Können biodynamische Produkte vegan sein?

Demeter-Weinbauer Karl Schnabel aus der Südsteiermark mit Kuhhörnern zur Verwendung im Demeter-Weinbau.

Demeter-Weinbauer Karl Schnabel aus der Südsteiermark mit Kuhhörnern zur Verwendung im Demeter-Weinbau.

Zur biodynamischen Landwirtschaft, wie sie von Demeter-Bauern praktiziert wird, gehören Nutztiere. Kreislaufwirtschaft ohne Tiere – so wollen einige Landwirte arbeiten. Funktioniert biologisch-dynamische Landwirtschaft auch vegan? 

Im Bauch der Kuh rumort es. Zuweilen auch im Kopf. Jedenfalls rauchen die Köpfe im Demeter-Verband, sobald es um die Frage geht, ob biodynamische Produkte gleichzeitig auch vegan sein können. Nein, sagen einige und verweisen auf den Widerspruch bezüglich der Tierhaltung. Natürlich, sagen andere und argumentieren damit, dass die Produkte ja nicht mit dem »Tierischen« in Berührung kommen. Ein Richtungsstreit? Wir wollten wissen, was es mit dieser Diskussion auf sich hat, ob es einen Graben innerhalb des Demeter-Verbands gibt, und wenn ja, wie tief er ist. Also haben wir uns die Sache genauer angesehen.

Auf einer – für den Weinmarkt – wichtigen Weinmesse in Deutschland hat der internationale Demeter-Verband einen Gemeinschaftsstand organisiert. Die Aussteller auf diesem Stand kamen aus aller Herren Länder. Ihre Gemeinsamkeit – die Mitgliedschaft im Verband und ihre Entscheidung, die Weingärten nach den biodynamischen Richtlinien des Demeter-Verbands zu bewirtschaften. Zum Stand gehörte auch eine kleine Bühne, auf der interessierten Messebesuchern Weine präsentiert wurden und auf der über dies und jenes diskutiert wurde. Eine der Veranstaltungen hieß »Warum biodynamisch und vegan einander ausschließen«. Der Vortrag war gut besucht. Im Kern ging es darum, dass den beiden Denkrichtungen völlig unterschiedliche philosophische Zugänge zugrunde liegen.

Am Beispiel Demeter-Wein lässt sich der Widerspruch klar darstellen. Um am Weinberg Trauben wachsen zu lassen, die dem strengen Reglement der biodynamischen Landwirtschaft genügen, werden von den Bio-Winzern Präparate ausgebracht. Einige dieser Präparate sind tierischen Ursprungs. Für die beiden wichtigsten Präparate, Hornmist und Hornkiesel, werden Kuhhörner verwendet. Natürlich werden für diese Hörner keine Rinder geschlachtet. Das Material kommt von heimischen Kühen, die öfter gekalbt haben und werden nach dem Schlachtprozess entnommen. Ohne dieser Hörner gibt es keinen biodynamischen Wein. Auch andere Präparate kommen gemäß den anthorposophischen Vorgaben nicht ohne tierische Hüllen aus. Das Präparat Schafgarbe reift in der Hirschblase, Kamille im Rinderdarm und die Eichenrinde gar im Haustierschädel. Hierfür wird nicht der Schädelknochen verwendet, sondern der Kopf eines relativ frischen Schlachtkörpers, sodass nach Ausgraben des Präparats die Eichenrinde noch immer in einem feucht-warmen Milieu reift.

Dass von vielen Veganern biodynamische Weine immer akzeptiert und konsumiert werden, kann nur im fehlenden Wissen über die Herstellung der Weine begründet sein.

Der philosophische Hintergrund veganen Lebensstils beruht auf grundlegenden Annahmen des Tierrechts. Aus dieser Perspektive sind artgerechte Tierhaltung und Tierschutz Entwicklungen in die völlig gegensätzliche Richtung. Das Konzept des moralischen Veganismus geht davon aus, dass Tieren das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung zusteht. Es richtet sich damit vehement gegen die Idee der Nutztierhaltung, die gemeinsam mit der Kreislaufwirtschaft für die Biodynamie wiederum eine der tragenden Säulen ist. Dass von vielen Veganern biodynamische Weine immer akzeptiert und konsumiert werden, kann nur im fehlenden Wissen über die Herstellung der Weine begründet sein.

Biodynamische Winzer, die ihre Weine als vegan ausloben, tun dies allerdings mit Recht, denn laut den Richtlinien der Veganen Gesellschaft gilt ein Wein als »für Veganer geeignet«, wenn bei der Kellerarbeit auf Hilfs- und Zusatzstoffe tierischen Ursprungs verzichtet wird. In der Regel sind das Gelatine, Kasein oder Hausenblase. Und es ist – da haben sowohl die Demeter-Bauern wie auch die Veganer recht – der letzte Dreck, der hier zu Schönungsmitteln verarbeitet wird. Ein Hinweis, dass diese Stoffe nicht im Wein enthalten sind, ist ein wichtiger Schritt.

Ein Richtungsstreit ist es nicht. Aber die Verbände werden sich entscheiden müssen. Beide, also auch die Vegane Gesellschaft, die für die Richtlinien verantwortlich ist. Ein genauerer Blick auf die biodynamische Produktion wird vermutlich auch hier eine Diskussion auslösen. Diese Diskussion ist genauso wichtig, wie der interne Dialog der Demeter-Bauern über ihren Zugang zum Veganen.

Die Konsumenten, die sich für einen veganen Lebensstil entschieden haben, haben das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wegen des philosophischen Fundaments gemacht. Aus ihrer Sicht ist es eine emotionale Entscheidung. In den Foren wird diese Haltung deutlich: »Ob ich allerdings den Wein ausgerechnet dort kaufe, wo Rinder für den Fleischmarkt gezüchtet werden, ist die andere Frage.«

Es liegt jetzt am Demeter-Bund und an der Veganen Gesellschaft, hier konsistente und schlüssige Antworten zu liefern. Schlimmstenfalls wird die öffentliche Diskussion sonst auf einer emotionalen Ebene geführt.


Mehr Texte unseres Autors Jürgen Schmücking finden sich hier

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