Nicht mit der Gießkanne
Dem eigenen Geschäftsbereich entsprechen oder den lokalen Umständen eines Marktes – wie schafft man es als globales Unternehmen, beides zu berücksichtigen? Corporate Social Responsibility was never easy.
Corporate Social Responsibility (CSR) oder auch: unternehmerische Verantwortung für die Gesellschaft versucht den Spagat zwischen unternehmerischer Kernkompetenz und dem, was der Markt verlangt. Darüber, welche Art von Corporate Social Responsibility eigentlich zu einem Telekommunikationsunternehmen passt, über Selbstverständnis und Philanthropie hat BIORAMA mit der Leiterin der CSR-Abteilung der Telekom Austria Group und von A1, Petra Gallaun, und mit ihrer Vorgängerin, Daniela Winnicki, gesprochen.
BIORAMA: Wie freiwillig kann man Corporate Social Responsibility-Aktivitäten bei einem Konzern mit etwa 17.000 Mitarbeiterinnen nennen?
Petra Gallaun: Corporate Social Responsibility ist immer freiwillig. Alles, was über Gesetzesgrundlagen hinausgeht, das ist CSR an sich. Um vielleicht ein plakatives Beispiel zu nennen: Handyrecycling. Wir sind in Österreich gesetzlich verpflichtet, dass wir Handys zurücknehmen, wir sind aber nicht verpflichtet, pro zurückgegebenem Handy etwas zu spenden. Wir machen das, wir spenden vier Euro pro zurückgegebenem Handy für Sozialinstitutionen.
Lange hielt sich das Gerücht, CSR sei Effekthascherei und Marketingtool von Großunternehmen.
Petra Gallaun: Früher reduzierte sich CSR oft auf einzelne PR-Initiativen oder Spenden. Wir versuchen, CSR entlang unsers Kerngeschäft zu machen. Wir wollen, dass sich gesellschaftliche und umweltbezogene Aspekte nachhaltigen Wirtschaftens wie ein roter Faden durch unser unternehmerisches Wirken ziehen und nicht auf Einzelinitiativen reduziert sind.
Daniela Winnicki: Es hat sich viel verändert in der Gesellschaft in den vergangenen Jahren. Man merkt, dass die globalen Probleme solche sind, die auch Unternehmen in Angriff nehmen müssen. Insofern passen die Ansätze „Wir agieren nach dem Gießkannenprinzip“ oder „Wir unterstützen philanthropisch“ konkret gar nicht zu uns. Unternehmen nehmen mittlerweile das Thema Verantwortung anders wahr und sagen: Was kann ich noch tun um in dem Gefüge Gesellschaft-Ökonomie-Ökologie gut und langfristig zu bestehen.
Die Telekom sagt, alle Menschen sollen gleichen Zugang zu Information, Bildung und Wissen haben. Eine missionarische Aufgabenstellung – wie kann man so ein vages Ziel herunterbrechen?
Petra Gallaun: Die Vision ist, dass jeder unabhängig von Alter, Herkunft, Bildung, etc. gleichen Zugang hat. Mit „Internet für Alle“ haben wir versucht, uns klare Ziele zu setzen. Wir möchten auch die Zielgruppen erreichen, die klassischerweise nicht in einen Volkshochschulkurs zu EDV gehen. Darum arbeiten wir auch sehr stark mit sozialen Einrichtungen wie Augustin, Caritas, Ute Bock, Kolping, usw. zusammen, um gemeinsam mit den Sozialarbeitern Schulungsmöglichkeiten zu entwickeln. Im ersten Jahr haben wir jetzt rund 18.000 Menschen geschult, über alle Altersgruppen hinweg.
Vormittags gibt es am „Internet für Alle-Campus“ immer ein Schulprogramm. Jetzt wird man fragen: Okay, die Kinder kennen sich eh aus, die sind ohnehin Digital Natives. Sie kennen sich bei den klassischen Skills aus, wissen, wie man eine Maus bedient. Diese Kinder brauchen aber andere Unterstützung, und zwar: Welche Informationen sind relevant, welchen kann man vertrauen? Sie brauchen eine ganz andere Förderung als beispielsweise die Senioren, wo wir am Anfang wirklich noch Übungen mit der Maus machen und das Prinzip des Internets erklären. Da arbeiten wir an mehreren Fronten bis hin zu sozialen Einrichtungen.
„Internet für Alle“ richtet sich auch an die Zielgruppe der Älteren, die sogenannten „Silver Surfer“. Einerseits die jungen ans Internet zu gewöhnen und den Alten das Internet zu erkläre – man könnte CSR ja doch als simples Marketinginstrument missverstehen.
Petra Gallaun: Wenn man auf den „Internet für Alle“ – Campus kommt, wird man kein Produkt kaufen können. Das verstehen wir wirklich als Schulungszentrum wo auch mit unseren Bildungspartnern wie dem Kinderbüro der Universität Wien neue Vermittlungsformen für Medienkompetenz entwickelt werden. . Selbst wenn z.B. die Senioren dann nachher sagen „Ja“ das ist was für mich, ist das ganz bewusst physisch getrennt.
Daniela Winnicki: Eine wichtige Ergänzung: Sie sehen, es ist deshalb ein ganzheitlicher Ansatz, weil dabei auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren:. Sie halten auch Kurse, und Vorträge, und arbeiten mit Kindern oder mit älteren Personen zusammen,
Wie ist in Zeiten der wirtschaftlichen Angespanntheit das Commitment zur CSR?
Petra Gallaun: Wir haben vor über zehn Jahren mit unserem ersten Nachhaltigkeitsbericht angefangen. Man sieht, das ist nichts Kurzfristiges im Sinne von „Wir machen jetzt auf einmal CSR“. Den Weg haben wir schon 2002 eingeschlagen, und 2010 nochmals verstärkt mit dem CSR Management, das Daniela [Winnicki, Anm.] aufgebaut hat. Das ist ein Weg, den wir weitergehen.
Daniela Winnicki: Ich denke, ein ganz wesentlicher Schritt ist, dass jetzt eine Stabsstelle geschaffen wurde, was meines Erachtens auch ein klares Commitment ist. Wenn man das global betrachtet: 2010 wurden beim UN Global Compact Leaders Summit CEOs der größten Unternehmen weltweit von Accenture befragt. Rund 95 Prozent haben gesagt: CSR ist gerade jetzt wichtig und sollte auch voll in die Unternehmensstrategie und ins operative Geschäft integriert werden. Das war eineinhalb Jahre nach dem Beginn der Finanzkrise. Insofern, denke ich mir, hat das Umdenken definitiv stattgefunden, auch in den “Köpfen” börsennotierter Unternehmen, die normalerweise von Quartal zu Quartal denken, hier entsprechende Schritte zu setzen.
Wie sieht die CSR-Struktur bei der Telekom Austria Group aus?
Daniela Winnicki: Es ist historisch so gewachsen, dass es in unterschiedlichen Bereichen CSR gegeben hat. Dann gab es das Ansinnen, das Ganze zu bündeln und professionell zu strukturieren. Das ist 2010 passiert, indem auf Gruppenebene ein Board etabliert wurde. Einmal im Jahr gibt es ein Board Meeting, wo es darum geht, die Strategie festzulegen und über wichtige Themen zu diskutieren. Ein CSR-Team erarbeitet die Strategie, aber auch Maßnahmen, die das operative Geschäft betreffen. Und dieses Team koordiniert von der Holding aus auch die Meetings mit den lokalen Teams.
Petra Gallaun: Warum es dieses Boardmeeting geben muss: Man muss sich klare Ziele setzen, auch langfristige Ziele. Die müssen natürlich von der ersten Managementebene mitgetragen werden. Ob das jetzt die Frauenquote ist, oder ganz klare Ziele zur Energiereduktion. CSR ist entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu denken. Darum ist es wichtig, dass in diesen Boardmeetings, wenn die großen Ziele, die Strategie festgelegt wird, alle relevanten Entscheidungsträger mit dabei sind. Wichtig ist, dass man CSR messbar macht. Denn nur was du messen kannst, kannst du auch managen.
Muss man, wenn man CSR macht, zwangsweise in den Beeten jäten, in denen man zu Hause ist – also Aktivitäten setzen, die dem eigenen Geschäftsbereich entsprechen?
Petra Gallaun: In Österreich verfolgen wir eine Strategie entlang des Kerngeschäfts. Im Bereich Umweltschutz haben wir beispielsweise als Informations- und Kommunikationstechnik-Unternehmen selbst großes Potenzial, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Gleichzeitig geht es aber auch darum, unseren eigenen Fußabdruck zu verringern. Natürlich sehen wir uns in den Ländern lokal die gesellschaftlichen Herausforderungen an und fragen: Wo gibt es Bedarf? Da kann ein Schwerpunkt ein Entminungsprojekt in Kroatien sein….
Daniela Winnicki: …in Mazedonien hat es einen Mangel an Inkubatoren gegeben, also wurde das unterstützt. In Weißrussland wurde auch eine Klinik unterstützt. Man muss sich die Märkte anschauen, das kann man nicht über einen Kamm scheren. Wir verfolgen hier eine sehr logische und stringente Policy, indem wir sagen: „Think global, act local“. Es gibt ein Strategiedach für ein gemeinsames Verständnis und gemeinsame Ziele. Gleichzeitig lässt man den Ländern die Autonomie, marktkonform zu agieren.
Gibt es irgendetwas wo sie sagen: Das würde zu weit gehen, das können wir nie machen?
Petra Gallaun: Unser Ansatz ist, weniger zu alimentieren als vielmehr zu befähigen. Projekte im gesellschaftlichen Bereich sollen in Summe den Menschen die Möglichkeit geben, danach ihr Leben besser zu meistern.
Wie unterscheidet sich CSR hier in Österreich von den osteuropäischen Märkten?
Petra Gallaun: Es ist teilweise noch ein etwas anderes Verständnis, beispielsweise im Bereich Klima-und Umweltschutz. Dabei sind wir in Österreich sicher schon einen Schritt weiter. Zertifizierte Umweltmanagementsysteme haben wir aber auch in Slowenien, Kroatien oder Serbien. In anderen Märkten wie etwa in Weißrussland, Mazedonien oder Bulgarien gehen wir jetzt erst die ersten Schritte. Darum arbeiten wir auch derzeit gruppenweit an der Vereinheitlichung und Erweiterung der Konzernkennzahlen zur Umweltperformance und Ausbau der Umweltmanagementsysteme in allen Ländern.
Daniela Winnicki: Während man in den USA und bei uns schon von dem Shared-Value-Prinzip redet – es muss ein Nutzen sein fürs Unternehmen und für die Gesellschaft, entlang des Kerngeschäftes – kommt das in manchen Ländern sehr stark aus dem philanthropischen Ansatz: Dort Unterstützung anzubieten, wo sie auch am dringendsten notwendig ist. Das ist eine Frage der sozioökonomischen Zustände eines Landes. Darauf zu reflektieren halte ich für essenziell.
Sind die osteuropäischen Länder in ihrer CSR philanthropischer als wir hier in Österreich?
Daniela Winnicki: Sagen wir so: Es ist noch mehr Sponsorship, was sie machen. Social Sponsoring machen wir natürlich auch, das ist auch Teil unseres Portfolios, aber dieses ist integriert in eine Gesamtstrategie. Wir agieren aber auch auf einem anderen Umfeld. Wichtig ist es innerhalb eines großen Rahmens auch Freiraum für regionale Bedürfnisse zu schaffen.