Die Heimkehr der Luchse in die Highlands

Bild: Matthias Schickhofer

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Wenn es nach britischen Naturschützern geht, sollen Luchse schon bald wieder frei durch das Vereinigte Königreich streifen – erstmals seit 1.300 Jahren.

Während in Österreich Empörung über einen in einer Linzer Tiefkühltruhe entdeckten gewilderten Luchs herrscht, träumt man in Großbritannien von der Rückkehr der Wildnis im größeren Stil. Einen bedeutenden Beitrag dazu soll die Wiederansiedelung von Luchsen leisten. Das Stichwort lautet »Rewilding« – also die Wiederherstellung von natürlichem, unkultivierten Land samt seiner wilden Bewohner. Im Fokus dieser Debatte steht das menschenarme Schottland – für viele der Inbegriff purer Natur. In Wahrheit sind die Highlands aber ein einst kahlgeschlagenes und seit langer Zeit vom Menschen genutztes Land. Wo sich früher kaledonische Eichen- und Kiefernwälder erstreckten, trifft man heute auf weite Moorflächen und Schafweiden. Die Wiederbewaldung wird mit großem Aufwand vorangetrieben, doch das überzählige Wild frisst die jungen Bäume weg. Ihre natürlichen Feinde – Luchse, Wölfe und Bären – sind seit Langem verschwunden. Den britischen Luchsen war vor 1.300 Jahren vermutlich ihr prächtiges Fell zum Verhängnis geworden.

Bild: Matthias Schickhofer

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20-30 Probeluchse 

Die Rückkehr der Wildnis und ihrer Bewohner nimmt im Vereinigten Königreich langsam Gestalt an. Neben neuen Wildnisgebieten in Schottland wird über die Rückkehr der Wildtiere diskutiert. Einen vieldiskutierten Beitrag lieferte kürzlich kein Geringerer als der weltberühmte Naturfilmer Sir David Attenborough. Er sprach sich auch gleich für die Wiederansiedelung von Wölfen in Schottland und Irland aus: »Ich denke, Wölfe wieder in die Wildnis zu bringen, kann niemandem schaden.« Auch der streitbare Journalist und Autor (Buch: »Feral«) George Monbiot propagiert die Rückverwilderung: »Rewilding bietet uns eine große Chance, die Zerstörung der natürlichen Welt rückgängig zu machen.« Die NGO Trees for Life macht sich besonders für die Renaturierung von Schottland stark: In den Highlands gäbe es die Möglichkeit, die Umweltzerstörung wieder gut zu machen und eine spektakuläre Wildnisregion von Weltklasse zu schaffen. Trees for Life wünscht sich die Heimkehr von Bibern, Auerhähnen, Waldameisen und Baummardern. Und: zu einem späteren Zeitpunkt könnten auch große Räuber wie Luchse wieder angesiedelt werden. Dieser Moment scheint nun näher zu rücken: Der Lynx UK Trust arbeitet hart an der Wiedereinführung der Waldkatzen. Steve Piper vom Trust bestätigt, dass in naher Zukunft 20–30 Luchse an verschiedenen Orten im gesamten Königreich im Rahmen eines 3- bis 5-jährigen Versuchs freigelassen werden sollen. Die Tiere werden mit Halsbandsendern ausgestattet und beständig überwacht. Wenn alles gut geht, soll dann die vollständige Wiedereinbürgerung in Angriff genommen werden. Konkret ist geplant, die scheuen Tiere zunächst in nicht umzäunten Privatländereien in Aberdeenshire und Galloway in Schottland sowie in Northumberland, Cumbria und Norfolk freizulassen. »Die ersten Auswilderungen könnten innerhalb der nächsten zwölf Monate erfolgen – abhängig von der Geschwindigkeit der Behördenverfahren«, hofft Piper.

Bild: Matthias Schickhofer

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Die meisten freuen sich über den Luchs

Die öffentliche Meinung scheint für das Projekt zu stehen: Laut einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Lynx UK Trust befürworten 70-90 Prozent der Einwohner Großbritanniens die versuchsweise Luchs-Auswilderung. Vor allem die Schafhalter haben wenig Freude mit den Raubkatzen: Sie könnten ja auch Schafe reißen. Der Lynx UK Trust zerstreut die Bedenken: Schafe leben im offenen Moorland und in umzäunten Weideflächen. Die Luchse werden aber in Gebieten ausgewildert, wo es viel Wald und kleinere Beutetiere gibt, also werden sie den Schafen eher selten begegnen. Sollten Schafe doch gerissen werden, wird es eine Entschädigung geben. Die Anwesenheit der großen Raubkatzen im Wald würde auch helfen, die Verbiss-Schäden durch unnatürlich große Hirsch-Populationen zu begrenzen: Die Geweihträger sind zwar keine bevorzugte Beute für die Luchse, aber ihre Präsenz könnte das Verhalten der Hirsche verändern. Steve Piper: »Die Hirsche halten sich oft länger im gleichen Waldgebiet herum und fressen mangels Feinerem die Jungbäume kahl. Wenn große Beutegreifer in der Nähe sind, ziehen sie eher herum. Das kommt der Regeneration des Waldes und allem was darin lebt zugute. Doch das wird noch längere Zeit dauern, weil die Tiere erst das Fürchten wieder lernen müssen.« Professor Chris Thomas von der Universität York schlägt eine Alternative vor: Warum nicht den kleineren Iberischen Luchs ansiedeln? Der würde sich mit Kleintieren begnügen und keine Schafe bedrohen. Piper winkt ab: »Wir haben keine Hinweise dafür, dass der Iberische Luchs in Britannien heimisch war. Unsere Insel war früher stark bewaldet und vor dem Jahr 1000 gab es hier keine Kaninchen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass eine im Gebüsch lebende und Kaninchen jagende Katze hier überleben konnte.« Außerdem könnte es Probleme mit der Genetik geben, auf Grund der wenigen noch lebenden Iberischen Pinselohren. Wenn alles nach Plan läuft, dann sollen die gefleckten Katzen schon nächstes Jahr – nach einer 1.300 Jahre langen Pause – wieder durch britisches Unterholz streifen.

Bild: Matthias Schickhofer

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Und am Festland?

Und wie steht es um Luchs und Co. am Europäischen Festland? In Deutschland dürfen bereits wieder 20 Wolfsrudel umherziehen und im Bayerischen Wald und im Harz leben knapp 40 Luchse. Nach der Tötung eines Luchses im Bereich der oberösterreichischen Kalkalpen durch einen Wilderer und dem Verschwinden von einigen anderen Tieren scheint auch die örtliche Jägerschaft bereit, weitere Wiederansiedelungen zu akzeptieren. Zumindest die verschwundenen Luchse dürfen ersetzt werden. Franz Sieghartsleitner vom Nationalpark Kalkalpen bestätigt: »Wir rechnen damit, dass wir in der Zeit zwischen Anfang November 2015 und Ende Jänner 2016 zumindest ein Männchen umsiedeln können.« Das wäre sehr erfreulich. Luchse waren sehr lange Zeit wunderbare und nützliche Mitbewohner auf unserem Kontinent. Es wird Zeit, dass wir sie wieder willkommen heißen.

 

 

 

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