Cyberchonder? Von wegen!

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Vor dem Googeln von Krankheitssymptomen wird man ja gemeinhin gewarnt. Zu groß sei die Gefahr, zum Cyberchonder zu werden. Eine Studie der Uni Tübingen beweist das Gegenteil: Chronisch kranke Patienten, die Doktor Google befragen, fühlen sich gesünder

Zugegeben, so eine Selbstdiagnose per Mausklick kann schnell zum Horrorszenario werden. Cyberchondrie nennt sich das Phänomen, bei dem bestehende Krankheitsängste durch das Surfen im Netz ungeahnte Ausmaße annehmen. Wie es dazu kommt? Unspezifische Symtpome wie Kopfweh oder blaue Flecken sind im digital space nur ein paar Klicks von Krebsgeschwüren entfernt. Beiträge über harmlosere Erkrankungen gehen in der Datenflut unter.

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55% der Österreicher vertrauen bei der Erstdiagnose auf den Google-Dok, nur 45% gehehn sofort zum Hausarzt (Bild: Alex Proimos, CC by 2.0).

Dr. Google ist Österreichs relevanteste Informationsquelle in Gesundheitsfragen

Bevor der Hausarzt konsultiert wird, befragen laut Gesundheitsbarometer 2015 mehr als die Hälfte aller Österreicher das Netz. Der Vorteil des Netdoks? 24h-Bereitschaftsdienst bei 0 Stunden Wartezimmeraufenthalt. „Der Bedarf an jederzeit verfügbaren Informationen in Gesundheitsfragen ist groß. Die Herausforderung ist es, den Menschen objektive und qualitätsgesicherte Informationen zukommen zu lassen. Das kann Doktor Google leider nicht leisten,“ meint Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser.

Damit hat Oberhauser wohl nicht ganz recht. Neben einzelnen ominösen Portalen, die mit Medikamentenwerbung ködern, ist Wikipedia nämlich einsamer Spitzenreiter der Suchanfragen. Auf die Mitmach-Enzyklopädie scheint Verlaß: Je nach Umfrage und Land informieren sich hier nicht nur Patienten, sondern auch 50 – 100 Prozent der Ärzte selbst. Eine 2005 und 2012 vorgenommene Untersuchung ergab, dass die Wikipedia-Infos genauso verlässlich wie redaktionell erstellte Inhalte der Encyclopedia britannica sind.

Medical office - middle-aged male doctor greeting patient, shaking hands.

Um Gesundheitsfragen besser beantworten zu können, arbeiten Wiki-Autoren mit der Cochrane-Datenbank zusammen (Bild: Zsolt Nyulaszi, CC by 2.0).

Digitale Diagnosen beschönigen Krankheitsverläufe

Eine neue Versuchsstudie der Universität Tübingen ergab, dass Googlediagnosen aber keineswegs nur negative Ergebnisse liefern. Im Gegenteil: Je schwerer die Erkrankung eines Patienten, desto positiver das im Netz ermittelte Krankheitsbild. Doktor Google irrt? Nein, vielmehr konzentrieren sich chronisch-kranke Patienten unbewusst auf positive Informationen und selektieren irgendwann nur noch diese. „Um das Gefühl der Bedrohung zu reduzieren, wählen Patienten bei der Informationssuche im Internet mehr positive Links aus und erinnern sich öfter an positive Informationen aus gelesenen Texten,“ so Studienleiter Kai Sassenberg.

Auch hierbei lassen sich Unterschiede bezüglich Alter und Bildungsgrad erkennen, der „digital divide“ lässt junge und gebildete Patienten öfter googeln und weniger zum Arzt gehen als ältere bzw. sozial schwächere. Ähnliches konnte das Team um Sassenberg feststellen: Patienten, die häufiger nach den Symptomen der eigenen Erkrankung googeln, fühlen sich insgesamt gesünder – Verdrängung 2.0 sozusagen.

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