Gestern, heute, »Bock auf Morgen«
Manuel Pick, Nachhaltigkeitsberater aus Sachsen, über das Berliner »Bock auf-Morgen«-Festival BAM. Ein Gastbeitrag
Als Transformations-Berater in der Biolebensmittelwirtschaft in Deutschland ist das Leben gerade wenig freudvoll. Denn der aktuell vorrangige Arbeitsmodus ist: Krisenmodus. Und Krise bedeutet unter anderem, mit KundInnen handfeste – im Sinne von massive – wirtschaftliche und organisatorische Fragen zu bearbeiten. Auch die Aussichten ins kommende Jahr sind eher knifflig. Spaß ist gerade anders, Ende nicht in Sicht.
Um so erfrischender war mein Kurzeitausbruch aus der Bio-Bubble beim Besuch des »BAM-Bock auf-Morgen-Festivals« in Berlin. In wunderbarer Veranstaltungslocation, direkt an der Spree, Nähe Ostbahnhof, trafen sich Ende November ca. 450 WerberInnen. Zugegeben, nicht irgendwelche Werber, sondern der kleine Teil der Absatzförderungswirtschaft, der vom Thema Nachhaltigkeit infiziert ist und der erlebbar »Bock auf Morgen« hat. Ziel des Treffens: kritischer (und vor allem selbst-kritischer Dialog mit Branche, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Etwas, das ich in meiner Bubble schmerzlich vermisse.
Best Practices ließ »BAM« im Rahmen des »Marketing for Future Awards« am Abend des ersten Veranstaltungstages glänzen. Gelungene Kommunikationsbeispiele gelungener Geschäftsmodelle erhielten eine wunderbare Maneki-neko (japnische Winke-Katze) in Bronze, Silber oder Gold. Die »Katze Bullshit« (genial kreative Umsetzung der Kritik von Luisa Neubauer an massivem Greenwashing auf dem OMR (Online Marketing Rockstars) unter dem Titel »Cut the Bullshit«) wurde, auch das ziemlich originell und clever, in verschiedenen Kategorien verliehen. Sustainable Natives werden von der Jury aus Kreativen, WissenschaftlerInnen und Unternehmens-Marketeeren anders herausgefordert als »Sustainable Immigrants«. Unfair, verschiedene Maßstäbe anzulegen? Nein, überhaupt nicht. Eher sinnvoll und sportlich gedacht.
Da hatte sich vor vier Jahren offensichtlich ein kleiner Kern von Menschen aufgemacht, die eigene Profession zu hinterfragen und vor der Schablone Zukunftsfähigkeit auszuleuchten, wie denn Marktkommunikation in Zukunft gehen kann und soll? Menschen, die aus ihrer Profession heraus das Gefühl teilen: »So wie wir es jetzt machen, kann es irgendwie nicht weitergehen.« Menschen, die sich Fragen stellen: Wie sieht es aus, wenn WerberInnen ihre Aufgabe nicht in erster Linie darin verstehen »Scheiße in Gold zu verpacken, um mehr davon zu verkaufen…« wie BAM-Mitveranstalter Jan Pechmann in einem Panel pointierte, sondern nachhaltige Geschäftsmodelle, Dienstleitungen und Produkte so in die Welt zu vermitteln, dass ihre Vorzüglichkeit klar wird. Wie macht man Lust auf Konsumalternativen. Wie wird Werbung – aktuell vor allem beim Thema Greenwashing Teil und Treiber des Problems – zum Teil der Lösung?
Im vierten Jahr hat sich die Diskussionsrunde deutlich erweitert und sich ein Festival als Rahmen gegeben. Eine gute Entscheidung, weil Festival eben ernsthaft und freudvoll kann. Eine angemessene Plattform für ein proppevolles, hochkarätiges Programm mit ausgezeichneten Impulsen von tollen Speakerinnen und Speakern. Angst vor kniffligen Themen? Fehlanzeige! Auch das so wunderbar anders als die gewohnte Konfliktvermeidung der Biowirtschaft.
Was mich beeindruckt hat, war die Leichtigkeit, mit der offene Zukunftsfragen, auch und vor allem zum eigenen Geschäftsmodell, mit der notwendigen Offenheit bedacht, diskutiert, bearbeitet wurden. Ich bin aus der Biowirtschaft eher pietistische Strenge gewohnt. Und vielleicht war hier mein größtes Geschenk. Die Klarheit mit der sichtbar wird, dass Zukunft aus Mut und mit Spaß gemacht wird. Und ja, auch die WerberInnen haben es schwer, in Weniger, in »Adieu Absatzsteigerung« zu denken. Auch WerberInnen wissen nicht, wie »anderes Werben« in einer Gesellschaft die Haben vor Sein lebt, am Ende aussieht und auch sie sind erst mal den vermaledeiten Rahmenbedingungen ausgesetzt, die das Entdecken zukunftstauglicher Lösungen erschweren. Das sind wir alle und diese Rahmenbedingungen müssen wir abschaffen. Was ich aus Berlin mitgenommen habe, ist, dass es tatsächlich so viel mehr um Narrativ und Haltung geht, als um technische Innovation. Die Größe der Herausforderung ist erst mal eine Herausforderung an unsere Gestaltungsmacht. Und die speist sich aus Zuversicht und dem Wissen, dass uns Zukunft nicht widerfährt, sondern dass wir sie in der Hand halten und mit jeder Entscheidung im Jetzt verändern.
Und dazu brauchen wir maximale Power, brauchen gute Laune. Gut gelaunt zu sein und zu bleiben ist gerade die Herausforderung in meiner natürlichen Arbeitsumgebung, der Biolebensmittelwirtschaft. Gut gelaunt bleiben heißt Kraft haben, heißt angesichts der Größe der Aufgabe nicht zu verzweifeln, mutig zu sein, kompromisslos zusammenzubleiben und zu verstehen, dass es um einen radikalen und kraftvollen Systemwechsel in der Alltagsversorgung geht. In Bio gibt’s da gerade wenig Ladestationen. Auch deshalb war der Ausflug in die WerberInnenwelt ein Erfolg. Weil es gut ist zu erleben, dass es viele gibt, die sich das Spinnen von einer anderen, besseren Welt erlauben. Zu lernen und zu erleben, dass Bio ein Teil ist, und dass schlaue Köpfe an anderen Enden der Transformation (und sogar im Kern des Bösen, mitten in der Werbewelt) schrauben und die klar haben, dass es darum geht, alle Hebel zu nutzen.
Gut gelaunt bleiben heißt Kraft haben, heißt angesichts der Größe der Aufgabe nicht zu verzweifeln, mutig zu sein, kompromisslos zusammenzubleiben und zu verstehen, dass es um einen radikalen und kraftvollen Systemwechsel in der Alltagsversorgung geht.
– Manuel Pick
Nach den Eindrücken von der Spree wenig verwunderlich die klare Empfehlung: Wer Bock auf lustvolle Nachhaltigkeits-Denke rund ums Thema Kommunikation hat, wer Bock auf Inspiration, Esprit und gute Laune hat, wer lebendig mitdiskutieren und trotz Spaß Tiefgang erleben will, der sollte sich unbedingt den 25. und 26. September 2024 vormerken und seinen Besuch beim »BAM – Bock-auf-Morgen-Festival 2024« planen. Denn Kommunikation ist ein zentraler Erfolgsschlüssel auf der Suche nach MitstreiterInnen und bei der Bildung einer ökologischen Klasse. Und ohne die wird es transformatorisch eng.
Manuel Pick lebt und arbeitet seit Jahrzehnten mit und in der Biolebensmittelbranche, u.a. bis 2018 als Geschäftsführer der Bohlsener Mühle. Er ist Betriebswirt, arbeitet von Sachsen aus als Berater und verfasst regelmäßig Kolumnen für die Zeitschrift »Biohandel«.