Der saubere Gigant
Das größte Sonnenwärmekraftwerk der Welt ist in der Wüste Kaliforniens an den Start gegangen. »Ivanpah« soll 140.000 Haushalte 30 Jahre lang mit grünem Strom versorgen und dabei 13,5 Mio. Tonnen CO2 einsparen.
In der Mojave-Wüste regnet es nur selten, fast das ganze Jahr über bleibt der Himmel blau. Das bedeutet vor allem eins: Sonnenschein im Überfluss, und das an etwa 300 Tagen mit durchschnittlich je 10,5 Sonnenstunden. Ein idealer Standort also für Solarkraftwerke, das derzeit größte der Welt hat im Februar dort seinen Betrieb aufgenommen: die 400-MW-Anlage Ivanpah liegt wie ein imposanter See aus glitzernden Spiegeln vor den kalifornischen Clark Mountains 80 Kilometer südwestlich von Las Vegas. Drei 140 Meter hohe Türme ragen wie Bohrinseln zwischen den schimmernden Flächen hervor, die sich über 14 Quadratkilometer ausbreiten. 347.000 dieser computergesteuerten »Heliostate«, jeder etwa so groß wie ein Garagentor, sind in drei konzentrischen Kreisen angelegt und richten sich automatisch aus, um einen perfekten Winkel zur Sonne einzunehmen. Dabei bündeln sie das Sonnenlicht auf die jeweilige Spitze der drei Solartürme, die »Receiver«, wo Temperaturen bis zu 1.000 °C erreicht werden. Durch die Hitze wird in den Absorber-Tanks Wasser zu Dampf erhitzt, mit dem Turbinen angetrieben werden, die wiederum Strom erzeugen. Bis auf die Wärmequelle handelt es sich dabei um das gleiche Verfahren, wie es auch bei Gas-, Kohle- und Kernkraftwerken verwendet wird – nur umweltfreundlicher. Zusätzlicher Vorteil dieses Systems: Die Wärmeenergie des erhitzten Wassers kann auch noch bei Dämmerung Strom erzeugen, solange genügend Speicherwärme vorhanden ist. Ivanpah hat eine Nennleistung von 392 Megawatt und ist ein Gemeinschaftsprojekt von NRG, Google und Brightsource Energy, die auch die turmbasierte Solarthermie-Technologie liefern. Google hat den 2,2 Mrd. US-Dollar teuren Bau mit 168 Mio. US-Dollar mitfinanziert. Den Löwenanteil aber hat das Umweltministerium in Washington über eine Kreditbürgschaft von 1,6 Mrd. Dollar abgesichert.
Kalifornischer Greentech-Boom
In den vergangenen Jahren sind in Kalifornien eine ganze Reihe von solaren Großprojekten in Betrieb gegangen. Üppige Investitionsfreibeträge haben zu einer wahren Blütezeit geführt, seit die Energieversorger per Gesetz dazu verpflichtet wurden, bis 2020 ein Drittel des verkauften Stroms aus erneuerbaren Energien bereitzustellen. Die US-amerikanische Umweltpolitik der vergangenen zehn Jahre ist ein Grund, warum ein Projekt mit solchen Dimensionen und enormen Kosten überhaupt möglich wurde. Bereits 2005 entwickelte die Regierung ein Konzept, wonach Großprojekte, die die Entwicklung von erneuerbaren Energien voranbringen, finanziell honoriert werden sollten. Für Kalifornien ging der damalige Gouverneur Arnold Schwarzenegger noch einen Schritt weiter: Er befreite große Solaranlagen von der Grundsteuer und stellte derartigen Projekten 90 Mio. US-Dollar zur Verfügung. Auch der neue Gouverneur Jerry Brown hält diesen Kurs und investiert weiter in die Erforschung alternativer Energien. Mit diesen Subventionen können Solaranlagenbauer bis zu 80 Prozent der Kosten für ihre Milliarden-Dollar-schweren Projekte abdecken. Gründe genug für Energiekonzerne, die von der Regierung angebotenen Unterstützungen zu nutzen und in Solar zu investieren. Aus Kalifornien gehen derzeit 90 Prozent der Solarenergie der USA ans Netz, kein anderer Bundesstaat meldet so viele Patente in Bereichen wie Sonnen- oder Windenergie an. Die Solarenergie von Ivanpah hat auch schon ihre fixen Abnehmer: Versorger, die zu Pacific Gas and Electric und Edison International gehören, werden 25 Jahre lang Strom von dem Sonnenkraftwerk beziehen. Rund 140.000 Haushalte sollen so mit sauberer Energie beliefert werden, insgesamt produziert Ivanpah derzeit 30 Prozent des durch Solarthermie erzeugten Stroms in den USA. Nach Angaben der Betreiber wird die Anlage in ihrer 30-jährigen Lebenszeit etwa 13,5 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid weniger in die Atmosphäre emittieren, dies entspricht der Einsparung von zwei Millionen Autos.
Versengte Vögel, brütende Schildkröten
Die Errichtung eines derart großflächigen Projekts inmitten einer bis dahin weitgehend unberührten Wüstenregion wurde während der Bauphase mehrfach kontrovers diskutiert. Weil sich die herkömmliche Wasserkühlung für Dampfturbinen aus ökologischen Gründen in der Mojave-Wüste verbietet, kommen im Ivanpah-Projekt ausschließlich luftgekühlte Kondensatoren zum Einsatz. Um den Bodenbewuchs nicht mehr als nötig zu stören, wurden die Sonnenspiegel auf Stahlträgern ohne Betonfundament direkt im Erdreich verankert. So war es nicht nötig, das Gelände weitläufig zu planieren. Trotzdem kam es während der Bauarbeiten aus Umweltschutzgründen zu Verzögerungen: Es stellte sich heraus, dass weitaus mehr Vertreter der streng geschützten kalifornischen Gopher-Schildkröte auf dem Baugelände siedelten als erwartet. Die Projektplaner reduzierten daraufhin die für die Errichtung der Heliostaten ausgewiesene Fläche und sparten die Schildkröten-Habitate aus – die geplante Maximalleistung der gesamten Anlage wurde von 440 MW auf 392 MW reduziert. Zudem sind die Auswirkungen auf die Umwelt offensichtlich größer als erwartet: So fanden sich nach der Betriebsaufnahme tote Vögel mit angesengtem Gefieder in der Anlage. Die zuständigen Behörden erklärten, man habe damit rechnen müssen, dass Vögel aufgrund der hohen Lufttemperaturen in dem Kraftwerk sterben könnten. Die Zahl sei zunächst jedoch höher als erwartet. In einer zweijährigen Studie soll nun geprüft werden, wie stark die Vogelwelt durch Ivanpah beeinträchtigt wird und welche Schutzmaßnahmen getroffen werden können.
Der Traum vom unbegrenzten Hightech-Strom
Sonnentürme gehören zu den solarthermischen Kraftwerken, der einzigen Form der Solarenergie-Gewinnung, die rund um die Uhr laufen kann. Die tagsüber eingefangene Hitze kann nämlich in Boilern mit verflüssigtem Salz für die Nacht gespeichert werden. Funktioniert dies zuverlässig, könnte die Solarthermie die Produktionslücken ausgleichen, die vor allem nachts bei der Photovoltaik, aber auch in Flauten bei der Windenergie klafft. Das Center for American Progress kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass der Strom aus Solarturmkraftwerken mit diesem Speicherverfahren langfristig günstiger als Strom aus Photovoltaikanlagen sein könnte. In Bezug auf ihre Wirtschaftlichkeit haben solarthermische Kraftwerke zumindest im Sonnengürtel der Erde eine gute Perspektive, mittelfristig erheblich zur nachhaltigen Energieversorgung beizutragen, da sie einerseits über ein riesiges Flächenpotenzial verfügen, andererseits aufgrund ihres Kostensenkungspotenzials bald wirtschaftlich konkurrenzfähig zu fossilen Alternativen wie Kohle und Gas sein könnten. Gemäß einer Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt entspräche ein solarthermisches Kraftwerk in der Größe des Assuan-Stausees (ca. 5.250 km² Fläche) energetisch in etwa der gesamten Mineralölproduktion der Länder des Mittleren Ostens, und lediglich ein Prozent der Fläche der Sahara würde ausreichen, um mit solarthermischen Hightech-Anlagen den gesamten derzeitigen Elektrizitätsbedarf der Erde zu decken.
Megaprojekte wie die Solartürme von Ivanpah scheinen sich bereits jetzt für umweltbewusste Verbraucher auszuzahlen: Seit 2010 ist in den USA der Preis für Solarstrom aus Großanlagen um 48 Prozent auf 11,2 US-Cent und damit auf ein Rekordtief gesunken.