Buchrezension: »Mein großes Niederösterreich-Wimmelbuch«
Ein Buch für alle, die alles suchen, aber sich auch freuen, wenn sie vieles finden.
Wimmelbücher sind wunderbar und wollen immer wieder in die Hand genommen werden. Das gilt auch für das neue Niederösterreich-Wimmelbuch. »In diesem Bilderbuch soll den Kindern ein Gefühl für die Vielfalt Niederösterreichs vermittelt werden«, heißt es im Kleingedruckten auf der Rückseite. Das gelingt den AutorInnen Aleksandra und Aleksander, wenn es um Landschaftstypen und Sehenswürdigkeiten geht, aber nicht punkto Lebensentwürfen oder religiöser Symbolik. Da wäre mehr gesellschaftliche Diversität möglich gewesen. Nichts gegen Brettljausn, historische Zugbrücken und Aborterker. Aber Niederösterreich bliebe auch dann noch katholisches Kernland, würde irgendwo ein Kebabladen auftauchen oder eine Radfahrerin Hidschab tragen.
Die Doppelseiten sind thematisch klug gewählt und bereiten Spaß: Ötschergebiet und Mariazellerbahn, Nationalpark Thayatal, Landwirtschaft und Urlaub am Bauernhof (realistisch: Rinder sind enthornt), Weihnachtsmarkt in Grafenegg, Sommer in Schloss Hof. Auch dem Kraftwerk Ybbs-Persenbeug, dem Landhaus St. Pölten, dem Flughafen Wien-Schwechat und der Region Wiener Neustadt ist je eine Doppelseite samt hervorgehobenen Details gewidmet. Insgesamt zeigt das Buch trotzdem vor allem das ländliche Niederösterreich und fällt durch seine Technikverliebtheit auf. Vom Regierungsviertel in St. Pölten abgesehen fehlen die Städte. Stadtleben gibt es im Niederösterreich-Wimmelbuch höchstens als Rummel (wie am Klosterneuburger Leopoldimarkt auf der Buchrückseite). Auch sonst fällt auf, was fehlt: das Einfamilienhaus, die Reihenhaussiedlung, der Wohnblock (als würde man in Niederösterreich nur in Vierkanthöfen, Schlössern und Burgen leben), die Autobahn, der Kreisverkehr, der Weinberg oder Themen wie Imkerei oder Jagd. Dafür gibt es eine Stretchlimousine (am Flughafen), einen Defibrillator, in der Wachau statt einer Marille eine Motoryacht oder in Schloss Hof eine Livree. Da werden wohl nicht wenige Eltern ergoogeln müssen, dass es sich dabei um eine »mit Litzen o. Ä. besetzte uniformartige Kleidung für Diener, Bedienstete« handelt. Man lernt halt nie aus.
Ein wenig scheitert das Wimmelbuch auch am Anspruch, alles sein zu wollen: nicht nur Wimmelbuch, sondern auch hintergründiges »Wieso? Weshalb? Warum?«-Erklärbuch. Das gelingt nur bedingt: Die Einblicke in Landhausbüros oder Kraftwerksskizzen sind nicht wirklich selbsterklärend. Die Freude beim gemeinsamen Blättern, Suchen und Fragenstellen macht all das aber wohl trotzdem nicht kleiner.