Für die Revolution ist es nie zu spät

Guten-morgen,-Revolution

Gibt es ein Ablaufdatum für Aktivismus? Wenn Alltagsprobleme die Zeit zum Nachdenken schmälern, bleibt kein Platz mehr für politisches Engagement. Das Durchschnittsleben einer Frau Mitte 40, aus Kalorienzählen und Lamentieren über mangelndes Liebesleben, wird auf den Kopf gestellt: Ihre Tochter wird bei einer Demonstration in Gorleben verhaftet, was sie zur Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Vergangenheit zwingt. Das Buch von Kirsten Ellerbrake erzählt über einen Mutter-Tochter-Konflikt, der in den Ähnlichkeiten der Hauptpersonen miteinander wurzelt – sympathisch, lustig, und mit viel positivem Aktivismus.

 

„Guten Morgen, Revolution. Du bist zu früh.“ Ganz im Gegenteil, für Nora ist es höchste Zeit. In ihrer Jugend demonstrierte sie bei jeder Gelegenheit gegen Atomkraft, lebte in WG-Kommunen und setzte sich für den Umweltschutz ein. Ihr Hippie-Leben kostete sie voll aus und radikale Aktionen zur Verbesserung der Welt standen auf der Tagesordnung. Was ist nach Ehe- und Elternleben davon übrig geblieben? Ein Durchschnittsalltag, für den sie sich mit 20 geschämt hätte. Ob sie sich heute Kuchen erlauben kann oder doch zum Walken muss ist wichtiger als die Debatte über die Tauglichkeit eines Salzstocks als Atommüll-Endlager.

Ihre Tochter Charlie sieht das ganz anders. Sie demonstriert auf den Schienen des Castor-Transports und wird dafür von der Polizei in Gewahrsam genommen. Die Sorgen einer Mutter über die Vorbestrafung ihrer Tochter und deren berufliche Zukunft werden belächelt. Nora taucht in eine Welt ein, die ihr einst so vertraut war und muss sich für ihr konservatives, bürgerliches Denken rechtfertigen. Etwas Größeres als Charlies Zukunft steht auf dem Spiel – die Zukunft unser aller Umwelt und Leben. Widerstrebend knüpft Nora an ihre eigene Vergangenheit als vehemente Atomgegnerin an, wühlt längst vergessene Emotionen auf und konfrontiert sich mit Menschen, die schon lang kein Teil ihres Lebens mehr sind. Als Mutter muss sie einiges einstecken, doch mit Humor und Verständnis entdeckt sie dadurch sich selbst in ihrer Tochter wieder und setzt sich mit ihren eigenen, verdrängten Wünschen auseinander. Letztendlich profitiert sie auch persönlich durch das Interesse und die Offenheit gegenüber dem Leben ihrer Tochter.

Der Roman von Kirsten Ellerbrake überzeugt durch seine lockere, direkte Sprache, die sympathischen, authentischen Hauptfiguren und die Relevanz der thematisierten Konflikte. Die ein Stück zu heile Welt und die Schicksalsfügungen, die manchmal zu geschmiert laufen verzeiht man gerne, um die Hauptperson immer mehr kennen und lieben zu lernen. Mütter und Töchter identifizieren sich mit in der Geschichte vermutlich besonders schnell und können sich vielleicht selbst ein Stück positiven Aktivismus von den Protagonisten abschneiden.

 

Kirsten Ellerbrake
Guten Morgen, Revolution – du bist zu früh!

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