Craft Brot: Wie ein junger Bäcker die Backstube seiner Mutter neu erfindet

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Bild: Michael Reidinger

Mit handwerklichem Brot in Spitzenqualität versuchen junge Bäcker wie Georg Öfferl, es mit der Konkurrenz aus der Backbox Supermarkt aufzunehmen.

Es gibt eine ganze Reihe von jungen Bäckermeistern, die ihr uraltes und traditionsreiches Handwerk ganz modern interpretieren. Und modern heißt in vielen dieser Fälle auch besonders klassisch. Ohne chemische Helfer, ohne industrielle Backmischungen, mit viel Handarbeit und regionalen Zulieferern. Es ist kein Zufall, dass viele ambitionierte, junge Bäckerinnen und Bäcker die Meisterschule für Müller, Bäcker und Konditoren an der Höheren Technischen Lehranstalt im oberösterreichischen Wels absolviert haben. Die Welser Meisterklasse gilt als beste Adresse zum Erlernen zeitgemäßen Bäckerhandwerks. Dort lernt man nicht nur Technik und Betriebsführung, sondern auch wie man eine Bäckerei mit einem originellen Konzept und Nachhaltigkeit versieht. Georg Öfferl, einer der Absolventen hat nach seiner Ausbildung den elterlichen Betrieb im Weinviertel übernommen und ihn neu erfunden.

„Wenn mich jemand vor zwei Jahren gefragt hätte, ob ich mir eine Bäcker-Karriere vorstellen könnte, ich hätte ihn ausgelacht!“, schildert Georg Öfferl am Anfang unseres Interviews. Während man bei uns in der Redaktion über seine mitgebrachten Buchteln und Brotsorten herfällt, erzählt uns der sympathische Niederösterreicher von seinem Weg in die Backstube, seiner Leidenschaft zum Brot und welche Rolle Schweine beim Brotbacken spielen.

Schon seit 1968 betreibt seine Familie die Bäckerei Öfferl in Gaubitsch, Niederösterreich. Klar hat er als Kind ab und zu in der Backstube mitgeholfen, aber Georg hat das Handwerk bis vor zwei Jahren eigentlich nie interessiert. Irgendwann kam mit dem Sport auch das Interesse für bewusste Ernährung. Schließlich hat Georg angefangen, seine eigenen Brotsorten zu kreieren und schnell wurde das Backen zur Leidenschaft. „Meine Eltern haben mir zuerst davon abgeraten, da eine Karriere als Bäcker durchaus nicht einfach ist. Manche Bäcker stehen bis zu 60 Stunden in der Backstube, da bleibt natürlich wenig Zeit für Marketing und Finanzen.“ Die vielen Backshops, die ein Kilo maschinell hergestelltes Brot um 80 Cent verkaufen, machen es den traditionellen Bäckereien zudem nicht leicht. Das Bäckereien-Sterben ist keine Erfindung. Von österreichweit 2.800 Bäckereien vor zehn Jahren sind heute noch 1.400 übrig, erzählt Georg.

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Bild: Michael Reidinger

Eine Hand wäscht die andere

Doch davon ließ sich Georg Öfferl nicht abschrecken. Das Geheimnis des Erfolgs liegt nicht in der Größe des Betriebs. „Ab einer gewissen Größe verliert man an Qualität. Wir wollen lieber klein bleiben, dafür Top-Qualität liefern“. Und Qualität bedeutet für Georg nicht nur Bio. „Man muss sich das Bäcker-Handwerk vorstellen wie einen Kreislauf: Ich liefere einem Bauern Altbrot, dieser verfüttert es an seine Schweine, die dann den nötigen Dünger liefern. Diesen Dünger verwendet der Bauer für den Anbau seines Getreides, dieses wird gemahlen und ich wiederum beziehe es wieder fürs Brotbacken.“

Zusammenarbeit macht Qualität aus. Georg arbeitet mit vielen kleinen Betrieben zusammen, die ihm die Zutaten für seine Brotfinessen liefern. Der Bäcker verwendet dafür nur Urgetreidesorten wie Emmer, Einkorn und Waldstaudenkorn. Dabei ist ihm auch wichtig, dass es sich um Populationssorten handelt. Im Gegensatz zu den heute in der konventionellen Landwirtschaft weit verbreiteten Hybridsorten, deren Saatgut nur ein einziges Mal ausgesät wird, da sich die Pflanze nicht selbst vermehren kann, behält sich dabei der Bauer einen Teil des Saatguts auf, um es im nächsten Jahr wieder säen zu können. Beim Dinkel schwört Öfferl auf Oberkulmer Rotkorn, eine spezielle Dinkelsorte, die nicht mit modernem Weizen gekreuzt wird, und die seinem Dinkelbrot den etwas speziellen Namen „Rotraud von Oberkulm“ gibt. Auch Honig und die Rohmilch für seine Handsemmeln kommen aus vertrauten Quellen. Gemeinsam mit engen Partnern aus der Region als Zulieferer möchte er das Geschäft weiterentwickeln. „Ich möchte unsere Bäckerei gerne etwas umgestalten, es wird zum Beispiel bald neue Möbel geben. Außerdem möchte ich einen regionalen Shop aus der Bäckerei machen, in dem neben Backware auch Biomarmeladen und Dinge rund ums Brot angeboten werden.“

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Bild: Michael Reidinger

Der Wert des Brotes

Während es früher als eines der wichtigsten Nahrungsmittel galt, hat Brot heutzutage an Wertschätzung verloren. „Brot gilt leider als Wegwerfprodukt“, schildert der Bäcker das Problem und versucht, ihm entgegenzuwirken. Neben der Unterstützung von heimischen Bauern verarbeitet er das übrig gebliebene Brot zurück: „Das Hausbrot wird zerkleinert, eingeweicht und zu neuem Hausbrotteig zurückgeführt, dieses ist dann oft sogar saftiger und besser im Geschmack. Außerdem arbeitet der Betrieb mit Vorbestellungen, um möglichst wenig wegwerfen zu müssen.

„Es gibt sicher viele Bäckereien, die so arbeiten wie wir,“ ist der Jungunternehmer überzeugt. „Doch oft holen sich die Unternehmen die Breite ihres Sortiments durch industrielle Backmischungen ins Haus. Genau das wollte ich nicht. Daher produziere ich auch nur sechs verschiedene Laibe.“ Emulgatoren und Zusätze sind dabei tabu und das schmeckt man auch in seiner Ware. Neben Kleingebäck und Mehlspeisen spielen die sechs Brotsorten die zentralen Rolle im Angebot. Von „Rainer Roggen“, der Weizen absolut nicht ausstehen kann, über „Robert de Vino“, bei dem Walnuss auf Wein trifft, bis hin zu „Mademoisselle Crousto“, die außen frisch und innen wolkenweich ist, gibt es noch drei weitere Brotpersönlichkeiten, die zum Probieren einladen. Und den Leuten schmeckt’s nicht nur in der Region um Gaubitsch: Auch in Wien gibt es inzwischen einige Biohändler, bei denen man Öfferl’s Brotkreationen erwerben kann, wie Pöhl am Kutschkermarkt und Naschmarkt.

Was ein richtig gutes Brot für Georg Öfferl ausmacht: „Ein richtig guter Natursauerteig.“ Seine Leidenschaft zu gutem Brot und nachhaltigem Genuss geht sogar soweit, dass er sich gemeinsam mit einigen seiner Mitstreiter aus dem informellen Netzwerk der handwerklich arbeitenden Bäcker, den Slow-Bakers, eine Slow-Food Schnecke auf den Fußknöchel hat tätowieren lassen.

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