¡Viva el chocolate!

El Ceibo (Der Kapokbaum) ist der Name der ersten bolivianischen Fairtrade-Kakaokooperative. 1977 gegründet agiert diese auf den Grundsätzen des fairen Handels und der biologischen Landwirtschaft – und leistet auf vielen Ebenen einen unersetzlichen Beitrag zur Unterstützung der lokalen Bevölkerung. Biorama traf den ehemaligen Präsidenten der Kooperative, Francisco Reynaga, zum Interview.

 

BIORAMA: Sie sind seit vielen Jahren Mitglied der Kakaokooperative El Ceibo und betreiben auch Ihre eigene Landwirtschaft. Was hat sich für Sie und in Ihrem Umfeld geändert, seit es die Genossenschaft gibt?

Francisco Reynaga: Es hat sehr viele Veränderungen gegeben. El Ceibo ist in all den Jahren zu einer starken Organisation herangewachsen. Und das, obwohl unsere Art zu arbeiten eigentlich eine ständige Herausforderung ist. Doch durch den starken Zusammenhalt haben wir Vieles schaffen können, zum Beispiel den Bau einer eigenen Fabrik. Wir leiten diese Fabrik selbst und die gesamte Kette der Verarbeitung liegt in unserer Hand. Wir konnten auch sonst große Investitionen tätigen und arbeiten mit internationalen Partnern zusammen. Begonnen hat El Ceibo mit zwölf Basiskooperativen, heute sind es 50 und es kommen laufend neue dazu. Daran kann man sehen, wie wichtig die Kooperation geworden ist. Was hat sich für mich persönlich verändert? Auch ich bin durch die Kooperation stärker geworden und habe durch meine Funktion als Präsident viele interessante und aufgeschlossene Menschen auf der ganzen Welt kennenlernen dürfen – sowohl Geschäftspartner als auch Privatpersonen. Und das, obwohl ich nur Spanisch spreche!

Wie kam die Gründung der Genossenschaft zu Stande und wer hat sie damals initiiert?

Die Gründung von El Ceibo geht auf mehrere Personen zurück, die alle eine klare Vision von einer gemeinsam organisierten Zukunft hatten. Vor der Gründung der Kooperative haben im Alto Beni (Anm.: Landkreis im Departamento La Paz) alle für sich selbst gearbeitet. Die gesammelten Kräfte konnten so nicht ausgeschöpft werden. Unsere Vision ist dann von Generation zu Generation weitergegeben worden.

El Ceibo ist mittlerweile seit 25 Jahren Handelspartner der EZA. In der Genossenschaft sind heute rund 1200 Mitgliedsfamilien organisiert. Welche Auflagen müssen diese Mitglieder erfüllen und wie profitieren sie umgekehrt von der Mitgliedschaft in der Kooperative und von der Partnerschaft mit der EZA? 

Eine der Anforderungen an alle Mitglieder ist, sich aktiv einzubringen. Darüberhinaus müssen die Mitglieder Kakao produzieren und über mindestens drei Hektar Land verfügen. Jedes Mitglied sollte ausserdem das Ziel der gemeinsamen Zusammenarbeit unterstützen – oder vielmehr, es verinnerlicht haben. Denn es gibt viele ausgezeichnete Produzenten, die aber mit dem Gemeinschaftsgedanken rein gar nichts anfangen können. Dieser ist aber für El Ceibo sehr, sehr wichtig. Im Gegenzug bekommen die Mitglieder technische Unterstützung und eine ganzheitliche Weiterbildung. Das heißt, sie werden nicht nur in landwirtschaftlichen Aspekten geschult, sondern auch in Bereichen wie der Verwaltung. Ausserdem haben sie die Möglichkeit, sich in diversen Aufgabenfeldern der Kooperation zu betätigen. Mit der Fair Trade Prämie werden alle Mitglieder, die das 55. Lebensjahr erreichen, finanziell unterstützt. Auch im Bereich der Gesundheit kommt die Prämie zum Tragen, denn im Krankheitsfall wird ein bestimmter Anteil an die Mitglieder ausbezahlt. Wenn sie nicht krank werden, wird das Geld gespart und kann im Notfall ausbezahlt werden.

Der in Bolivien angebaute Kakao stammt aus biologischer Landwirtschaft und wird fair gehandelt. Was genau passiert auf dem langen Weg von der Ernte der Kakaobohnen in Südamerika bis zur fertigen Schokolade, die in Europa verkauft wird?

Es gibt Produkte die El Ceibo selbst fix und fertig verarbeitet. Wir verfügen über eine vollständige Produktionskette. Das beginnt bei der Aussaat des Kakaos und geht über die Aufzucht der Pflanzen. Wir legen großen Wert auf eine strikte Qualitätskontrolle und haben dazu auch eine eigene Verarbeitungsanlage aufgebaut, in der unsere Ernte weiterverarbeitet wird. Es gibt Teams bei El Ceibo, die diesen Teil übernehmen und Teams, die sich dann der Vermarktung widmen. Aufgrund klimatischer Veränderungen ist der Ertrag unserer Kakaoplantagen in letzter Zeit etwas zurückgegangen, was uns momentan in die Lage versetzt, dass wir den europäischen Markt nicht mit steigenden Volumina bedienen können. Dazu kommt, dass sich die Situation in Bolivien sehr stark verändert hat. Denn die Nachfrage nach unseren Produkten steigt kontinuierlich. Das hängt auch mit einem gesteigerten Interesse an gesunden und ökologischen Produkten zusammen. Dennoch ist und bleibt der faire Handel mit Europa sehr wichtig für uns. Dadurch, dass der Verkauf generell so gut läuft, konnten wir viele Investitionen tätigen. So haben wir etwa neue Maschinen angeschafft. Damit können und wollen wir auch das Sortiment unserer eigenen Marke erweitern.

Welche Rolle spielt Österreich als Importland? Wieviel Kakao aus Bolivien wird hierher und in andere Länder exportiert?

Andrea Reitinger (Anm.:von der EZA Fairer Handel, die als Übersetzerin anwesend ist): Vielleicht sollte ich auf diese Frage antworten. Die EZA kooperiert ja seit 25 Jahren mit El Ceibo – das heißt seit 25 Jahren bringen wir deren Produkte auf den österreichischen Markt. Das war anfangs nur Kakaopulver. Erst später kam die Idee auf, eine Schokolade aus fairem Handel zu vertreiben. Zunächst wurde die schweizerische Fairtrade-Organisation Claro als Gesamt-Koordinator eingesetzt. In der Schweiz wurde in den 90er Jahren die erste Schokolade des fairen Handels entwickelt und produziert. Die Schokoladen, die wir hier in Österreich anbieten, werden also von Claro in der Schweiz und mittlerweile auch von der GEPA in Deutschland hergestellt. Das heißt, es werden nicht direkt Kakaobohnen nach Österreich importiert, sondern eben die fertigen Schokoladen. Die Herstellung war zu Beginn nicht einfach, und es war viel Experimentierfreude von Nöten. Zum Beispiel setzte der verwendete braune Fair Trade Zucker ganz andere Verarbeitungsschritte voraus, als der weiße Zucker. Diese Mühe hat sich aber gelohnt und die Schokolade wurde sehr erfolgreich. Noch dazu hatte die Geschichte Vorbildwirkung, denn heute ist unsere Schokolade nicht mehr die einzige Fair Trade Gehandelte in Österreich.

Nehmen wir an, ich würde heute in Österreich in ein Geschäft gehen und mir eine EZA Schokolade kaufen, die hier in etwa 2-3 Euro kostet. Wieviel von dem Umsatz kommt direkt den Bauern in Bolivien zu Gute und wer erhält den Rest? 

Andrea Reitinger: Die Kalkulation einer Tafel Schokolade ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Zur Erklärung: eine herkömmmliche Schokolade ist ein Produkt, das aus den verschiedensten Zutaten besteht. Kakaomasse, Kakaobutter, Zucker, oft Milchpulver und je nach Sorte verschiedene Früchte, Nüsse etc. Bei der Fairtrade Schokolade gibt es die klare Regel: Alles, was aus fairem Handel verfügbar ist, muss aus fairem Handel in die Schokolade rein. Von El Ceibo kommen die Kakaobohnen und als Halbfertigfabrikat die Kakaobutter. Der Zucker kommt dann etwa aus Costa Rica und zu Schokolade verarbeitet wird dann alles z.B. in einem Werk in der Schweiz. Das heißt die Transport- und Verarbeitungskosten müssen bezahlt werden, die verschiedenen Zutaten schlagen zu Buche, ebenso wie die Marge für den Verarbeiter, eine Marge für den Groß- und Einzelhandel und der österreichische Staat verdient über die Mehrwertsteuer. Es gibt also sehr viele Posten, die zu berücksichtigen sind. Es ist nicht so, dass ich keine genauen Zahlen nennen will – der Erlös der Kakaobauern liegt bei etwa 10 bis 15% – aber die gesamte Kalkulation ist bei einem aus verschiedenen Zutaten zusammengesetzen und in Europa endverarbeiteten Produkt von weitaus mehr Faktoren abhängig als bei Produkten, die nur aus einem Rohstoff bestehen oder auch direkt vor Ort endverarbeitet werden. Man muss auch vorsichtig sein, weil an dieser Stelle viele Leute sagen: das ist ja total wenig! Und wir dachten, es ist ein fair gehandeltes Produkt! Doch solche Zahlen können auch viel verkürzen. Relevant ist: Wie sehen die Bauern selbst den Preis, den sie bekommen? Und welche Vorteile sehen sie darüber hinaus im Fairen Handel? Hier fällt die Antwort nach meiner Erfahrung immer positiv aus.

Wie sieht es heute mit der sozialen Situation der Kleinbauern aus?

Francisco Reynaga: Einer der größten Vorteile ist, dass unsere Mitglieder einen sicheren Markt haben. Bildung und Ausbildung haben bei uns einen sehr hohen Stellenwert und zwar über alle Altersgruppen hinweg. Die junge Generation bekommt durch die Kooperative erstmals die Möglichkeit, zu studieren. Im Anschluss können sie wieder Funktionen innerhalb unserer Kooperation übernehmen. Diese gut ausgebildeten Leute sind für uns unersetzlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Aus uns selbst heraus zu wachsen, ist für uns zentral.

Weil Sie gerade von einem „sicheren Markt“ gesprochen haben: Die Preise für Kakao am Weltmarkt schwanken ja sehr stark. Was hat das für Auswirkungen auf die Kooperative?

Diese starken Schwankungen sind natürlich negativ für die Kooperative. Wir haben aber eine Lösung gefunden, wie wir unsere Mitglieder immer über dem Börsenpreis bezahlen können. Das bedeutet für uns als Kooperative zwar auch, dass wir manchmal weniger Geld zur Verfügung haben, aber es zahlt sich aus. Wir legen Preise für bestimmte Zeiträume fest, und zwar in Anlehnung an den gerade aktuellen Börsenpreis. Diese gelten dann für die kommenden sechs Monate. Wenn die Preisschwankungen in diesen sechs Monaten besonders gravierend sind, muss die Kooperative eine Preisanpassung vornehmen. Manchmal bieten Zwischenhändler vor Ort den Bauern auch bessere Preise, als die Kooperative das kann. Diese Zwischenhändler zahlen vielleicht mehr, schauen aber nicht auf die Qualität. Das kann zu Problemen führen, weil solche Angebote für manche Kleinbauern sehr verführerisch sind, was sie auch am Sinn der Kooperative zweifeln lässt.

Ein wichtiges Ziel der Kooperative ist neben der sozialen und wirtschaftlichen Unterstützung der Mitglieder der nachhaltige und umweltfreundliche Umgang mit Ressourcen. Wie wird dieses Ziel verfolgt und werden die Bauernfamilien dabei von der Kooperative unterstützt?

Das stimmt, Umweltschutz ist ein wichtiges Thema für uns und wir haben bei El Ceibo auch eine eigene Abteilung dafür. Deren Aufgabe ist vor allem die Weiterbildung der Mitglieder in Umweltfragen. So gibt es etwa spezielle Kurse. Die Kooperative arbeitet auch mit staatlichen Organisationen zusammen, um dieses Thema weiter zu unterstützen. Ein wichtiger Aspekt ist in jedem Fall die nachhaltige Bewirtschaftung der Flächen. Wir haben über die Zeit viele landwirtschafltiche Methoden ausprobiert und es hat sich herausgestellt, dass die organische Landwirtschaft für uns am passendsten ist. Das hat nichts mit den Preisen zu tun, die wir dafür bezahlt bekommen. Sondern wir wollen ganz einfach auch den künftigen Generationen eine gute Umwelt hinterlassen.

2012 ist das internationale Jahr der Genossenschaften, die  – wie man am Beispiel von El Ceibo sehen kann – sehr viel dazu beitragen können, die soziale und wirtschaftliche Situation der Menschen zu verbessern. Welche Ziele hat sich die Kooperative für die Zukunft gesetzt?

Für den August planen wir ein großes Kakaofestival in Bolivien. Ansonsten hat das internationale Jahr der Genossenschaften keine direkte Auswirkung auf uns. Wir würden uns allerdings wünschen, dass wir im Zuge dieses Jahres für unsere Arbeit auch international Anerkennung bekommen würden. Ich wäre auch bereit, eine Präsentation vor der UNO zu halten! Denn nicht zuletzt von dieser Anerkennung und Wertschätzung leben ja auch unserer Mitglieder. Ich habe in meinem Leben viele Organisationen kennengelernt, aber keine funktioniert so, wie El Ceibo.

Dolmetscherinnen: Andrea Reitinger und Carmen Hobitsch.

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