaubt werden. Das gelingt Lena zum Beispiel damit, dass sie ihren Honig nicht in den weit verbreiteten, altbackenen, wabengeschmückten Gläsern mit dem insignienhaften goldenen Deckel abfüllt, sondern eine kleine gekritzelte Biene die schwarzgedeckelten Honiggläser von »I Love You Honey« ziert. »Im Imkerkurs wird immer gepredigt: Honig nicht unter seinem Wert verkaufen«, sagt Lena. »Die Bienen sammeln ja nicht mal für uns, sondern für sich.«
Bei der Imagepolitur setzt sie mit einfachen aber klaren Worten an: »Bienen sind die wichtigsten Nutztiere überhaupt. Und ihr Produkt ist perfekt, so wie es ist.« Ich durchbreche den Wachsdeckel der Wabe, die Lena aus dem Bienenstock entnommen hat, mit meinem Zeigefinger und koste den Honig. Er ist wirklich perfekt, so wie er ist. 90 Millionen Jahre – so lange gibt es Bienen – sind aber auch genügend Zeit, um ein Produkt zu perfektionieren.
Leben mit der Milbe
Rund um uns brummt es leise. Um das konstant schwingende Summen der Bienen wahrzunehmen, muss man sich schon fast konzentrieren. An den Einfluglöchern der Bienenstöcke herrscht reger Verkehr. »Sie hören einfach nie auf«, sagt Lena fast anerkennend. »Und als Gruppe sind sie so stark. Im Winter beispielsweise halten sie durch permanentes Zirkulieren den Stock auf einer Temperatur von 27 Grad. Jede einzelne Biene überlebt. Das ist Gemeinschaft.« Ein gesundes Volk würde auch einen bitterkalten Winter unbeschadet überstehen – wäre da nicht die Varroa Milbe, die den Bienen zu schaffen macht. Lenas Bienenstöcke werden im Herbst mit Ameisensäure behandelt, damit die Bienen möglichst unbeschadet über den Winter kommen.
Stefan hat für die nächste Zeit noch drei weitere Völker geplant. Einen ersten Ableger gibt es schon. Auch »I Love You Honey«-Bienen fangen mal klein an. Ein paar Tage später liefert Lena Neuigkeiten per Mail: »Nach eurem Besuch bei uns und den Bienen haben wir Honig geschleudert. 18 Kilogramm sind es geworden. Den Weg ins Glas hat der Honig schon geschafft. Jetzt braucht er nur noch Etiketten und dann gibt’s auch schon die erste Kostprobe aus diesem Jahr.« Ich sehe schon die goldene Masse langsam auf dem sorgfältig mit einem Leintuch aus Butter bespannten Brotbett zerfließen.