Ist ein Ausbau der Atomkraft nachhaltig? Nein …

… sagt die österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Atomkraft sei weder nachhaltig noch brauche es mehr von ihr als »Übergangstechnologie«, um die Klimaziele zu erreichen.

Fotomontage contra Atomkraft
Bild: Biorama/c-istock-vlastas-vencavolrab.

Der Kampf gegen die Klimakrise ist eine Herkulesaufgabe. Dabei brauchen wir einen vollen Instrumentenkoffer an Maßnahmen, Initiativen und Investitionen, die uns im Klimaschutz voranbringen. Atomkraft zählt eindeutig nicht dazu. Sie ist zu teuer, zu langsam, gefährlich und weit davon entfernt, nachhaltig zu sein. Die Entscheidung zur EU-Taxonomie-Verordnung, Atomkraft als grüne und nachhaltige Übergangstechnologie zu definieren, hat mich zutiefst schockiert. Das ist weder glaubwürdig, ambitioniert noch wissensbasiert und außerdem verantwortungslos. Unter dem Deckmantel »Klima- und Umweltschutz« werden hier Lobbyinteressen verborgen und klassisches Greenwashing vorangetrieben.

Gute Gründe gegen das PR-Märchen der »grünen Atomkraft« gibt es zur Genüge. Beginnen wir mit der zuletzt ins Spiel gebrachten Behauptung, ein Ausbau der Kernenergie würde uns bei der Energieabhängigkeit von Russland helfen. Das Gegenteil ist der Fall.

Russland bleibt Profiteur

Der Grundrohstoff Natururan muss zu mehr als 99 Prozent importiert werden. Viele Euratom-Betreiberstaaten sind bei den Kernbrennstoffen und auch im technologischen Bereich stark auf Russland angewiesen. Unser Ministerium hat dazu das Umweltbundesamt mit einer Studie beauftragt. Das Ergebnis: Kernenergie erhöht keineswegs die Versorgungssicherheit, sondern treibt uns in Europa sogar noch weiter in die Abhängigkeit Russlands.

Belastung für Mensch und Natur

Darüber hinaus ist Kernkraft alles andere als sauber: Beim Abbau von Uran fallen erhebliche Mengen an Abfällen und radioaktiv verseuchten Stoffen an. Neben der Umweltbelastung müssen auch Menschenrechts- und Sicherheitsfragen bedacht werden. Auch ist die Frage der sicheren Endlagerung von radioaktiven Abfällen bis heute ungeklärt.

Hohe Sicherheitsrisiken

Insgesamt bergen Kernkraftwerke ein enormes Gefahrenpotenzial. Durch den gewaltsamen Konflikt in der Ukraine wird das noch mal deutlicher. Aktuell ist auch kein einziges Kernkraftwerk der Welt gegen die Schäden eines schweren Unfalls versichert. Niemand ist bereit, dieses Risiko zu tragen – das sollte uns zu denken geben. Durch die Folgen der Klimakrise häufen sich zudem extreme Wetterereignisse, wo wir auch in Österreich die zunehmende Kraft der Naturgewalten immer mehr zu spüren bekommen. Fukushima sollte uns dabei eine Lehre sein.

Zu langsam und zu teuer

Kernenergie soll dabei helfen, die wechselhafte Verfügbarkeit von erneuerbaren Energieträgern auszugleichen, so ein weiterer Mythos. Kernkraft ist aber hierfür vollkommen ungeeignet, auch aus wirtschaftlicher Sicht. Energie aus Erneuerbaren, etwa aus Sonne oder Wind, kann hingegen deutlich flexibler eingesetzt werden.  Ganz grundsätzlich sind Kernenergie und ihre Entwicklung außergewöhnlich schwerfällig und kostenintensiv. 

Atomkraft und Nachhaltigkeit stehen also vielfach im direkten Widerspruch. Unser Weg setzt auf zukunftsorientierte und verantwortungsbewusste Alternativen – erneuerbare Energieträger. Sie sind wesentlich einfacher realisierbar, risikofrei, wirtschaftlicher und deutlich kostengünstiger. Und sie helfen uns tatsächlich, die Klimaziele zu erreichen und unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren – Atomkraft tut das nicht.

Seit 7. Jänner 2020 ist Leonore Gewessler österreichische Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.

Eine andere Meinung hat Lukas Aebi, der Geschäftsführer des Nuklearforums Schweiz. Er sagt: Ja. Ein Ausbau der Atomkraft ist nachhaltig. Hier kannst du seinen Gastkommentar des Formats Pro/Contra nachlesen.

BIORAMA #80

Dieser Artikel ist im BIORAMA #80 erschienen

Biorama abonnieren

VERWANDTE ARTIKEL