Shitstorm überm Kräuterbeet
Am Thema Bio scheiden sich noch immer die Geister. Was für die einen ein sinnvoller Beitrag zu Nahrungssicherheit und Nachhaltigkeit ist, bleibt für andere überflüssig und reine Abzocke. Was können Bio-Produzenten und Vermarkter tun, wenn ein Shit-Storm von Bio-Kritikern über Sie herein bricht? „Ja! Natürlich“ und der Saatgut-Lieferant „Samen Maier“ mussten die Erfahrung kürzlich machen.
Wer nah an Kundinnen und Kunden sein möchte, der muss ins Netz. Social Media gehört heute zur modernen Unternehmenskommunikation. Doch einige Unternehmen, die bei Facebook, Twitter und Co präsent und erreichbar für ihre Kundinnen und Kunden sind, haben inzwischen die Erfahrung gemacht, dass die als Werbetools angepriesenen sozialen Netzwerke auch als digitaler Watschenbaum entpuppen können. Ein digitaler Shitstorm muss dabei nicht immer gerechtfertigt sein.
Auf der Facebook-Seite der Supermarktkette Billa brach in der vergangen Woche ein Sturm der Entrüstung über das Unternehmen herein. Eine Kundin hatte zwei Sorten Saatgut miteinander verglichen: beide Produkte wurden bei der Firma Samen Maier GmbH im oberösterreichischen Taiskirchen verpackt, beide enthielten Petersiliensaat vom Typ „Einfache Schnitt 3“. Das eine Produkt allerdings enthielt Ja! Natürlich-Bio-Saatgut und kostete 2,99 Euro, während das andere konventionelle Petersiliensaat enthielt und 0,49 Euro kostete. Die Kundin ging davon aus, dass Petersilien-Samen gleichen Typs und vom selben Samen-Händler auch zwangsläufig exakt identisch sein müssen, und postete auf der Facebook-Seite von Billa ein Foto beider Saatgut-Produkte mit dem Kommentar: „Hier sieht man wieder, dass der Kunde genau hinschauen muss, um zu entdecken, dass Ja! Natürlich eine Verarschung sondergleichen ist!“ Die Facebook-Userin möchte dazu inzwischen nichts mehr sagen und hat ihr Posting von den Facebook-Seiten gelöscht.
Binnen kurzer Zeit wurde das Posting hundertfach geliket, geteilt und kommentiert. Ein Shitstorm zog herauf, und Ulli Cecerle-Uitz war froh, ihren Sonntag zufällig zuhause zu verbringen. Denn von der Social Media Managerin bei Ja! Natürlich war plötzlich schnelles Handeln verlangt. Mit aufgeregten Kommentaren aus dem Internet ist sie nach zwei Jahren im Bereich Social Media vertraut: „Diese Aufgeregtheit ist wohl ein Internetphänomen. Da wird eine richtige Dynamik in Gang gesetzt, oft geht es nicht um den Inhalt, sondern um öffentliches Bashing.“ Auf Dutzende Postings aufgebrachter Facebook-User ging Sie stellvertretend für Ja! Natürlich persönlich ein, auch wenn der Ton einiger User alles andere als gemäßigt blieb. „Missverständnisse entstanden durch Unwissenheit über die grundlegendsten Bio-Eigenschaften“, resümiert Cecerle-Uitz. Manche User richteten teilweise pauschal aggressive Beschimpfungen an Ja! Natürlich und Bio im Allgemeinen. Sie hat das Gefühl, dass sich der Tonfall im Social Web verändert hat, die Leute aggressiver kommunizieren und sich im Zweifelsfall dann doch hinter der Anonymität des Netzes verstecken. Den digitalen Sturm unkommentiert vorüberziehen lassen, kam für Ja! Natürlich nicht in Frage, auch wenn User kommentierten, das Unternehmen habe sicher etwas zu verbergen, man würde doch sonst schließlich nicht auf solche Kritik eingehen.
Transparenz gegen öffentliche Verurteilung
Es wurde eine Klarstellung veröffentlicht und zusätzliche Informationen vom Saatgut-Lieferanten aus Oberösterreich eingeholt. Mit der Firma Samen Maier in Taiskirchen war man sich schnell einig, dass möglichst große Transparenz der beste Weg sei, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Das Unternehmen bot zwei öffentliche Betriebsbesichtigungen an , um zu zeigen, dass in den Saatgut-Packungen mit Bio-Siegel durchaus anderer Inhalt steckt, als in jenen ohne Bio-Siegel. „Die Leute sind extrem sensibilisiert für Lebensmittelskandale. Da kann nur Aufklärung helfen, Vertrauen bei Kundinnen und Kunden zu schaffen,“ ist Johannes Huber überzeugt, der die Firma gemeinsam mit seinem Vater Johann leitet.
Obwohl sich im Internet Hunderte über das Saatgut von Samen Maier aufgeregt hatten war das Interesse für die Besichtigungstermine gering. Dabei ließ sich im in dem Klimabündnis-Betrieb einiges über die Bioproduktion erfahren.
Bio bedeutet Mehraufwand
Vor allem wurde deutlich, welchen finanziellen Mehraufwand die Produktion von Bio-Saatgut verursacht. Das liegt zum einen auch daran, dass die Erträge in der Bio-Saatguterzeugung nicht vergleichbar mit konventioneller Produktion sind. Johannes Huber machte bei der Führung durch seinen Betrieb deutlich, dass das natürliche Anbaurisiko in der Bioproduktion erheblich größer ist: „Der Biobereich ist regional und deshalb viel stärker abhängig vom Wetter.“ Die Firma Maier setzt bei der Versorgung mit Biosaatgut auf Direktverträge mit den Erzeugern. „Dabei brauchen wir 100 prozentige Sicherheit. Wir müssen die Bauern kennen“, bedeutet das ganz praktisch. Johann Huber hat in den letzten Monaten verschiedenste Bio-Angebote erhalten und weiß, „es gäbe Bioware auch anonym am Markt. Aber die nehmen wir nicht.“ Für den mittelständischen Saatgut-Handel bedeutet der Einstieg ins Bio-Geschäft auch baulich einige Neuerungen. So entstanden auf dem Firmengelände Räumlichkeiten, die vollständig der Verpackung und Lagerung der Bio-Saatgut-Linien vorbehalten sind, und in denen erhöhte Hygienestandards herrschen, um sicherzugehen, dass konventionelles Saatgut und Bio-Samen nicht miteinander vermischt werden. Die dadurch entstehenden Kosten schlagen sich ebenfalls im Preis nieder.
Ein weiterer Kostenfaktor beim Thema Bio ist die Qualitätssicherung. Ein Bio-Label allein macht die Bio-Qualität nicht aus. Laufend muss die Einhaltung der Bio-Kriterien überprüft werden – und auch das kostet Geld.
Für Endverbraucherinnen und -Verbraucher wird der Aufwand, der hinter Bio steckt, häufig nicht deutlich, wenn sie sich mit dem Thema nicht eingehend beschäftigt haben. Das ging auch Johann und Johannes Huber anfänglich nicht anders. „Und auch die Bauern müssen Bio erst lernen“, berichten sie aus ihren Erfahrungen.
Ein Umschalten auf reine Bio-Produktion ist daher für viele Betriebe schwierig. So auch für Samen Maier.
Dass die Existenz zwei verschiedener Produktlinien Verwirrung stiftet, kann man bei Samen Maier inzwischen allerdings nachvollziehen. Auch dass die Unternehmens-Homepage keine Information darüber liefert, dass parallel konventionelles und Bio-Saatgut angeboten werden, räumt Johann Huber ein: „Unsere Zukunft sehen wir komplett im Biobereich. Unsere Homepage ist da vielleicht ein bisschen irreführend, weil dort haben wir nur noch unsere Biolinie drauf. Genau da wollen wir nämlich hin.“
Wer Kritik an Unternehmen übt, der wird dafür von Teilen der Social Media Gemeinde meist gefeiert. Wenn ein Shitstorm im Netz erst einmal losgetreten ist, dann lässt er sich mit den üblichen Mitteln der Unternehmenskommunikation kaum aufhalten. Und das gilt auch in Fällen, bei denen Kritik unbegründet oder überzogen ist. Wenn jeder Kritik nach Lust und Laune verbreiten kann, dann sind davon nicht zwangsläufig nur Schwarze Schafe betroffen, und nicht jede öffentliche Kritik an einem Unternehmen ist ein Beitrag zum Konsumentenschutz. Verleumdung, Rufschädigung, das alles geht im Internet schnell und meist ohne Konsequenzen für solche, die Fehlinformationen posten. „Bei Social Media hat sich die Unart der Vorverurteilung eingeschlichen, und das ist nicht fair“, findet Ulli Cecerle-Uitz. Obwohl sie Social Media für eine sinnvolle Sache hält, sieht sie auch die großen Vorzüge ganz klassischer Kommunikationskanäle, wenn es um Fragen von Kundinnen und Kunden geht: „Die Dame hätte auch einfach mal anrufen können, um sich zu informieren.“
Der Versuch, die Wogen des Internets ein wenig zu glätten, fand nur wenig Interesse. Das findet man bei Ja! Natürlich und Samen Maier schade. Für Interessierte gab es bei der Betriebsführung in Taiskirchen einen interessanten Einblick in die Bio-Produktion. So manche Skepsis hätte hier vermutlich überwunden werden können. So manches impulsive Internet-Posting wäre vielleicht nachträglich gelöscht worden.