Hirn mit Bulbul

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Bild: Klaus Pichler

Bulbul sind schon alte Hasen im österreichischen Musik-Szenario. Gerade ist ihr neuestes Album „Hirn fein hacken“ erschienen. BIORAMA Sound Sustain nahm diesen gustiösen Titel zum Anlass, mit Bulbul-Mitglied Fredl über Essen, Bio-Lebensmittel und Musik zu sprechen.

BIORAMA: Wie ist deine Einstellung zu Essen? Lust oder Notwendigkeit?

Fredl: Kommt ganz drauf an. Wenn ich mich in etwas hineinsteigere, vielleicht in einen Schaffensprozess, dann komm ich ohne Essen aus, das ist so ähnlich wie bei Liebeskummer. Auf Tournee ist es zum Beispiel umgekehrt, da verbringst du den Großteil des Tages im Tourbus und musst froh sein, wenn du dir nicht auf jeder Tankstelle einen Haufen Scheiß zum Essen kaufst. Umso mehr freu ich mich dann auf das Futter im Club,  das, wie ich doch sehr hoffe, mit viel Liebe zubereitet wurde, weil sich die Veranstalter ja freuen, dass wir kommen.

Kochst du gern selbst?

Naja, im Großen und Ganzen nicht so gern. Aber ich mache es und die Zeiten des One-Man-Band-Fast-Food-Daseins sind schon länger vorbei. Ich lebe in einer klassischen Wohngemeinschaft mit Frau und Kind. Wir schauen, dass wir gemeinsam essen und halbwegs was G’scheites kochen.

Bist du vegan oder Vegetarier?

Nein, Tier geht auch, aber wenn’s geht nicht jeden Tag. Nach einer Woche täglichen Fleischgenusses komme ich mir vor wie ein Klumpen zusammengepatztes Faschiertes und muss übermässig oft aufs Klo. Außerdem will ich nicht am Ende des Jahres feststellen können, dass ich drei Kühe und fünf Schweine verzehrt habe, das käme mir unangemessen vor. Am liebsten esse ich Nüsse.

Wie hältst du es mit dem Lebensmittel-Kauf? Bio-Lebensmittel oder hast du andere Prioritäten?

Vor einigen Jahren hab ich mal unter meinen Freunden einen Test veranstaltet: Blindverkostung Bio versus Supermarkt – damals gab’s in den Ketten noch keine Bioprodukte. Das Ergebnis war ziemlich unentschieden und bei jedem gänzlich unterschiedlich. Also wegen des Geschmacks interessiere ich mich nicht so sehr für Bio. Aber ich kaufe überwiegend Bio-Zeugs und zwar bequem in Supermärkten, und schau, wo die Sachen herkommen. Weil wenn ich Bio-Fisolen aus Israel kaufe, frag ich mich, was daran überhaupt bio sein kann. Für mein Verständnis schließt ein langer Transportweg das Attribut Bio aus. Und Bio beinhaltet für mich auch faire Arbeitsbedingungen für alle, die daran beteiligt sind, dass die Avocado im Regal liegt. So würde ich es mir zumindest wünschen. Umgekehrt hab ich kürzlich irgendwo gelesen, dass der Paradeiser aus Neuseeland sehr wohl einen kleineren Fußabdruck hinterlassen kann, als der Gewächshaus-Paradeiser aus dem Weinviertel. Also wie du siehst: keine Ahnung. Eine Wintersaison lang haben wir weitgehend nur Gemüse aus der Region gekauft, über ein „Kisterl“. Da kohlt und rübelt man sich aber dann schon ziemlich durch die kalte Zeit. Geheizt haben wir mit Gasen. Seit Bio-Einkaufen so modern geworden ist, werde ich immer misstrauischer, ob das alles nicht nur mehr ein Marketing-Schmäh ist. Ich frage mich zum Beispiel bei der Bio-Milch vom Hofer, wo drauf steht, dass sie aus der Murauer Gegend stammt: Geht sich das aus, dass die paar Berg-Kühe von dieser Gegend so viel Milch produzieren können, dass in ganz Österreich die Hofer-Filialen voll damit sind? Wer weiß es und wer sagt es mir? Oder: Fast jeder kennt „Darwins Nightmare“, die Doku über den Speisefisch Barsch, der im Victoriasee gezüchtet wird, der dort alles andere auffrisst, nur um nach Europa exportiert zu werden, während die Menschen vor Ort hungern und nur die Abfälle bekommen. So ist es in diesem Dokumentarfilm dargestellt. Warum kann ich jetzt beim Denns tiefgekühlten Victoriabarsch kaufen? Wie soll ich mich da auskennen, wem kann ich vertrauen? Naja, vorerst kauf ich weiterhin das Zeug und hoffe, dass drin ist, was drauf steht und nicht nur irgendein Depp damit reich wird.

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Bild: Klaus Pichler

Wie siehst du die gegenwärtige Situation in der Lebensmittel-Industrie? Tiere als Material oder Ware, was hältst du davon?

Das scheint sich in den letzten 50 bis 60 Jahren in Mitteleuropa so aufgeschaukelt zu haben, dass alle glauben, ohne Fleisch am Teller geht gar nix. Ich glaub, dass ein Großteil der Menschen aber überhaupt kein Interesse daran hat, hinter die Kulissen zu schauen, was da abgeht. Die Lebensmittelproduktion ist so entwurzelt, es gibt ja für fast niemand einen  Grund, sich um die Produkte selbst zu kümmern, du kannst ja alles kaufen. Bei Fleisch ist es am direktesten, weil uns die Viecher mit ihren Ohren und Nasen näher stehen als Pflanzen. Aber in Wirklichkeit ist die ganze Massenproduktion grauenhaften Mechanismen unterworfen – so wie fast alles andere auch in der kapitalgeprägten Welt. Ich weiss, alle wollen essen und es soll möglichst nix kosten. Das wäre ja eigentlich ein feiner Zug, aber da ist die Evolution noch nicht angekommen, dass die Menschen unter solchen Umständen nicht automatisch zum Urassen anfangen. Irgendwas haut da nicht hin. Ich selbst finde Überschuss grauslich. Wenn ich am Brunnenmarkt bei einem Standl vorbeigehe, in dem 50 Hendln verkauft werden. Jeden Tag? Wo kommen die denn her?
Besser finde ich, wenn das Sortiment begrenzt ist und alles vom Tier verkauft wird, Innereien, Äußereien, nicht nur der Schinken. Und es gibt auch Läden die das anbieten, wo du weißt,  der verkauft Produkte von fünf Bauernhöfen aus dem Waldviertel. Und wenn du am Samstag am Bauernmarkt erst um halb Eins einkaufen gehst, gibt’s bestimmte Dinge einfach nicht mehr – ausverkauft. Aber man findet schon was anderes und dafür hat man ja länger schlafen können und der Gaumen lernt an dem Tag vielleicht noch was Neues kennen.

Wie seid ihr auf den Albumtitel „Hirn fein hacken“ gekommen?

Die ersten sechs Bulbul-Platten hatten ja alle keinen Titel und jetzt werden sie nach ihrem Äußeren benannt, was ich nicht so schön finde. Die Eiserne, die Graue, die Blaue, usw. Stell dir das bei Menschen vor: die Blonde, der Blaade, die Großnaserde.
In unserem Kochbuch ist das Rezept für Hirnpofesen genau neben den Grießnockerln. Und das erste, was zu tun ist, wenn du Hirnpofesen machst, ist Hirn fein hacken. Da war er schon, der Titel, nicht etwa grob hacken oder nur hacken, sondern fein hacken – passt zu Bulbul. Viele Musik-Schreiberlinge beschreiben uns gern als anarchischen Haufen, der macht was er will – was ich nicht ganz verstehe, weil keiner von denen war jemals dabei, wenn wir im Proberaum an einem Stück gefeilt haben. Wir machen nicht einfach, was wir wollen, sondern was wir müssen und momentan ist das Hirn fein hacken.

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Das ist übrigens das Cover von „Hirn fein hacken“.

Hast du schon einmal Hirn mit Ei gegessen?

Nein, nur tausendjähriges Ei. War kein Hirn dabei.

Was könnte eine Gemeinsamkeit zwischen Musik machen und Essen sein?

Ich fänd’s ja einfacher, Musik hören und essen zu vergleichen… Also, du nimmst eine Hacke, … nein. Als erstes ist es empfehlenswert, nichts anderes nebenbei zu machen, zum Beispiel beim Musik machen essen oder beim Essen Musik machen. Bei beidem geht’s auch um Geschmack – wenn du Angst vor der Erweiterung deines Geschmackes hast, dann kommst du zwar auch durchs Leben, aber es ist ein wenig fad.

Wie siehst du deinen „Bildungsauftrag“ als Musiker, der in der Öffentlichkeit steht? Vielleicht als Vermittler von ethischen Werten oder doch eher nur die Musik als Kunstform ohne „Bildungsauftrag“?

Hat nicht der ORF einen Bildungsauftrag? Ich würde aber vom ORF nicht erwarten, dass er Musik macht.

Umgekehrt erwarte ich auch nicht von mir, dass ich als Musiker einen Bildungsauftrag habe. Das ist zuviel verlangt. Mit welchem Hintergrund sollte ich Bildung vermitteln? „We learned more from a three-minute record than we ever learned in school“ hat Herr Springsteen ganz richtig erkannt. Mir genügt’s, wenn ich ordentliche Musik mache, das allein ist gar nicht so einfach. Und in dieser Musik sind dann alle Einzelheiten versteckt, die mich und das, was ich zu sagen habe, ausmachen. Ein zusätzlicher Kommentar ist nicht nötig. Ich finde Kunst dann am interessantesten, wenn man bei der Betrachtung merkt, dass man in einen Spiegel schaut und plötzlich erkennt, wie dämlich man dabei aussieht. Optimalerweise macht das Ganze trotz Verwirrung auch noch gute Laune. Hoffentlich mache ich solche Musik. Wer sich das geben mag, ist herzlich dazu eingeladen, viele halten es aber nicht aus, sie wollen die totale Ablenkung. Von sich selbst wahrscheinlich. Wegen der Öffentlichkeit mache ich mir keine allzu großen Sorgen, in dem Misthaufen bin ich auch höchstens eine Nadel, nach der keiner sucht. Ich fände es eigentlich besser, wenn das Werk allein im Stande ist in der Öffentlichkeit zu stehen und es nicht die Person dahinter dafür braucht.

Und abschließend: Auf welches Gericht hättest du jetzt im Moment Gusto?

Hirn mit Nüssen.

Danke und Mahlzeit!

 

Das neue Album von Bulbul „Hirn fein hacken“ ist schon bei Rock Is Hell (LP) / Exile On Mainstream (CD) erschienen. 

Live:
09.05.2014 – AT – Wien – EKH – ALBUM RELEASE show mit MILE ME DEAF
10.05.2014 – AT – Linz – Stwst
16.05.2014 – AT – Graz – Forum Stadtpark

www.bulbul.at

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