Der Mehrgenerationenhof
Auf Dornach wachsen biodynamische Trauben neben Gemüse und Mais, samt Eseln und Schweinen.
Der Ansitz Dornach liegt im Südtiroler Unterland, auf halber Strecke zwischen dem Hauptort Salurn und dem Bergdorf Buchholz, auf einer sonnigen Terrasse inmitten von Laubwald. Richtig idyllisch, wäre da nicht das Knattern der Säge, die die alten Rebstöcke abschneidet, bevor sie samt der Wurzel ausgerissen werden. Sie leiden an der Schwarzholzkrankheit, gegen die es im biodynamischen Weinbau kein Mittel gibt.
Aber davon lassen sich Patrick Uccelli und Karoline Terleth nicht bremsen. Das Alte verschwindet und schafft Platz für Neues. So ist es hier schon seit Jahrhunderten, gar Jahrtausenden. »Der Hof und wir beeinflussen uns gegenseitig, der Hof ist ein Organismus, und wir sind ein Teil davon«, sagt Karoline.
Dornach ist ein Mehrgenerationenhof. Hier leben Karoline und Patrick mit ihren drei Kindern Aurelie (8), Louis (6) und Cécile (4), den Omas Traudi und Renate und Opa Josef, dazu im Moment zwei MitarbeiterInnen und zwei PraktikantInnen, abhängig von der Jahreszeit auch mehr.
Hier wachsen die klassischen Sorten Blauburgunder, Weißburgunder, Gewürztraminer, Chardonnay und Ruländer (Grauburgunder). Seit zehn Jahren wird vermehrt auf Piwi gesetzt, auf pilzwiderstandsfähige Sorten. »Die Weine der Zukunft, die nachhaltigste Art, Weinbau zu betreiben«, sagt Karoline. Aus Souvignier Gris, Solaris und Cabernet Cortis wird Wein gemacht, andere Sorten folgen demnächst.
Neben dem Wein gedeihen Gemüse, Obst, Kartoffeln und Mais für die obligatorische und hierzulande nicht fehlen dürfende Polenta. Die Uccellis produzieren Ziegenmilch, Eier, Lammfleisch, Speck und Würste vom Schwein.
»So ein Hof ist eine grundsätzliche Lebensentscheidung«, sagt Karoline, »so wie Kinder«, und lacht, so wie sie gern und oft lacht. Sie ist die offene, herzliche, er der verkopftere, mit dem zweideutigen Schmäh. Wenn sie während unseres Gesprächs über wirtschaftliche Entscheidungen debattieren, weiß man nicht recht, ob sie sich necken oder ob sie streiten, es ist wohl eine Mischung aus beidem. Muss wohl auch sein, wenn man Bett und Büro teilt und die Eltern nicht nur Eltern, sondern auch Arbeitskräfte sind – ohne die es nicht ginge. »Wir haben das Glück, dass viele mithelfen«, sagt Karo. »Wenn viele helfen, ist es fein.« Anders geht es auch gar nicht. Man muss auch mal wegkommen, sonst dreht man durch. Die PraktikantInnen melken und machen Käse, sie denken mit und schauen nicht nur zu. So wird der Betrieb menschlich und bunt und entwickelt sich weiter.
Immer schon belebt
Der Weinbau hier hat eine lange Tradition. Oder besser gesagt, das Leben selbst: Hier fand man Siedlungsreste aus der späten Jungsteinzeit und der Bronzezeit. 1288 wird Dornach erstmals urkundlich erwähnt und ist seit 1834 in Familienbesitz. Patricks Uropa Max von Gelmini terrassierte Mitte des 19. Jahrhunderts die Gründe, ließ Trockenmauern errichten, pflanzte neue Sorten an und produzierte das, was wir heute Lagenweine nennen.
Damals wird das nicht allen gefallen haben. Denn Gelmini war kein Bauer, er war Investor, er handelte in großem Stil. Aus landwirtschaftlicher Subsistenzwirtschaft wurde Produktion.
Ein Schritt zurück, bedeutet zwei nach vorn?
Heute machen Patrick und Karoline einen Schritt in die andere Richtung. Früher waren alle Bäuerinnen und Bauern Selbstversorger, heute sind die allermeisten nur mehr Produzenten. »Wir wollen beides sein«, sagt Patrick, »wir produzieren Wein und versorgen uns selbst«. Das können sie aber nur, weil sie von dem profitieren, was ihre VorgängerInnen geschaffen haben, indem sie sich nicht von Kritik aus der Nachbarschaft vom für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Weg abbringen haben lassen.
Was neben dem Wein hier wächst, bleibt auch hier, genug hungrige Mägen gibt es dafür. Zu Mittag wird gemeinsam gegessen. Karoline kocht, was der Hof hergibt. In den Verkauf gehen nur ab und an Marmelade (auch aus Kastanien!), Eier, Chutneys und Maisflips, wenn grad zu viel davon da ist.
Spezialisierung auf dem Hof
Ebenso bunt wie die menschliche ist die tierische Familie. Und auch dort hat jeder seine Aufgabe. Die Esel säubern die Kastanienhaine, die Schafe, die den Winter hier verbringen, »mähen« die Weinberge, säubern die Trockenmauern und düngen den Boden. Die Ziegen helfen, wenn Wiesen zu verbuschen drohen, und die Hühner werden in ihrem mobilen Stall dahin gebracht, wo die fettesten Regenwürmer warten.
1980 übernehmen drei Schwestern Dornach, eine davon Patricks Mutter Renate von Hausmann, bauen das halbfertige Schloss zu Ende, wandeln es in Wohnungen um und vermieten. Das Weingut verwalteten sie erst gemeinsam, teilten es dann auf, Mutter Renates Anteil ließ man von einem benachbarten Winzer bearbeiten.
2008 übernimmt Patrick Uccelli (50) den Hof. Er ist seit 2000 im Wein-Metier, davor hat er »einiges probiert«, erzählt er mit einem Grinser. Sofort beginnt er damals, den Hof auf eine biologisch-dynamische Wirtschaftsweise umzustellen. Mit welchen Auflagen das verbunden ist, dazu ist Patrick kaum etwas zu entlocken. Für ihn geht es dabei vor allem um den bereits erwähnten Hof-Organismus. Biodynamisch bedeutet für ihn, dass man nicht einfach etwas produziert, sondern dass die verschiedenen Organe zusammenarbeiten, dass Tiere am Hof leben, dass es Biodiversität gibt, dass Ressourcen wie der Kompost aus dem Betrieb kommen. Soweit das eben möglich ist, auf Maschinen kann er natürlich nicht verzichten. »Das Ziel ist«, sagt Patrick, »dass die Produkte mit ihrem Ursprungsort verbunden sind, das kann man schmecken«.
Dafür wird er von den KollegInnen anfangs belächelt bis angefeindet. Da kommt ein »Studierter« und will erklären, wie’s geht! Sowas mögen die TirolerInnen nicht; hier macht man es lieber so, wie es immer schon gemacht wurde. Einige Jahre später traten die Salurner Blauburgunder zur Blindverkostung an, gewonnen hat Patrick.
Seitdem geht es stetig nach oben. Die Weine, die in den ersten Jahren von etwas schwankender Qualität waren, präsentieren sich heute durchwegs sauber und sind auch nach Jahren noch hervorragend trinkbar. Dabei wird rigoros auf Schönung, Reinzuchthefen und Filtrierung verzichtet, der Wein ist ein reines Naturprodukt. Nur beim Abfüllen kommt etwas Schwefel zum Einsatz. Was eine ordentliche Herausforderung ist: Besonders bei den neuen Piwi-Sorten ist jedes Jahr ein Experiment, was sich aus den Trauben machen lässt. Es gibt keine Standardverfahren wie bei den klassischen, weitverbreiteten Rebsorten.
Heute bearbeitet Patrick 6,5 Hektar Weinberge, zum Teil in Pacht, zum Hof gehören insgesamt 18 Hektar Grund. Wegen der guten Nachfrage kann er Trauben zukaufen und produziert rund 35.000 Flaschen im Jahr.
Land ohne Wirtschaft
Weil in den 1980ern aus dem Hof Wohnungen wurden, fehlte anfangs allerdings das Wirtschaftsgebäude. Es gab nur einen kleinen Keller, keinen Verkostungsraum, und Patrick musste sich anderswo einmieten. Also stand bald die Entscheidung an, das Weinmachen sein zu lassen und die Trauben zu verkaufen oder zu bauen. Und sie gingen all-in.
Heute steht neben dem Schloss das Wirtschaftsgebäude mit Verkostungsraum, großer Terrasse, Hofladen und Küche. Karoline will einen Kulturort schaffen und einen Ort zum Netzwerken. Die anderen BioproduzentInnen sind MitstreiterInnen, nicht KonkurrentInnen.
Karoline Terleth (39) ist Biologin aus dem nahen Montan, sie lernte Patrick auf einer Piwi-Weinprobe kennen, ist seit 2013 am Hof, am Silvestertag 2014 haben die beiden geheiratet.
Sie kommt selbst von einem Hof, sieht sich aber als Quereinsteigerin: »QuereinsteigerInnen bringen neue Ideen, wer in den elterlichen Betrieb einsteigt, macht meist alles so, wie es schon immer war. Unser Hof ist ein Lebensprojekt, dafür steht man in der Früh gern auf!«
Abschied vom Blauburgunder
Während wir also im Verkostungsraum sitzen, plaudern und am Limoncello nippen, den ein ehemaliger Mitarbeiter hiergelassen hat, roden Patricks Mitarbeiter die alten Blauburgunderreben.
In der nicht-biologischen Landwirtschaft bekämpft man die Schwarzholzkrankheit, indem man die Überträgerinsekten bekämpft. In der biologisch-dynamischen Landwirtschaft geht das nicht. Also verabschiedet Patrick schweren Herzens seine Blauburgunder. Nach ein, zwei Jahren mit Dinkel und Buchweizen als Zwischenkulturen wird er dann Piwis setzen.
Seine anderen Piwis musste er heuer trotz des nassen Wetters nur vier Mal spritzen. Den Souvignier Gris gar nicht. Das hängt immer auch von Sorte und Wetter ab.
Also einfach Piwi und alles gut? Leider nicht, die Wahl der Reben ist ein Spagat, es geht auch um ökonomische Nachhaltigkeit. »Der Betrieb muss überleben«, sagt Patrick, »wenn wir pleitegehen, hat niemand was davon«.
Ob sich Piwi-Sorten durchsetzen, hängt auch vom Markt ab. Der Verkauf ab Hof funktioniere, sagt Patrick, da könne man es erklären, aber im Restaurant bestellt der Gast meist, was er schon kennt.
»Aber wir sind zuversichtlich«, sagt Karoline, »in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren wird viel Tolles kommen«. Und sonst werden sich die beiden schon was einfallen lassen.