Die Erde ist heilbar
Wasserretentionsbecken sind eine erfolgreiche Antwort auf Wüstenbildung und Klimawandel. »Agrar-Rebell« Sepp Holzer wurde kürzlich mit dem Beispielprojekt einer solchen Permakultur-Wasserlandschaft für den Social-Design-Preis der Buckminster Fuller Challenge 2012 nominiert.
Das »Heilungsbiotop Tamera« liegt im Süden Portugals, im Alentejo, einer der am dünnsten besiedelten Regionen Europas, ca. 30 km Luftlinie von der Westküste entfernt. Das Gelände besteht aus hügeligem Land mit Korkeichen, Eukalyptuswäldern, Busch- und kargem Weideland. 1995 wurde das 134 ha große Areal von einem Freundeskreis rund um die Aktivistin Sabine Lichtenfels und dem Philosophen Dieter Duhm mit Spendengeldern zum Aufbau eines Friedensforschungszentrums gekauft. Derzeit leben und studieren in Tamera etwa 250 Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt. Neben einem Campus und dem Solar Village, einem energieautarken und ökologisch wie sozial nachhaltigen Siedlungsmodell, das in allen sonnenreichen Gegenden der Welt nachgebaut werden kann, fasste man auch den Entschluss zum Aufbau eines Modells zur Renaturierung von geschädigten Landschaften. Dazu lud das Ökologie-Team von Tamera den österreichischen Bergbauern und Permakultur-Visionär Sepp Holzer 2007 erstmals zu einer Beratung ein. Die Frage war: Kann in einer trockenen Landschaft wie dem Alentejo – mit stark erodierten Böden, die größtenteils aus Lehm bestehen – auf einer Fläche von 134 ha ein Modell für eine Produktion von gesunden Lebensmitteln für 300 Menschen aufgebaut werden?
Beispiel für Südeuropa
Holzer erkannte, dass die sommerliche Trockenheit, unter der Südportugal leidet, kein Naturphänomen, sondern das Ergebnis falscher Bewirtschaftung darstellt, und zwar seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten. Die jährliche Niederschlagsmenge ist mit 600 mm kaum niedriger als die in Deutschland, nur fällt fast der ganze Regen im Winter. Ein großer Teil davon fließt aber sofort und ungenutzt ab und schwemmt dabei noch fruchtbare Erde mit sich fort. Das Land hat seine Wasserhaltekraft zu einem großen Teil eingebüßt – bedingt durch Überweidung, Entwaldung sowie das Anpflanzen von Monokulturen. Was innerhalb von nur Jahrzehnten geschah, zeugt von einer skrupellosen Ausbeutung und Gleichgültigkeit der modernen Landwirtschaft gegenüber der Natur. Aber es ist ein Teufelskreis: Je weniger Wasserrückhaltekraft ein Land hat, desto weniger Pflanzen wachsen. Je dünner die Vegetationsdecke wird, desto geringer die Wasserrückhaltefähigkeit des Bodens. Die Wassersituation der ganzen Iberischen Halbinsel verschlechtert sich auch durch den Klimawandel zunehmend. Die jährlichen Winterregenfälle werden unzuverlässiger. Verheerende Waldbrände in den Waldmonokulturen der ganzen Region sind eine der Folgen, die die Situation zusätzlich verschärfen. Daher sind die Vorhersagen drastisch: Spanien und Portugal werden zur Wüste.
Essbare Landschaften
Nach seinem ersten Besuch in Tamera entwarf Sepp Holzer einen ambitionierten Plan: Es sollte ein Beispielprojekt für die Renaturierung einer Landschaft, den großflächigen Anbau von gesunden Lebensmitteln und die natürliche Wiederaufforstung werden – nicht nur für die Friedensgemeinschaft von Tamera, sondern für ganz Portugal. Eine »essbare« Landschaft mit Teichen und Seen sollte entstehen, in der auch Wildtiere wieder Nahrung und Schutz finden. Sepp Holzers Methode, das Regenwasser zu nutzen und auf dem Gelände zu halten, besteht vor allem in der Anlage von zusammenhängenden Wasserrückhaltebecken durch mechanische Bodenverdichtung. Von hier aus kann das gespeicherte Wasser tief in den umliegenden Erdkörper eindringen, zu vermehrter Nebel- und Taubildung beitragen und die Grundwassersituation nachhaltig verbessern. Die Selbstreinigungskräfte des Wassers werden durch die fließende, natürliche Formgebung bei der Anlage der Gewässer unterstützt. Wasserretentionsräume zu schaffen ist eine einmalige Maßnahme, aber Basis für eine andauernde Bewirtschaftung von Pflanzenbiotopen in unmittelbarer Umgebung der Wasserflächen. Fünf Jahre, nachdem sich der erste See mit Regenwasser füllte, versorgen die Uferterrassen und Hügelbeete mittlerweile alle Mitglieder und Gäste der Gemeinschaft mit gesunden Lebensmitteln. Eine Vegetationspause wegen der Sommertrockenheit gibt es in Tamera inzwischen auch nicht mehr und auf die zahlreichen Besucher wirken die Seen, als wären sie schon immer da gewesen.
1.000 Seen gegen Wüstenbildung
Als Forschungsgemeinschaft hat Tamera mehrere tausend Besucher pro Jahr aus ganz Portugal. In dem krisengeschüttelten Land wächst eine Bewegung von vor allem jungen Menschen, die nicht mehr an eine ökonomische Rettung innerhalb des kapitalistischen Systems glauben. Selbst der portugiesische Präsident rief bei seinem Amtsantritt die jungen Menschen dazu auf, wieder aufs Land zu gehen, es zu beleben, sich im Nahrungsmittelanbau zu versuchen und autark zu werden. Wie denn, fragen viele angesichts einer zunehmend dramatischen ökologischen Verarmung des Landes. Dank dem Beispiel von Tamera glauben die ersten, in dem Konzept der Wasserretentionslandschaften eine Lösung gefunden zu haben. »1.000 Seen im Alentejo« ist ein Stichwort, das immer mehr begeistert. Dazu gehören auch Professoren von portugiesischen Universitäten, Lehrer von Schulen aus der Umgebung, Biologen, Studenten und Landbesitzer, die selber auf der Suche nach einer neuen Art der Bewirtschaftung sind. Angesichts des Erfolgs in Tamera sind sich viele sicher, dass so die Wüstenbildung aufgehalten werden kann.
Aus dem großen Interesse ist im Friedensdorf eine jährliche Ausbildungsreihe mit Seminaren zum Erlernen der Holzer’schen Permakultur entstanden. Zusammen mit Ökologen aus Tamera unterrichtet Sepp Holzer in diesen Seminaren in Theorie und Praxis seinen Ansatz der Arbeit mit der Natur. Ziel ist es, engagierte Menschen zu Permakulturspezialisten auszubilden, die wissen, wie Landschaftsheilung weltweit, im Großen wie im Kleinen, praktiziert werden kann. Möglichst viele, ob Ingenieure, Landwirte oder Laien, sollen in Tamera lernen, dass die Erde heilbar ist.
www.tamera.org
Buchtipp – Sepp Holzer / Leila Dregger: »Wüste oder Paradies« (2011, Stocker Verlag)
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