Bio-Musterregionen: Ein Bundesland hilft beim Netzwerken

In Baden-Württemberg gibt es viele Förderungen rund ums Thema Bio. Die, die profitieren könnten, wissen davon mitunter jedoch gar nicht. Mit den Bio-Musterregionen hat das Land ein Programm eingeführt, das über Fördermöglichkeiten aufklärt und beim Netzwerken hilft.

Der Markt in Freiburg. Bild: Achim Mende.

Vor einem Jahr hat Baden-Württemberg die ersten vier Bio-Musterregionen eingeführt. Seit Jänner 2019 sind es insgesamt neun. Diese Regionen erhalten ein spezielles Regionalmanagement, das die Akteure in der biologischen Lebensmittelproduktion miteinander verbinden soll und ihnen dabei hilft, Förderungen für ihre Projekte zu bekommen. Das Regionalmanagement vernetzt landwirtschaftliche Betriebe, Projekte und Unternehmen miteinander, um eine größere Nachfrage – und schlussendlich auch ein größeres Angebot – für regionale Bioprodukte zu schaffen. 

Um eine Bio-Musterregion zu werden, müssen sich die Regionen bewerben. In den Konzepten, die dazu eingereicht werden, beschreiben sie die Projekte, die sie als Bio-Musterregion umsetzen wollen. Weil sich die Regionen in ihrer Landschaft und ihrer landwirtschaftlichen Produktion unterscheiden, entsteht eine große Vielfalt an Projekten und Maßnahmen. 

Antonia Bosse ist im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg für den Austausch zwischen den Regionen und mit ähnlichen Initiativen aus anderen Bundesländern verantwortlich. Sie erzählt, wie das Fördermodell Bio-Musterregionen funktioniert. 

BIORAMA: Was hat eine Region davon, Bio-Musterregion zu werden? 

Antonia Bosse: In den Bio-Musterregionen wird die ökologische Landwirtschaft entlang von regionalen Wertschöpfungsketten gestärkt. Dort fördert das Land ein Regionalmanagement, das die vorhandenen Strukturen von der Landwirtschaft über die handwerkliche Verarbeitung bis zur verbrauchernahen Vermarktung und der Außer-Haus-Verpflegung in den Regionen miteinander vernetzt und so stärkt. Gemeinsam entwickeln die Akteure vor Ort Ideen und initiieren Projekte und Kooperation für mehr regionale Bio-Landwirtschaft. So profitieren die regionale Landwirtschaft, die dort ansässigen Unternehmen und die Verbraucherinnen und Verbraucher – und letztlich auch der Umwelt- und Ressourcenschutz. 

Credit: CC BY-SA 2.0. Bild: Thomas Morgenroth/Flickr.

BIORAMA: Gibt es Gegenden in Baden-Württemberg, die sich nicht dafür eigenen, eine Bio-Musterregion zu werden? Was zeichnet eine Bio-Musterregion aus? 

Antonia Bosse: Die jetzt neun Bio-Musterregionen weisen eine große Vielfalt auf. Es gibt eine große Diversität an vorhandenen Landschaftsräumen, demographischen Gegebenheiten, landwirtschaftlicher Produktion und an Strukturen. In den Bio-Musterregionen werden Aktivitäten in partizipativen Prozessen gemeinsam mit den Menschen und Unternehmen vor Ort entwickelt und umgesetzt. Und genau dafür stehen die Bio-Musterregionen dann auch: motivierte Menschen und engagierte Unternehmen vor Ort, die gemeinsam die mit dem Öko-Sektor verbundenen Potenziale nutzen wollen. Uns ist bekannt, dass sich Regionen nach intensiver Abwägung bewusst auch entschieden haben, sich nicht zu bewerben. Auch das ist okay. 

BIORAMA: Welche Kooperationen gibt es, die über Baden-Württemberg hinausgehen? 

Antonia Bosse: Bayern und Hessen sind schon früher in die Thematik gestartet. Damit liegen dort schon mehr Erfahrungen aus der Umsetzung vor. Der Bund bietet für die Akteure Veranstaltungen zur Vernetzung über Ländergrenzen hinweg an. Ganz im Süden gibt es zum Beispiel einen direkten Austausch zwischen den Regionen in Bayern und Baden-Württemberg. Aktuell planen wir für den Herbst 2019 eine Vernetzungsveranstaltung für Baden-Württemberg, zu der wir die Kolleginnen und Kollegen aus Bayern und Hessen zum Netzwerken mit einladen werden. 

BIORAMA: Mehr Bio-Lebensmittel aus der Region in Mensen und Kantinen, die Erzeugung von Bio-Ferkeln und mehr Bio-Streuobst – so lauten einige der Zielsetzungen in den Einreichungen der Regionen. Welche konkreten Maßnahmen werden in den Bio-Musterregionen getroffen? 

Antonia Bosse: In den Bewerbungskonzepten sind oft viele relevante Themen und Projektideen beschrieben, welche in einem ersten Schritt analysiert und auch priorisiert werden. Diese Beispiele sind Themenbereiche, in denen die Regionen aktiv werden wollen oder bereits aktiv sind. Konkrete Maßnahmen beziehen sich dann darauf, wiein diesen Themenbereichen Lösungen aussehen können. Um hierfür Antworten zu finden, werden die Beteiligten einer Region miteinander in Kontakt gebracht. 

Ein konkretes Beispiel für eine Kooperation, die sich aus einem ersten Treffen ergeben hat, ist die Zusammenarbeit zwischen einer Erzeugergemeinschaft und einer regionalen Familienbrauerei. Ab sofort braut diese ihre Biobiere zu 100 Prozent aus Biobraugerste aus dieser Bio-Musterregion. 

Bild: Dr. Walter Hartmann, Filderstadt.

BIORAMA: Setzt das Projekt »Bio-Musterregionen Baden-Württemberg« auch auf finanzielle Anreize für LandwirtInnen und für Betriebe wie Gastronomieunternehmen? 

Antonia Bosse: Ganz bewusst wollen wir, dass vorhandene Förderinstrumente in der Landwirtschaft und im nachgelagerten Bereich genutzt werden. Es gibt in Deutschland und Baden-Württemberg ein breites Förderinstrumentarium, das auf verschiedenen Ebenen unterstützen kann. Hier muss nichts neu erfunden, sondern das Vorhandene eingebunden werden. Die Aufgabe des Regionalmanagements ist es, auf diese Instrumente zu verweisen und bei Bedarf die jeweiligen Ansprechpartner für die Förderinstrumente zu vermitteln. 

BIORAMA: Gibt es konkrete gesetzliche Veränderungen – zum Beispiel eine gesetzlich festgelegte Quote für regionale Biolebensmittel in Mensen und Kantinen? 

Antonia Bosse: Bei der Entwicklung im Öko-Sektor setzt Baden-Württemberg auf eine marktorientierte Entwicklung. Letztlich entscheiden die Unternehmen, mit welchen Strategien sie sich entwickeln wollen – und die Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden, welche Produkte sie nachfragen. Das Land kann dabei – mit begrenzten Möglichkeiten – unterstützen. So gibt es zum Beispiel aktuell folgende Empfehlung in der Beschaffungsrichtlinie des Landes: Es wird empfohlen, bei der Beschaffung von Lebensmitteln und Speisen unterhalb der EU-Schwellenwerte eine Quote vom mindestens 20 Prozent Bioprodukten mit Gütezeichen gemäß Verordnung (EG) Nr. 834/2007 [Verordnung der Europäischen Gemeinschaft zur Kennzeichnung von biologischen Produkten; Anm.] bezogen auf den Gesamtwareneinsatz zu erreichen. 

BIORAMA: Gibt es ein Bestreben, zum Bio-Bundesland zu werden?

Antonia Bosse: Seit Jahren nimmt die Zahl der Öko-Betriebe und die ökologisch bewirtschaftete Fläche in Baden-Württemberg zu. Mittlerweile sind mehr als 11.000 Unternehmen der Erzeugung, Verarbeitung und der Vermarktung im Öko-Kontrollverfahren in Baden-Württemberg. Baden-Württemberg unterstützt mit dem Aktionsplan ‚Bio aus Baden-Württemberg‘ als Maßnahmenbündel den ökologischen Landbau im Land. Die Bio-Musterregionen sind eine konkrete und handlungsorientierte Maßnahme des Aktionsplans. Letztlich ist es ein Ziel, die mit der Entwicklung des ökologischen Landbaus verbundenen Potenziale für die Unternehmen und die Umwelt im Land zu nutzen, wenn von Seiten der Landwirte der Wunsch besteht. Baden-Württemberg ist als Vorreiterland bekannt, dies wollen wir auch im Bereich der Landwirtschaft sein. 

Antonia Bosse arbeitet im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg und ist verantwortlich für den Austausch zwischen den Bio-Musterregionen. Sie koordiniert außerdem die Netzwerkarbeit mit anderen Bundesländern, die ähnliche Initiativen wie die Bio-Musterregionen haben. 

VERWANDTE ARTIKEL