Kinderbuch über »Das wahre Leben der Bauernhoftiere«
Gehört in jeden Kindergarten: Lena Zeises Buch über »Das wahre Leben der Bauernhoftiere«
Wir kennen ihn alle: den Bilderbuchbauernhof. Er entspricht dem Gegenteil dessen, was uns die Schockbilder von dicht gedrängten Kreaturen in fensterlosen Ställen über Spaltenböden zeigen. Der Kreislaufgedanke, die Schlachtung oder Tiertransporte werden in der weichgezeichneten heilen Welt der Bilderbücher gemeinhin ausgespart. Dem setzt Lena Zeise, Tier-Illustratorin aus Münster, ihr Buch »Das wahre Leben der Bauernhoftiere« (Klett Kinderbuch) entgegen. Der gut recherchierte Band zeigt wie Schweine, Rinder und Hühner heutzutage gehalten werden und stellt Zeichnungen der konventionellen Nutztierpraxis jener auf Biobetrieben gegenüber. Gehört in jeden Kindergarten!
»Viele Kinderbücher romantisieren und haben eine vormoderne Anmutung«
Lena Zeise, Illustratorin aus Münster, über ihr ausgezeichnetes Kinderbuch über »Das wahre Leben der Bauernhoftiere«.
Tiere sind beliebte Darsteller in Kinderbüchern, werden aber oft vermenschlicht. Wie kamen Sie als lllustratorin zum Thema Nutztierhaltung?
Lena Zeise: Im Zuge meines Masterstudiums Information und Kommunikation habe ich mich aus gestalterischer und medientheoretischer Sicht mit dem Thema Tierdarstellungen beschäftigt und bin relativ schnell bei der Nutztierhaltung und ihren Darstellungsweisen angelangt. Insbesondere die Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Kinderbuch-, bzw. Kindersachbuchdarstellungen haben mich interessiert. Damals hatte ich zum ersten Mal die Idee für ein realitätsnahes Bauernhofbuch – bis zum fertigen Buch sind aber noch einmal Jahre vergangen.
Sie haben für Ihr Kinderbuch über »Das wahre Leben der Bauernhoftiere« recherchiert, wie Nutztierhaltung in herkömmlichen Kinderbüchern dargestellt wird. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
In vielen Kinderbüchern und Kindersachbüchern begegnet man vorrangig einem romantisierten Bild des Bauernhofs. Häufig werden idyllische Höfe gezeigt, die noch viele verschiedene Tierarten halten und eine vormoderne Anmutung haben. Die Gestaltung und Illustrationen sind sehr bunt und die Tiere werden fast immer lachend dargestellt. Kritische Themen, die nicht kindgerecht erscheinen, wie Schlachtung und Tiertransporte werden gemieden, obwohl diese zu den Produktionsabläufen gehören, die ein Bauernhof umfasst. Auch unser Einfluss als EndverbraucherInnen auf die Herstellung tierischer Lebensmittel und damit die Aufzucht und Haltung von Nutztieren wird kaum thematisiert. Ein interessantes Phänomen ist auch, dass auf fast jedem Buchcover zum Thema Bauernhoftiere eine Kuh abgebildet wird – für mich ein Anknüpfungspunkt, den ich genutzt habe.
Haben Sie einen landwirtschaftlichen Hintergrund?
Ich komme aus einer landwirtschaftlich geprägten Region und bin selber ländlich aufgewachsen. Schon seit Kindertagen hatte ich immer wieder Gelegenheit, Einblicke in verschiedene Bereiche der Landwirtschaft zu bekommen.
Was sah denn die Arbeit am Buch aus, bevor Sie sich zum Zeichnen hingesetzt haben?
Die Recherche für dieses Projekt war sehr intensiv und bestand aus verschiedenen Schwerpunkten. Für die inhaltliche Ausarbeitung besuchte ich unterschiedliche Höfe – sowohl konventionell als auch biologisch arbeitende Betriebe –, führte Gespräche und arbeitete viele Informationsmaterialien durch, z. B. vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Es war von Beginn an das Ziel, nicht einen speziellen Betrieb darzustellen, sondern Einblicke in die »durchschnittliche« Nutztierhaltung zu geben. Das heißt die heutigen Haltungsformen zu zeigen, wie sie mehrheitlich angewendet werden.
Ein anderer ebenso wichtiger Schwerpunkt meiner Recherche bezog sich auf die Wissensvermittlung für Kinder und eben ganz speziell auf das Thema Bauernhof im Medium Kindersachbuch. Durch Studien, wie der Reihe Jugendreport Natur, habe ich mich über das Vorwissen von Kindern und Jugendlichen im Bezug auf die deutsche Landwirtschaft informiert. Zusätzlich habe ich Kinderbücher inhaltlich und im Bezug auf ihre Darstellungen analysiert und anschließend eine eigene Umfrage mit ca. 300 Eltern, LehrerInnen und ErzieherInnen durchgeführt. Letzteres hat die Themenauswahl des Buches geprägt und beeinflusst, daher werden auch Themenbereiche wie Schlachtung und Tiertransporte angesprochen.
Gab es ein Rechercheergebnis, das Sie persönlich überrascht hat?
Es gab immer wieder überraschende Momente, vor allem durch die Umfrage habe ich viel gelernt. Positiv überrascht war ich z. B., dass sich die Mehrheit der Befragten für die Einbindung der Bereiche Tiertransport und Schlachtung ausgesprochen hat.
Gibt es Themen, die Sie gerne gezeigt hätten, die aber zu komplex darzustellen waren?
Bei der Ausarbeitung eines Buchkonzepts trifft man immer eine Auswahl an Themen und setzt einen Schwerpunkt. Aus dem einen oder anderen Grund, sortiert man daher auch Themen aus. Es war beispielsweise nicht möglich, die vielen Nuancen der Betriebsformen zu zeigen. Unsere Landwirtschaft ist vielfältig und »konventionell« und »ökologisch« sind natürlich nur Oberbegriffe unter die eine Vielzahl unterschiedlicher Betriebe zusammengefasst werden – aber das hätte dann doch den Rahmen dieses Buches gesprengt.
Wie sind denn die Feedbacks auf das Buch?
Das Buch hat – wie erwartet – einige Wellen geschlagen, insbesondere in den sozialen Medien. Grundsätzlich haben wir viel positives Feedback bekommen. Sehr erfreulich waren zum Beispiel die Empfehlungen von Stiftung Lesen und der Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e. V. als Naturbuch-Tipp im November 2020 und die Auszeichnung EMYs Sachbuchpreis für den Monat Dezember 2020. Inzwischen sind wir bereits in der zweiten Auflage.
Das Interview wurde im Januar 2021 geführt.