CSR-Brille #22: Wirtschaft und Waldorf
Die Anthroposophie, das Erbe von Rudolf Steiner, dem Begründer der Waldorfschulen, ist in vielen bekannten Unternehmen präsent.
Was haben knallharte Handelsunternehmen wie dm und Waldorfschulen gemeinsam? Tatsächlich so einiges: Sie beziehen sich in ihren Grundstrukturen auf das geistige Erbe des Waldorschulen-Gründers Rudolf Steiner (1861 bis 1925), der sogenannten Anthroposophie (von griechisch „Anthropos“ Mensch und „Sophia“ die Weisheit). Als esoterisch verschrien und dieser Tage sogar in Ausnahmefällen an den rechten Rand gedrängt, werden die Inhalte dieser Lehre nach wie vor kontrovers diskutiert.
Anthroposophisch wirtschaften
Was Unternehmen angeht, die sich selbst als „anthroposophisch“ bezeichnen, gibt es laut Schätzungen bis zu 10.000 weltweit. Ein Großteil davon im deutschsprachigen Raum mit großen Namen: Sie reichen von der Drogeriemarktkette dm, Alnatura, Reformhaus-Pionieren bis hin zu großen Marken der Naturkosmetik wie Weleda. Ein Vorzeigebetrieb des biodynamischen Anbaus (ebenfalls von Steiner entwickelt) von Demeter ist sogar in Ägypten zu finden, bei dem in ehemaligen Wüstengebieten Kräuter oder Baumwolle angebaut werden und dessen Produkte auch von bekannten Reformhausmarken wie Lebensbaum bezogen werden. Der Gründer Ibrahim Abouleish wurde dafür sogar 2003 mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.
Auch fast 100 Jahre nach Entstehung noch immer aktuell
Was mich in Bezug auf dieses Thema hat aufhorchen lassen war eine aktuelle Pressemeldung zum Ausscheiden des CEO von Weleda, bei der explizit eine Rückbesinnung auf die Grundlagen der Anthroposophie (speziell der Medizin) hervorgehoben wurde. Eine kurze Recherche im aktuellen Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht (mehr zur Sinnhaftigkeit von Nachhaltigkeitsberichten hier) dazu hat ebenfalls ergeben, dass zu den Hauptaktionären der Weleda AG (gegründet wurde das Unternehmen übrigens von Steiner selbst) nach wie vor u.a. die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft zählt. Die Grundsteine der Steiner´schen Methoden sind also bis heute in diesen Unternehmen nicht nur vorhanden, sondern auch präsent, und das bringt uns nun auch zum Thema CSR.
Was ist es also, was diese Unternehmen so erfolgreich macht?
All diese genannten Unternehmen sind wirtschaftlich sehr erfolgreich (wenn auch durch Krisen gegangen), haben zig Preise und Auszeichnungen für Corporate Social Responsibility (CSR) abgeräumt und genießen seit vielen Jahren das Image der „Guten“, wovon andere Großunternehmen nur träumen können. In der Unternehmensvision von Alnatura heißt es beispielsweise, dass ihr Tun „Sinnvoll für Mensch und Erde“ sein soll. Für viele vielleicht etwas zu esoterisch formuliert (ich schließe mich hier auch nicht aus), geht es aber eigentlich nicht genau darum? Unternehmen haben eine Verantwortung für die Auswirkungen ihres Tuns, vor allem eine Verantwortung für Mensch und Umwelt – egal ob als Start-up oder als Großunternehmen.
„Der Fisch stinkt vom Kopf“
So abgedroschen es mit den „Unternehmenswerten“ klingt, Studien über Studien zum Thema CSR zeigen: Es entscheidet die Führung und die Firmenkultur, ob Umweltthemen oder die Anliegen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ernst genommen werden. Denn wie es so schön heißt: „Der Fisch stinkt vom Kopf“.
Auch wenn an dieser Stelle die 1000 offenen Fragen zu den genauen Inhalten des wirtschaftlichen Grundansatzes der Anthroposophie nicht beantwortet werden können: Im Endeffekt – und wenn es hilft und die Richtung stimmt – sollte es zweitrangig sein, woran sich Unternehmen für ihre Leitsätze zu nachhaltigem Wirtschaften orientieren, ob an der Anthroposophie, an nationalen CSR-Leitbildern, an den Sustainable Development Goals oder an anderen Ideen.
Dieser Artikel ist der 22. Teil der Reihe CSR-Brille bei Biorama.