Welche Auswirkungen hat der Brexit auf die EU-Klimapolitik?

Die Briten haben sich gegen die Europäische Union und für Isolation entschieden. Könnte diese Entscheidung zu einem klimapolitischen Desaster für die EU werden?  

Der Austritt Großbritanniens aus der EU kam einem Erdbeben für die internationalen Finazmärkte gleich. Die Kurse der betroffenen Währungen und zahlreicher Aktien fielen in den Keller. Wie die deutsche Tageszeitung „Die Welt“ letzte Woche berichtete befinden sich auch die Preise für CO2-Berechtigungen aus dem Europäischen Emissionshandel im freien Fall. So fiel der Börsenpreis für ein CO2-Zertifikat um satte 17%. Aktuell kostet es Industriebetriebe nur 4,78€, eine Tonne CO2 in die Atmosphäre zu blasen. Ende des vergangenen Jahres waren es noch knappe 9 €. Grund dafür ist ein mögliches Überangebot an Emissions-Berechtigungen. Falls Großbritannien ebenfalls aus dem europäischen Emissionshandel aussteigen sollte, droht der Markt mit britischen CO2-Zertifikaten überschwemmt zu werden. Das zentrale Klimaschutzinstrument der Europäischen Union könnte kollabieren, da es für europäische Industriebetriebe keinen finanziellen Anreiz mehr gäbe, in umweltfreundliche Technologien zu investieren.

Hierbei handelt sich jedoch um das Worst-Case-Szenario. Der Austieg Großbritanniens aus dem Emissionshandel scheint eher unwahrscheinlich. Großbritannien war immer einer der stärksten Antreiber klimapolitischer Entscheidungsprozesse in der EU. So waren die Briten auch maßgeblich am Aufbau des Emissionshandelssystems in der EU beteiligt und Länder wie Norwegen, Island und Liechtenstein, die Mitglieder des Emissionshandelssystems aber nicht der EU sind, könnten als Blaupause für Großbritanniens zukünftigen Status – auch im Emissionshandel – dienen.

Nach dem Brexit sank der Preis eines CO2-Zertifikats um über ein Viertel. Im Gegensatz zum britschen Pfund oder zum Euro hat sich der Preis jedoch noch nicht erholt. (Bild: flickr. Monica McGivern)

Nach dem Brexit sank der Preis eines CO2-Zertifikats um über ein Viertel. Im Gegensatz zum britschen Pfund oder zum Euro hat sich der Preis jedoch noch nicht erholt. (Bild: flickr. Monica McGivern)

Klimaschützer könnten die Mehrheit verlieren

Mit Großbritannien verabschiedet sich eine Land aus der EU, das als Klimaschutzvorreiter gilt. Das könnte verheerende Folgen haben. Die Briten bildeten gemeinsam mit Deutschland, Frankreich, den Benelux-Staaten und den nordischen Ländern einen Block, der in den letzten Jahrzehnten die europäische Klimapolitik vorangetrieben hat. Grund dafür war eine knappe Mehrheit gegenüber den Südländern und den Ostländern der sogenannten Visegrád-Gruppe. Diese Mehrheit könnte durch den Wegfall der Briten nun kippen und den Kohlefreunden der Visegrád-Gruppe wie Polen oder Tschechien noch größeren politischen Einfluss bescheren.

Eine ungewisse Zukunft für Großbritannien und die EU

Der Austritt Großbritanniens bringt auch den Zeitplan für das Pariser Klimaabkommen gehörig durcheinander. Auf der Klimakonferenz im letzten Jahr hatte die EU neben den 193 UN-Mitgliedsstaaten eigenständig verhandelt. Die in Paris vorgelegten Ziele zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 40% bis 2030 und die entsprechende Verteilung auf die EU-Staaten müssen nun wohl neu berechnet werden. Die für 2017 geplante Ratifizierung des Klimaabkommens kommt nach Einschätzungen von Experten nicht zustande.

Mit den Unabhängigkeitsbestrebungen von Schottland und Nordirland sind die zukünftigen politischen Verhältnisse in Großbritannien unklarer denn je. Auch die Zukunft der britischen Klimapolitik steht noch in den Sternen. Mit einem Austritt wäre Großbritannien nicht mehr an die offiziellen EU-Ziele gebunden. Mit dem „Climate Change Act“ wurden jedoch nationale Ziele bis 2050 definiert, die noch ambitionierter als die der EU sind. Für die künftige britische Regierung wird es nun jedoch leichter möglich sein, das Klimaschutzgesetz zu schwächen, da es sich nur noch um eine nationale Entscheidung handelt, bei der die EU-Vorgaben nicht mehr beachtet werden müssen.

Bei all diesen Spekulationen steht eines fest: sowohl Großbritannien als auch die Europäische Union blicken, nicht nur in Sachen Klimapolitik, in eine ungewisse Zukunft.

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