Crowdfunding: Boutique vegan sammelt Geld von Mitstreitern
Die Zukunft ist vegan – davon ist man bei Boutique vegan überzeugt. Um das weitere Wachstum zu finanzieren sucht das Start-up aus Baden-Württemberg nun Geldgeber aus der Crowd. Gründerin Miriam Brilla über ihr ethisches Online-Versandhaus.
BIORAMA: Um das Wachstum eures Online-Shops zu finanzieren sammelt ihr über die Crowdfunding-Plattform der GLS Bank Geld. Warum soll die nötige Finanzspritze aus der Crowd kommen und nicht direkt über die Bank?
Miriam Brilla: Wir haben explizit die GLS Gemeinschaftsbank als Crowdfunding-Partner gewählt, da die sozial-ökologischen Grundsätze sehr gut zur Boutique vegan-Unternehmensphilosophie passen. Wir gelten immer noch als Start-up, zudem in einer Nische und auch noch mit E-commerce-Geschäftsmodell. Das sind grundsätzlich 3 Risiko-Kriterien, die es nicht zulassen, sich alleinig über Banken finanzieren zu lassen. Die Crowd ergänzt eine gute Mischung an starkem Eigenkapital, Mezzanine-Kapital durch die Crowd und einen kleinen Teil Bankdarlehen.
Beteiligen kann man sich ab 250 Euro. Gibt es eine Obergrenze?
Miriam Brilla: Mehr als 500.000 Euro, die als Funding-Obergrenze angesetzt sind, können nicht investiert werden.
Welche Kriterien muss ich als Investor erfüllen?
Miriam Brilla: Ab 250 Euro kann sich jeder am Crowd-Funding beteiligen.
Wer in ein Unternehmen investiert, möchte wissen, wem es gehört. Wem gehört denn die boutique vegan zu welchen Teilen?
Miriam Brilla: Seit unserer Gründung 2012 ist Boutique vegan ein Familienunternehmen. Die Boutique vegan GmbH & Co. KG befindet sich vollständig im Besitz von mir, Miriam Brilla (90 Prozent der Anteile), und meinem Vater (10 Prozent der Anteile) und wird federführend von mir als Geschäftsführerin geleitet.
Haben sich die Eigentümerverhältnisse seit eurer Gründung verändert?
Miriam Brilla: Gar nicht.
Wieviel Geld möchtet ihr crowdfunden und was genau soll denn mit dem Geld passieren?
Miriam Brilla: Die Funding-Schwelle ist bei 400.000 Euro angesetzt und das Gesamtziel liegt bei 500.000 Euro. Der Schwerpunkt des Investments liegt auf einer neuen Softwarelösung, auf der wir einen gesamten Shop-Relaunch aufsetzen. Durch die Erneuerung der Technik ergeben sich eine Vielzahl von Möglichkeiten, Systeme anzubinden, die auch den Kunden einen Mehrwert geben. Der neu gestaltete und technologisch runderneuerte Shop soll dann ab Herbst 2017 das Einkaufserlebnis deutlich verbessern sowie diverse Service-Mehrwerte bieten.
Zudem ist es ein enormer redaktioneller Aufwand, den wir betreiben, um jedes Produkt im Shop ausführlich zu betexten, Hersteller vorzustellen sowie die Recherchearbeit über Produkte und Firmen durchzuführen. Unser Team muss entsprechend mehrsprachig aufgestellt sein und die nötige Expertise besitzen.
Im Video zur Crowdfunding-Kampagne sprichst du von 1,3 Millionen Veganern allein in Deutschland. Im Frühjahr war auf der Biofach in Nürnberg von manchen Ausstellern zu hören, dass der Peak Vegan erst einmal erreicht wäre, dass es derzeit ein Überangebot an veganen Produkten gäbe. Wie schätzt du den Markt in den nächsten Jahren ein?
Miriam Brilla: Ich bin ganz klar der Meinung, dass Veganismus kein Trend ist, sondern eine nötige gesellschaftliche Entwicklung. Wir müssen die Verantwortung für unser Handeln auf dieser Erde übernehmen und sind es zukünftigen Generationen schuldig. Die übermäßige Umweltverschmutzung, der enorme CO2-Ausstoß sowie das unendliche Leid der ausgebeuteten Tiere ist absolut vermeidbar. Für unseren derzeitigen Umgang mit Ressourcen bräuchten wir 2,5 Erden, die wir natürlich nicht haben. Wenn der Fleischkonsum um 50 Prozent weltweit reduziert werden würde, dann würden diese Erde und die vorhandenen Anbauflächen völlig ausreichen, um jeden Menschen vollständig zu ernähren. Keiner müsste Hunger leiden.
Wir haben eine wachsende Anzahl an kranken und älteren Kunden, die eine vegane Ernährung aus gesundheitlichen Gründen verordnet bekommen haben.“ (Miriam Brilla)
Jetzt kommen auch vermehrt die Zivilisationskrankheiten auf, die rein auf die falsche Ernährung und Lebensweise zurückzuführen sind. Wir haben deshalb auch eine wachsende Anzahl an kranken und älteren Kunden, die eine vegane Ernährung aus gesundheitlichen Gründen verordnet bekommen haben. Ich bin mir sicher, dass sich Karnismus und Speziesismus auf Dauer nicht halten werden. Ein Beispiel hierfür ist die in früheren Generationen völlig normale Sklaverei und Rassismus. Diese Praktiken wurden auch abgeschafft, waren damals jedoch völlig „normal“. Durch eine solche Zeit gehen wir im Moment, bzw. die nachfolgende Generation wird größtenteils auch keine Wahl haben. Zum anderen ist es so, dass uns das Internet Einblicke hinter Kulissen verschafft, die große Konzerne nicht mehr verstecken können. So haben wir erst erfahren wie es den Tieren in einer solchen Massentierhaltung ergeht, wie schrecklich Langstreckentransporte sind, wie grausam die Massenschlachtanlagen sind, wie elend es ausgebeuteten Arbeitern in Fabriken und Farmen der 3. Welt ergeht etc. Unwissenheit schützt nicht mehr vor Verantwortung, denn die Informationen sind für jeden zugänglich – man muss nur die Augen aufmachen.
Zum Thema Überangebot: Betreten Sie einfach einen großen Supermarkt und gehen Sie in die Fleisch- oder Milchprodukte-Abteilung. Schauen Sie sich das Angebot an und dann suchen Sie unter all diesem Angebot die veganen Produkte. Diese Aussage ist für mich nicht nachvollziehbar.
Natürlich genügt es nicht einfach irgendein veganes Produkt auf den Markt zu bringen, sondern die Verbraucher achten stärker auf die Qualität, Zutaten und Firmenethik. Das muss sich decken, sonst hat auch ein veganes Produkt langfristig geringe Chancen auf dem Markt.
Ihr seid laut eigener Aussage die größte Online-Handelsplattform für vegane, ethische Produkte. Von wie vielen gelisteten Produkten sprechen wir da genau?
Miriam Brilla: Seit 2013 ist Boutique vegan nun online und hat heute das größte Sortiment an über 4.000 sorgfältig ausgewählten Produkten in Europa zusammengestellt. Wir führen mehr als 350 nachhaltige Marken im Shop, die sich für eine zukunftsorientierte Landwirtschaft einsetzen.
Wir sind überzeugt: Jeder ausgegebene Euro, jeden Tag ist ein aktiver Wahlzettel für die Weltwirtschaft von morgen. Jeder hat die Macht eine grundlegende Veränderung zu schaffen.
Durch unsere ausführlichen Recherchen über Zutaten, Produktqualität und Hersteller-Ethik sparen sich unsere Kunden viel Zeit und Mühe und erhalten ihren Einkauf schnell und CO2-neutral vor die Haustüre geliefert.
Gibt es auch vegane Produkte, die ihr aus ethischen Gründen ablehnt?
Miriam Brilla: Alle Produkte in unserem Sortiment müssen grundsätzlich 100 % vegan bzw. tierversuchsfrei sein. Das ist unser ethisches Grundkriterium. Darüber hinaus jedoch unterscheiden wir zwischen verschiedenen BV-Standards. Das heißt, ob durch die Verarbeitungsmaschinen Spuren von Milch, Ei und anderen Erzeugnissen tierischen Ursprungs im Produkt enthalten sein könnten. Dies muss rechtlich auf dem Etikett vermerkt sein, jedoch nur, weil es sich bei diesen Stoffen um Allergene handelt. Ob z. B. Gelatine zur Klärung oder Würzmittel aus Fleischprodukten eingesetzt wurden, muss der Hersteller nicht kennzeichnen. Hier liegt es an uns, ordentlich über die Hersteller und Herstellungsverfahren zu recherchieren, um dies entsprechend auszuschließen. Zudem nehmen wir keine Produkte auf, die Gentechnik enthalten. Firmen, die wir aus ethischen Gründen ablehnen, möchten wir indirekt durch Tochterunternehmen auch nicht unterstützen, z. B. Nestle, L’Oréal, P&G, Kraft Foods, Monsanto, Fleischkonzerne etc.
Weitere Kriterien sind die Qualität, Geschmack und Zutaten der Produkte. Nur Produkte, die uns überzeugen, kommen ins Sortiment. Diese werden daher alle von uns im Team getestet und beurteilt.
Dadurch haben wir einige Marken auch nicht im Programm, die man in anderen Shops und Supermärkten doch findet. Wir entscheiden im Team grundsätzlich zuerst nach der dahinterstehenden Ethik und schauen dann erst wie es wirtschaftlich für uns umsetzbar ist.
Durch unseren Shop wollen wir Firmen unterstützen, die sich für Umwelt, Tiere und Menschen einsetzen, d. h. auch soziale Projekte fördern, feste Abnahmeverträge mit Bauern schließen, möglichst Bio-Anbau betreiben und fair handeln.
Eure Produkte sind zu 100% vegan, aber nur zu 60 Prozent bio-zertifiziert. Das ist mehr als in den meisten stationären veganen Läden oder Supermärkten. Gibt es vegane Produktkategorien, wo Bio-Standards ein prinzipielles Problem darstellen?
Miriam Brilla: Wir achten auf viele Kriterien, z. B. nachhaltigen Bio-Landbau, fairen Handel mit Rohstoffen, soziales Engagement unserer Hersteller, Ausschluss von Gentechnik und die Qualität der Produkte. Wir prüfen jedes Produkt im Team und entscheiden dann über die Aufnahme in unser Sortiment, denn das Produkt muss auch das halten können was es verspricht – Geschmack, Anwendung und Zutaten.
Gewisse Inhaltsstoffe, die durchaus natürlichen Ursprungs sind oder aber gewisse Eigenschaften mitbringen, jedoch unbedenklich sind, sind auf der Bio-Positiv-Liste nicht gelistet. Auch wenn das Produkt einen hohen Bio-Anteil besitzt, gilt es nicht als Bioprodukt. Wir haben auch einige kleinere Manufakturen im Programm, die schlichtweg auch noch kein Budget für Zertifizierungen haben oder sich eben explizit dagegen entscheiden aufgrund gewisser Tierhaltungs-Vorschriften des Zertifizierungsverbands, mit denen sie nicht einverstanden sind. Diese Marken setzen zwar auch ausschließlich auf Bio-Zutaten, aber wir zählen sie nicht offiziell zu unserem Bio-Sortiment.
Es gibt durchaus ein Produkt, welches wir sehr gerne in Bioqualität anbieten möchten: Das ist eine stabile Schlagcreme, die für Konditoren geeignet ist. Bisher ist es aufgrund der notwendigen besonderen Produkthaptik für die professionelle Torten- und Kuchenherstellung leider noch nicht ganz gelungen, das dafür perfekt geeignete Bio-Produkt zu kreieren. Das bedeutet, dass wir hier noch an eine kleine Grenze stoßen. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass es zukünftig auch dieses Produkt geben wird. Bis dahin halten wir uns an die bereits vorhandene reiche vegane Warenauswahl.
Ihr sitzt als Onlinehändler auf einem Datenschatz und wisst wahrscheinlich mehr über die deutschen und österreichischen veganen Konsumenten als diese selbst. Was ist denn das beliebteste vegane Produkt der Deutschen?
Miriam Brilla: Das Thema vegane Käsealternative steht ganz hoch im Kurs. Hier gibt es mittlerweile einige Produkte, jedoch unterscheiden sich auch hier wieder deutlich Inhaltsstoffe, Herstellung, Hersteller-Ethiken, Produkteigenschaften und natürlich nicht zu vergessen, der Geschmack des Einzelnen. Dies ist durchaus eine Herausforderung, allerdings können wir mit unserem Sortiment alle „Käse“-Anforderungen gut erfüllen – seit dem Launch von Bio Veg auch in Bioqualität.
Besonders beliebt? Vegane Käse-Alternativen!“ (Miriam Brilla, Boutique vegan)
Boutique vegan liefert auch nach Frankreich und Belgien. Sehen die veganen Vorlieben dort anders aus?
Miriam Brilla: Interessant ist durchaus, dass auch hier Käsealternativen ganz hoch im Kurs stehen. Für viele, die sich eventuell auf dem Weg von vegetarisch zu vegan befinden, ist der Käse das Letzte was sie umstellen. Als Verbraucher probiert man in der Regel auch einige Sorten erst aus, bevor man seine persönlichen Favoriten gefunden hat. Dabei kann unser Team ganz gut weiterhelfen, denn wir kennen alle Sorten und können entsprechend passende Empfehlungen geben. Der Bedarf an Beratung ist deutlich zu spüren, denn diesen Service nutzen viele unserer Kunden.
Letzte Frage: Könnte ich als mündiger Fleischfresser auch Geld in die boutique vegan stecken?
Miriam Brilla: Das ist eine gute Frage. Durch die Crowd entsteht keine Direktbeteiligung am Unternehmen, sondern es hat als Mezzanine-Kapital einen Sonderstatus. Mit Sicherheit haben auch Freunde, Bekannte und Fremde in das Crowd-Projekt investiert, die nicht alle Veganer sind. Das ist in Ordnung, denn sie setzen sich dadurch für eine nachhaltigere, sozial verantwortliche und leidfreie Wirtschaft und Landwirtschaft ein. Wie bereits beschrieben, möchten wir auch keine unethischen Firmen indirekt subventionieren, denn dann würden wir unsere Unternehmensvision verfehlen und dafür habe ich Boutique vegan sicherlich nicht gegründet. Im Falle einer Direktbeteiligung gelten diese Prinzipien genauso, d. h. hier würde ich eine Beteiligung eines Fleisch-, Milch- oder sonstigen unethischen Industriekonzerns deutlich ablehnen.
Und hier geht es zum Crowdfunding der Boutique vegan.
Weiterlesen? Immer wieder ist Veganismus Thema bei BIORAMA, etwa im Interview mit Melanie Joy über Bio-Fleisch und Karnismus.