Brotepisode 4: Brotarchitektur von Joseph Brot
Wie lässt sich ein ursprüngliches Produkt wie Brot zeitgemäß inszenieren? Ein eindrucksvolles Beispiel: die Wiener Filiale der Bio-Bäckerei »Joseph Brot«, gestaltet vom Architekten Thomas Pauli. Sie gleicht einer Galerie.
Das Produkt ist gut, seine Inszenierung dementsprechend heikel. Der Architekt Thomas Pauli stand also vor keiner leichten Aufgabe, als ihn der gelernte Fleischhauer und studierte Biologe Josef Weghaupt darum bat, eine Bäckerei-Filiale für die Wiener Innenstadt zu gestalten. Denn unter Feinschmeckern hatte sich längst herumgesprochen, dass Weghaupts »Josephbrot« ein ganz besonderes Lebensmittel ist. Im Waldviertler Ort Vitis gebacken, waren die durchwegs aus Demeter-Getreide hergestellten Köstlichkeiten bislang ausschließlich auf Märkten und in einzelnen Bioläden in Wien und Umgebung erhältlich. Eine eigene Bäckereifiliale allerdings, zumal in der geschichtsträchtigen Gegend der Inneren Stadt, musste zwar das ursprüngliche Naturprodukt in Szene setzen, dürfte aber keinesfalls rustikal oder gar volkstümlich wirken. Nicht zuletzt sollte die Filiale Offenheit und moderne Urbanität ausstrahlen – ohne dabei die historische Bausubstanz im dicht bebauten Gebiet zu missachten.
Dieser Spagat ist gelungen. Der Verkaufsraum und die dahinter liegende Backstube wirken durch Glasfronten weitestgehend nach außen. Oberste Maxime des Gestalters waren Klarheit und Ruhe – selbst beim Logo. »Es muss ohne Hinterleuchtung auskommen, ohne Lichtwerbung, damit der Blick frei bleibt und nicht bereits an der Fassade abgefangen wird«, sagt Thomas Pauli. Ein durchgehender Quader über dem Eingang verbindet Eckpfeiler mit den Schaufenstern. Die bestehende Substanz wird so geöffnet und zum harmonischen Kontrapunkt. Vormals angebrachte Leuchtkästen, Tafeln und Beschriftungsflächen hat Thomas Pauli entfernt und auch im Inneren ist der Raum wieder über die sichtbaren Wandflächen präsent.
So wirken die überschaubaren 48 Quadratmeter geräumig. Wie in einer kleinen Galerie bleibt den Kunden Raum, Zeit und Ruhe, die »Kunstwerke« zu betrachten – neben Gebäck gibt es auch Joghurt, Butter, Marmeladen, Kaffee und Müsli-to-Go. Viel Licht macht jedes ihrer Details wahrnehmbar. „Wir haben ein Licht gewählt, das die natürlichen, ehrlichen Farben der Produkte zeigt und dem Farbspektrum des Sonnenlichts sehr nahe ist“, so der Architekt.
Dass Paulis Wahl auf möglichst natürliche Materialien fiel – Eichenholz, Stein, gebeizter Stahl –, überrascht nicht. Ihr Einsatz sorgt für eine gewisse Dynamik, die bis ins kleinste Detail durchdacht ist: vom Gehäuse des Kundendisplays an der Kassa über den Papierkorb bis zum Schirmständer. Symmetrien (etwa bei der Beleuchtung) wechseln mit Asymmetrien (etwa beim Bogen über dem Verkaufspult oder bei der Anordnung der Einrichtung).
Die Leidenschaft, mit der Josef Weghaupt seine Produkte herstellt, strahlt derart auch architektonisch bis in die letzten Winkel der Backstube – subtil, doch dominant vom zentralen Beleuchtungskörper in 24-Karat-Blattgold herab.
Dass die Filiale – jedenfalls einstweilen einmal – einzigartig bleibt, ist jedoch nicht allein ihrer aufwendigen Gestaltung geschuldet. Er müsse seinem Personal schließlich auch die Philosophie vermitteln, den Wert des Brots, sagt Josef Weghaupt. Im Konzept Kette scheint das nur schwer machbar.
Josephbrot (Wien 1, Naglergasse 9)
Atelier für Architektur und Design (Wien 12, Schönbrunner Straße 241/2/5)