Biomoritz

Wo ein Wille, da Bio.

Tische im Biomoritz in Hohenems.
80 Plätze drinnen, im Sommer 80 Plätze draußen: Das »Biomoritz« in der Altstadt von Hohenems begeistert mit sachte variierten Klassikern und Biozutaten, die zum allergrößten Teil aus Vorarlberg stammen. Bild: Biorama, Thomas Weber.

In den gemütlichen Räumlichkeiten des »Biomoritz« in Hohenems wird der Platz in der Küche knapp.
Dass aus dem »Moritz« ein Biomoritz werden würde, war für Stefanie Brugger von Anfang an klar; seit sie und ihr Mann Marc zum ersten Mal gemeinsam darüber nachdachten, ein Restaurant zu eröffnen. »Wir sind beide QuereinsteigerInnen und kommen aus der Kommunikationsbranche und dem Sportsponsoring«, sagt sie. In der Arbeit mit AuftraggeberInnen sei Nachhaltigkeit immer wichtiger geworden  und Bio in der Verpflegung immer häufiger nachgefragt worden. Nur Angebot habe es keines gegeben, erinnert sich die Marketingexpertin: »Also war klar, dass wir selbst was tun müssen, weil da sonst nix weitergeht bei Bio.«Beim Nachdenken über den idealen Standort stand plötzlich die alte »israelitische Schule« in Hohenems im Gespräch, seit 15 Jahren auch als »Moritz« bekannt. Obwohl von der Eigentümerin, der Stadt, liebevoll restauriert, wechselten  in dem Lokal immer wieder die PächterInnen. Als Sorgenkind der Altstadt stand es zum damaligen Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren leer. »Mein Mann ist aus Hohenems und wir haben abends den Bürgermeister angerufen, der gleich meinte: ›Klar, könnt ihr haben!‹«
Heute betreiben sie das Lokal als Dreiergespann, »der Küchenchef, mein Mann und ich«.
Der Name Moritz beziehungsweise »Biomoritz« bezieht sich auf den Lehrer Moritz Federmann (1840–1916), der hier als Wohltäter in Erinnerung geblieben ist. Gleich nach dem Eintritt ins Lokal, beim gemütlichen Barbereich, klärt an der Wand eine Aufschrift über das geschichtsträchtige Gebäude auf: »Bis 1913 haben in dieser Schule Generationen von jüdischen Hohenemsern  eine hervorragende Ausbildung genossen, dank des Engagements von Lehrern  wie Moritz Federmann. Manche der ehemaligen Schüler mussten Hohenems als Flüchtlinge verlassen, oder sie wurden im Holocaust ermordet.« Der festliche Mehrzwecksaal des Gebäudes, den die Restaurantcrew vermietet und wo auch Kabarettabende veranstaltet werden, heißt in seinem Andenken »Federmannsaal«. Zwar gab es in Hohenems schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg keine jüdische Community mehr. Wie prägend die jüdische Geschichte für die Stadt war, wird aber auch nebenan, im weithin bekannten Jüdischen Museum aufgearbeitet. Kulinarisch hat sie aber keine Spuren hinterlassen. »Es gibt hier keine jüdische Kochtradition«, sagt Stefanie Brugger. »Einer der Pächter hat es in der Vergangenheit mit jüdischen Gerichten versucht, aber das wurde nicht wirklich angenommen.«

Schlachtpartie und Süßkartoffel

Das Konzept des Dreiergespanns arbeitet mit wöchentlich wechselnden, überschaubar gehaltenen Karten und sieht nicht nur 100 Prozent Bio vor, sondern auch Frischware und Fleisch ausschließlich aus Vorarlberg. Naturgemäß hat damit auch Saisonalität einen hohen Stellenwert. Beim Besuch gibt es zur Vorspeise eine deftige Hokkaidoschaumsuppe mit Apfel und Kernöl und fruchtig mariniertem Saisonsalat (mit süß-sauer eingelegtem Kürbis, Roter Rübe und Blattsalat). Als Hauptgang zur Auswahl stehen ein luftiges Brotsoufflé mit Edelpilzragout, Kräutern und Chili-Feta aus dem Bregenzerwald, ein Indischer Linsen-Dal mit Süßkartoffeln und Pfannenbrot, ein saftig gebratenes Pfeffersteak vom Schwein mit Nuss-Spätzle und Gemüse sowie zwei Klassiker: Tafelspitz (vom Rind mit Rahmwirsing, Bouillonkartoffel Gemüse und frischem Apfelkren von herrlicher Konsistenz) sowie Schweinsschnitzel (nach Wiener Art mit Salzkartoffeln oder Salat, dazu Preiselbeeren). Auf Postern angekündigt wird außerdem – Voranmeldung empfohlen – eine dreitägige »Bio-Schlachtpartie« mit Schweinsbraten, Blut- und Leberwurst (»und mehr«). »Wir verarbeiten, auch aus Kostengründen, meist halbe Tiere, da gibt’s nicht nur Filets«, sagt Stefanie Brugger. »Deshalb gibt es bei uns auch immer wieder Speisen, die in der Gastronomie sonst nur noch selten zu finden sind: gebackene Leber zum Beispiel, aber auch viele klassische Vorarlberger Gerichte.« Schwer regional aus Vorarlberg in Bioqualität zu bekommen seien nur Beeren und Früchte; abgesehen von exotischen Gewürzen oder Schokolade für Desserts natürlich.

Beliefert »Biomoritz« bald Schulen?

Das Know-how von Küchenchef Roland König möchte man nicht nur in der Küche des »Biomoritz« nutzen. König koordinierte bis vor Kurzem beim größten Vorarlberger Catering-Unternehmen Großevents, organisierte und bewerkstelligte beispielsweise die Verpflegung für das »Österreicherhaus« von drei Olympischen Spielen (»In Rio haben wir an 16 Tagen 75.000 Essen gekocht.«). Das Dreierteam möchte die Gemeinschaftsverpflegung für die Kindergärten und Schulen der Stadt übernehmen. »Es gibt diesbezüglich bereits sehr gute Gespräche mit der Stadt«, sagt Brugger. Auch die Bereitschaft und das Budget für 100 Prozent Bio sei vorhanden. Was noch fehlt: eine geräumige Küche, in der werktäglich Hunderte Essen zubereitet werden können. Dafür ist die alte »israelitische Schule« einfach zu eng. Doch wo Wille, Budget und ein guter Draht zum Bürgermeister vorhanden sind, ist man zuversichtlich, da werden sich auch geeignete Räumlichkeiten zum Kochen finden lassen.

Mehr Biogastronomie-Empfehlungen gibt es hier.

BIORAMA BIOKÜCHE #4

Dieser Artikel ist im BIORAMA BIOKÜCHE #4 erschienen

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