Ökosoziales Steuersystem nach schwedischem Vorbild

Warum wir gerade jetzt über eine Neuordnung unserer Wirtschaft sprechen müssen. [GASTKOMMENTAR]

Michael Bernhard, Klima- und Umweltsprecher der Neos (Foto: Neos)

Vorbild Schweden? Ja, bitte, meint Michael Bernhard. In seinem Gastkommentar fordert der Umwelt- und Klimasprecher der Neos ein ökosoziales Steuersystem, welches verstärkt auf Kreislaufwirtschaft und regionalere Produktionsprozesse setzt – und CO2 bepreist.

Die Klimakrise wird uns dauerhafter und schmerzhafter treffen als COVID19, ist Michael Bernhard, Klima- und Umweltsprecher der Neos, überzeugt. In einem Gastkommentar fordert er – abseits aktueller Sofortmaßnahmen – alle Wirtschaftsförderung am Ziel eines CO2-neutralen Österreich auszurichten.

Es ist an allen Ecken und Enden unserer Republik zu spüren. Auch wenn die Gesundheitskrise uns noch lange erhalten bleibt, so wird sie dennoch in vielen Wohnzimmern von einer Wirtschaftskrise abgelöst. Während die Sorge um unsere Eltern und Großeltern abnimmt, wächst jene um die Zukunft unserer Kinder.

Genau diese Sorge beschert einem gewissen politischen Stil eine richtiggehende Hochkonjunktur. Die Angesprochenen – sie schöpfen ihre Kraft aus der Angst – sind leicht daran zu erkennen, dass all ihre Handlungen ein Ziel haben: uns im Ungewissen zu lassen und den maximalen Schrecken zu prophezeien mit dem sanften Hinweis, man selbst sei die einzige Lösung, um aus der Sache wieder heil herauszukommen. Aus diesem Selbstverständnis heraus ergibt sich auch, dass jedes Bedrohungsszenario zur Superlative wird und diese Superlative zum kommunikativen Alltag.

Je länger diese rhetorische Phase andauern wird, umso deutlicher wird zu Tage treten: Diese Sprache löst kein einziges wirtschaftliches Problem. Und von diesen haben wir wahrlich genug. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Kurzarbeit zieht immer weitere Kreise und es drohen zahllose Insolvenzen. Aus diesem Grund braucht es jetzt zurecht rasche Sofortmaßnahmen. Um unmittelbar die Liquidität der Unternehmen sicherzustellen und sowohl Arbeitsplätze wie auch die über viele Jahre sehr erfolgreich aufgebauten klein- und mittelständischen Unternehmen zu retten. 

Die nächste Krise steht vor der Tür

Trotz der notwendigen Sofortmaßnahmen dürfen wir nicht verabsäumen, schon jetzt über den Tellerrand zu blicken. Denn COVID19 hat nur sichtbar gemacht, wie verwundbar unsere Wirtschaft ist und wie wenig krisenfest. Es muss die Frage erlaubt sein, ob wir nicht krisenresistenter wären, durch ein echtes ökosoziales Steuersystem, welches verstärkt auf Kreislaufwirtschaft und regionalere Produktionsprozesse setzt. Natürlich nicht in globalisierungsfeindlicher Manier, sondern als stabilisierender Faktor, der mit konkreten Maßnahmen unterfüttert ist.

Vorbild Schweden: CO2-Ausstoß seit 1990 um ein Viertel gesenkt

Grundlage eines richtungsweisenden ökosozialen Steuersystems muss eine entsprechende CO2-Bepreisung nach dem Vorbild Schwedens sein. Die dort 1990 eingeführte CO2-Bepreisung zeigt klar auf, dass sie keinerlei negativen Effekte auf die Wirtschaft hat. Immerhin ist Schwedens Wirtschaft seit 1990 um 77 Prozent gewachsen, während Österreichs Wirtschaft 66 Prozent Wachstum aufweist. Positiv wirkt sich ein echter CO2-Preis wenig überraschend aber auch auf den Ausstoß von CO2 aus. Hier zeigt der direkte Vergleich, dass Schweden seit 1990 einen Rückgang der Emissionen um 26 Prozent hat, während Österreich bei einem Plus von 6 Prozent liegt. 

Dass eine CO2-Bepreisung keine Raketenwissenschaft mehr ist, zeigen bereits über 60 Staaten weltweit durch verschiedenste Modelle dieser Art der Besteuerung. 

Reparatur attraktiv machen

Besonders beachten sollten wir in Zeiten der Krise den unglaublich positiven wirtschaftlichen Effekt, welcher vor allem in der damit verbundenen steuerlichen Entlastung liegt. Denn je höher der CO2-Preis in einem solchen Steuersystem ausfällt, umso stärker kann auch die Entlastung der Einkommen, der Lohnnebenkosten und eine Absenkung der Mehrwertsteuer ausfallen. Und dies ist die Voraussetzung für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft, denn sinken die Kosten auf Arbeit bzw. für Dienstleistungen, so wird es attraktiv, Produkte zu reparieren anstatt diese einfach auszutauschen. Das bleibt nicht ohne Wirkung für unser regionales Handwerk. Dekarbonisierung bedeutet vor allem eines, eine Stärkung regionaler Wirtschaftsprozesse.

Die Stärkung der regionalen Wirtschaft ist zudem auch ein tragendes Element im Ausbau der erneuerbaren Energie. Erst vor zwei Wochen hat die Klimaökonomin Sigrid Stagl von der WU Wien darauf hingewiesen, dass alleine durch den konsequenten Ausbau der Photovoltaikkapazitäten in Österreich bis zu 200.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen können. Worauf warten wir noch? 

Die COVID19-Pandemie ist zweifellos nicht nur eine große Herausforderung, sie lehrt uns auch, wie sich Krise anfühlt. Wie rasch sich unser aller Leben in jederlei Hinsicht wandeln kann. Und zwar zum Schlechteren. Allem Tunneldenken zum Trotz, kommt nach der Pandemie kein ewiger Aufschwung. Die nächste Krise steht bereits vor der Tür. Die Klimakrise wird dieses Jahrhundert massiver und vor allem dauerhafter treffen als COVID19. 

Die Widerstandsfähigkeit unserer Wirtschaft zu erhöhen muss daher eine der zentralen Aufgaben der Politik – auch und gerade aktuell – sein. Anders als die Sofortmaßnahmen zur Rettung der Unternehmen, müssen alle künftigen Wirtschaftsförderungen auf diese Widerstandsfähigkeit abzielen. Hier braucht es klare Spielregeln und diese dürfen nicht im Widerspruch zu einer Dekarbonisierung unserer Wirtschaft und einem CO2-neutralen Österreich stehen. 

Einigen wir uns auf diesen Grundsatz, lassen sich manche derzeit so heiß diskutierte Fragen recht rasch beantworten. Steuergeld für die Rettung einer Fluglinie – die ja bereits davor vor einer weiteren Restrukturierung stand – kann nur fließen, wenn glaubwürdig gemacht wird, dass es eine Strategie gibt, welche nicht den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung zuwiderläuft. Sollte dem nicht so sein, brauchen wir Alternativen und die gibt es. Strategische Partnerschaften können auch neu entstehen. Wer denkt, dass etwas alternativlos ist, denkt recht eindimensional.

Ich widerspreche der Bundesregierung!

Und genau aus diesem Grund widerspreche ich den Appellen der Bundesregierung mit aller Vehemenz! Nein, es ist nicht die Zeit durchzuhalten. Es ist auch nicht Zeit, sich ausschließlich mit dem Feuerlöschen zu beschäftigen. Jetzt und heute ist die Zeit, um über die Welt nach COVID19 zu sprechen. Wir müssen gemeinsam an der Gesellschaft von morgen bauen und nicht an jener von gestern. Wenn wir uns diese Krise schon nicht aussuchen konnten, so können wir sie zumindest zur Chance machen. 

Eine Chance für eine echte Transformation unserer Wirtschaft. Eine Transformation in eine ökologische Zukunft. Mit einem Zugewinn an Lebensqualität für alle und einer Absicherung unseres Wohlstandes. Gerade für die Generationen, die nach uns kommen. Immerhin geben wir nicht unser eigenes Geld aus oder jenes früherer Generationen. Nein, Österreich hat nichts für schlechte Zeiten auf die Seite gelegt. Wir nutzen das Kapital der Zukunft. Und deswegen müssen wir auch sicherstellen, dass der Nutzen der eingesetzten Mittel bei unseren Kindern und Enkelkindern ankommt. Alles andere wäre ein Raub an der Zukunft.

Deswegen sollten wir über eine Neugestaltung unseres Wirtschafts- und Steuersystems sprechen. Genau jetzt. Natürlich ist es hinderlich, wenn gerade jene, die in der Verantwortung stehen, das mit ihrer Angstrhetorik erschweren. Ein solcher Umstand darf uns als starke Zivilgesellschaft in einer liberalen Demokratie aber niemals aufhalten.

Ad personam: Michael Bernhard ist Unternehmer, sowie seit 2013 NEOS-Nationalratsabgeordneter und als solcher Umwelt- wie auch Klimasprecher und Vorsitzender des Petitionsausschusses. Bernhard war zudem Mitbegründer der Wahlplattform NEOS und Liberales Forum. 

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