Der Apfel fällt recht weit vom Stamm

Eine gelernte Fleischermeisterin machte in ihrer Metzgerei kurzen Prozess: Sie wandelte den 40 Jahre alten Familienbetrieb in einen vegetarischen Imbiss mit Naturkostladen um. Die »Kichererbse«, Chronik eines Friendly Takeover.

Der Weg von Elisabeth Müllner war irgendwie vorgezeichnet. Ihre Eltern führten im noblen Wiener Außenbezirk Hietzing eine Fleischerei. Also waren auch Schuljause und Mittagstisch voller Fleisch und Wurstwaren. Das war normal, das kannte man nicht anders. Der Fleischerbetrieb in der Speisinger Strasse sollte in der Familie bleiben, und so wurde die Tochter ebenfalls zur gelernten Fleischermeisterin. Aber was Eltern oft so planen und wünschen, geht manchmal nach hinten los. Denn irgendwann hatte Elisabeth Müllner das Fleisch satt. Als sie dann auch noch ihre beiden Kinder bewusst und sinnvoll ernähren wollte, entdeckte sie Ihre Liebe zur fleischlosen Vollwertküche. Im Jahr 2000 wurde dann das Geschäftslokal der Eltern frei – und ein Traum wahr: der eigene Veggie-Imbiss.

Treffpunkt mit Tradition

Noch bevor sich Bio-Supermärkte in der noblen Gegend versuchten, startete die »Kichererbse« auf diesem schwierigen Terrain. Zwar ist der Bezirk einer der wohlhabendsten der Bundeshauptstadt, dafür umso konservativer und im Bevölkerungsschnitt sehr alt. Junge Menschen können sich Hietzing heute kaum mehr leisten. Die schicken Bobos und gesundheitsorientierten Studenten, die man andernorts in vergleichbaren Lokalen der Innenstadt und in den Uni-Vierteln findet, fehlen gänzlich. Stattdessen leben hier viele ältere Menschen, die man eher bei Schnitzel und Braten in einem gutbürgerlichen Wirtshaus am Eck vermuten würde. Doch auch diese sozialen Orte gibt es in der Umgebung kaum mehr. Und da passt Elisabeth Müllners Küche vortrefflich. Denn dort wird bodenständig gekocht: Am täglichen Menüplan stehen Speisen wie Gefüllte Paprika oder Hascheeknödel – wenngleich gänzlich ohne Fleisch. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, denn die acht Sitzplätze reichen oft nicht für den Andrang. Viele Kunden holen sich das Essen auch zum Mitnehmen ab. Dabei bringt das bescheidene Platzangebot die Menschen durchaus näher zusammen: Schüler und Lehrer aus der benachbarten Volkshochschule, Mütter mit Kindern oder einfach Passanten, die durch die Schauvitrine auf den Appetit kommen. Es schafft neue Kontakte und lädt ein zum Plaudern. Über Hietzing, die Umgebung. Und wie es früher einmal war. Als hier noch Wurststangen baumelten und dort, wo die Chefin heute ihre Zucchinis und Auberginen lagert, die Schweinehälften abhingen.

Das Naturkostangebot ist umfassend und reicht vom Biobrot über Demeter-Milchprodukte, Getreide bis zu Teesorten und Getränken für unterwegs. Fast alles stammt aus der Region, die meisten Produzenten kennt sie persönlich. Elisabeth Müllner ist zufrieden, wie es jetzt läuft. Und glücklich, wenn das Geschäft noch lange so gut funktioniert. Irgendwann wird vielleicht Ihre Tochter Anna, die schon seit drei Jahren im vegetarischen Imbiss mitarbeitet, den Betrieb übernehmen. Mal sehen, was die dann daraus macht.

Kichererbse

Vegetarischer Imbiss und Bioladen

Wien 13., Speisingerstrasse 38

Tel: 01/ 804 20 06

www.kichererbse.at

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