#02: Von Sinn und Unsinn der Nachhaltigkeitsberichte
Shades of Green: Vom Sinn und Unsinn der Nachhaltigkeistberichte.
Wir schreiben das Jahr 2008. Das Jahr, in dem die U.S. Army ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht publizierte (kein Scherz) und ich den ersten Nachhaltigkeitsbericht eines Unternehmens in Händen hielt. Schöne Hochglanzbroschüre und noch dazu mit schicken bunten Grafiken bestückt, hatte ich mir damals noch gedacht. 2015 und rund 20 Nachhaltigkeitsprojekte später, die in vielen Fällen auch in einem Nachhaltigkeitsbericht mündeten, hat sich viel in der Berichts-Landschaft getan. Ab 2017 müssen aufgrund einer gesetzlichen Vorgabe der EU auch in Österreich rund 200 Unternehmen transparenter werden und Nachhaltigkeitsinformationen veröffentlichen. In Ländern wie Frankreich, Schweden oder Dänemark ist die Veröffentlichung von ökologischen und sozialen Daten ab einer gewissen Unternehmensgröße bzw. -struktur übrigens schon längstens gesetzlich verankert, wir hinken mal wieder hinterher.
Warum Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte schreiben (sollten)
Unternehmen müssen sich folgender Tatsache bewusst sein: Frau und Herr Otto-Normal werden sich einen Nachhaltigkeitsbericht nicht von der Firmen-Webseite downloaden, ihn nicht als Gute-Nacht-Lektüre nutzen und nicht am nächsten Tag einen Großeinkauf beim jeweiligen Unternehmen machen. Ich kann versichern: Das wird in 99,9% der Fälle nicht passieren! Wenn es also nicht für die Kundschaft ist – warum schreiben Unternehmen überhaupt Nachhaltigkeitsberichte? Neben der bevorstehenden gesetzlichen Richtlinie, stehen vor allem diese drei Argumente in Bezug auf externen Druck für das Verfassen eines Nachhaltigkeitsberichts:
Wer in die Kritik der Öffentlichkeit gerät, muss schnell reagieren! Unternehmen, die seit vielen Jahren im Fokus und in der Kritik der Öffentlichkeit stehen, haben frühzeitig erkannt, dass ein Nachhaltigkeitsbericht ein gewisses Maß an Risikomanagement bieten kann. Nachhaltigkeitsberichte existieren seit rund 15 Jahren. Wer bei kritischen Anfragen von Verbraucher- oder Umweltschutzorganisationen copy-and-paste aus seinem Nachhaltigkeitsbericht machen kann, ist klar im Vorteil. Diese Erfahrung hat gerade Ferrero gemacht. Der Schokoladenhersteller stand aufgrund eines Angriffs der französischen Umweltministerin in puncto Palmöl im Kreuzfeuer der Kritik. Teilweise Grundlage des überraschenden „medialen Freispruchs“ war neben positiven Bewertungen durch Greenpeace tatsächlich der Nachhaltigkeitsbericht.
Interesse von Investoren! Gerade im Finanzsektor geht es nicht um blumige Umschreibungen, sondern um knallharte Daten und Kennzahlen, um für Nachhaltigkeitsratings und letztlich Investoren interessant zu sein. Diese Art der reduzierten faktenbasierten Kommunikation zu Richtlinien in der Kreditvergabe, Energieeffizienz oder Diversity-Quoten ist ein klarer Trend, der sich in den nächsten 10 Jahren laut dem „GRI´s Reporting 2025 Project“ noch weiter fortsetzen wird. Die Zeiten von „Wer hat den schönsten und größten Nachhaltigkeitsbericht im ganzen Land“ verändern sich langsam.
Der Auftraggeber will einen Nachhaltigkeitsbericht sehen! Die Wertschöpfungsketten von Produkten sind komplexer denn je. Aus diesem Grund fordern gerade internationale Konzerne, die sich CSR auf die Fahnen schreiben, immer mehr Informationen von ihren Zulieferern. Wer entscheidende Kennzahlen liefert, kann auch in speziellen Datenbanken gut gelistet und für potentielle Kunden interessant sein. Die erwartete EU-Richtlinie wird diese Tendenz noch weiter verstärken und es besteht dadurch auch die Chance eines Schneeballeffekts. Der 2015 veröffentlichte RepRisk-Bericht „The Most Controversial Companies“ zu Firmen mit den umstrittensten Wirtschaftspraktiken zeigt abermals auf, dass die wirklichen Reputationsrisiken oftmals in der Lieferkette liegen. Unternehmen tun also gut daran, sich diese genauer anzusehen und Informationen von ihren Zulieferern einzufordern. Dass das nicht immer leicht ist und man seinen Lieferanten mit der Nachfrage nach Daten und Zertifikaten einfach auf die Nerven gehen muss, weiß ich aus eigener Erfahrung mit meinem Unternehmen Erdbeerwoche.
Ein Nachhaltigkeitsbericht macht noch keine CSR
Es ist natürlich logisch – und die Erfahrung zeigt es immer wieder – dass sich von einem Nachhaltigkeitsbericht nicht auf das eigentliche Engagement von Unternehmen schließen lässt. Manche CEOs haben sogar eine große Panik derartige Firmendaten zu veröffentlichen, so dass die Nachhaltigkeitsberichte tatsächlich jährlich einfach nur für die Schublade geschrieben werden. Ob das – abgesehen von der fehlenden Transparenz – eine sinnvolle Variante ist, wenn man sich „den Hochglanz spart“, bleibt dahingestellt.
Was in einem Nachhaltigkeitsbericht drin stehen sollte und was einen guten Report ausmacht, folgt in einem der nächsten Beiträge der CSR-Brille.
CSR-Facts zum Weiterdenken
- Zum Stichtag 10. August 2015 sind 26.097 Nachhaltigkeitsberichte aus über 90 Ländern in der internationalen Datenbank der Global Reporting Initiative
- In Frankreich sind börsennotierte Unternehmen bereits seit 2001 zur Aufnahme von ESG-Kriterien (environmental, social & governance) in ihre Finanzberichte gesetzlich verpflichtet. In Dänemark müssen die größten Betriebe sowie auch alle staatlichen Unternehmen in ihren jährlichen Finanzberichten seit 2009 Angaben über ihre CSR-Politik machen und Norwegen hat 2013 nachgezogen.
- Die meisten Nachhaltigkeitsberichte in Deutschland, Österreich und der Schweiz werden in den Branchen Finanzdienstleistungen, Lebensmittelerzeugung und Energieversorgung veröffentlicht.
CSR-Links zum Weiterlesen
- Global Reporting Initiative: Die GRI-Leitlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung bieten Berichterstattungsgrundsätze, Standardangaben und eine Umsetzungsanleitung zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten für alle Organisationen, unabhängig von Größe, Branche oder Standort.
- CRRA Reporting Awards: Die einzige internationale Auszeichnung für Nachhaltigkeitsberichte wird jährlich in verschiedenen Kategorien vergeben.
- Nachhaltigkeitsbericht auf Twitter: Der Autobauer VW kommuniziert seine Nachhaltigkeitsthemen seit diesem Jahr mittels Hashtag #VWCSR vorwiegend über Twitter.
Über mich – Annemarie Harant: Geboren in München und aufgewachsen in einem 100% Öko-Haushalt, arbeite seit über 5 Jahren für die Unternehmensberatung brainbows – the information company im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement mit Großunternehmen und durchlief davor verschiedene Stationen im Nachhaltigkeitsbereich der ÖBB, Fairtrade und der Unternehmensplattform respACT. Seit 2011 stehe ich als Co-Gründerin des Start-ups Erdbeerwoche. Nachhaltige Frauenhygiene. DIE NEUE GENERATION. nun selbst vor der täglichen Herausforderung nachhaltiges Handeln im eigenen Unternehmen umzusetzen.
https://www.globalreporting.org/resourcelibrary/Sustainability-and-Reporting-Trends-in-2025-1.pdf