Bio-Honig – Zwischen Grabsteinen und U-Bahnen
Vergangene Woche besuchten wir die größte Bio-Imkerei Österreichs „BeeLocal“ in Schwechat. BIORAMA warf einen Blick in die Bienenstöcke und die Produktion der Bio-Imker Stefan Mandl und Martin Oliva.
Es ist Donnerstagmorgen, und wir sind am Weg zu BeeLocal. Zur größten Bio-Imkerei Österreichs ist es zu unserer Verwunderung gar nicht weit: Wir halten knapp an der Stadtgrenze Wiens. Zwischen der Ruhestätte der „ehemaligen“ Wiener am Zentralfriedhof, und der Hauptwerkstätte der Wiener Linien erstreckt sich ein Streifen Brachland, auf dem sich Mohnblumen im Westwind wiegen. Dort stehen, geschützt unter ein paar Linden, mehrere Bienenstöcke.
Zehntausende pelzige Mitarbeiter
„Den Wind mögen die Bienen nicht“, erzählt uns Bio-Imker Stefan Mandl, der uns mit seinem Kollegen Martin Oliva bereits am Ende des kleinen Schotterwegs, der von der Hauptstraße auf die Wiese führt, erwartet hat. Die beiden führen uns zu ihrem Standplatz, etwas nervös, denn das ist ihr erster Rundgang mit Journalisten. Seit Ende letzten Jahres beliefern sie die Supermarktkette Spar mit ihrem Bio-Honig. Imker sind sie aber schon viel länger und so ist die Nervosität schnell verflogen, als wir uns alle hinter die Bienenstöcke begeben haben (davor ist zu viel los und wir wären den Bienen nur im Weg) und Oliva über die Bio-Imkerei sprechen kann.
7.000 Bienenvölker schwirren für BeeLocal durch die Luft, verteilt auf 500 Standplätze in Wien und Niederösterreich, sie produzieren zweierlei Sorten Honig: Den Wiener Blütenhonig, der nach den Lindenblüten schmeckt, die hier über den Bienenstöcken blühen und in dem sich aufgrund der Lage auch die Pollen verschiedenster Friedhofspflanzen, wie Stiefmütterchen und Tulpen finden. Sowie den Niederösterreichischen Kräuterhonig, in dem sich Pollen von mindestens 40 und manchmal sogar von bis zu 80 Wiesenkräutern nachweisen lassen.
So wird der Honig bio
Aber was macht diesen Honig jetzt bio? Die Bienen steuern doch jede Pflanze an, egal ob bio oder nicht? Der Unterschied liegt in der Bienenhaltung, erklärt Oliva. Medikamente, die die Bienen schädlingsfrei halten sollen, sind bei Bio-Bienenhaltung nicht erlaubt, außerdem sollen die Bienenstöcke aus Holz sein und möglichst naturbelassen, der Königin dürfen nicht die Flügel gestutzt werden, sie kann sich frei bewegen. Welche Blumen die Biene anfliegt, kann nicht kontrolliert werden, aber die Bienen mögen ohnehin keine gespritzten Pflanzen, „denn wenn sie da hinfliegen, kommen sie meistens nicht mehr zurück“, so Mandl. Deshalb ist auch Wien ein guter Ort für Bienen, Trachtgebiet heißt das in der Fachsprache, denn die Zierpflanzen in der Stadt sind kaum mit Chemie belastet. Die Gemeinde Wien unterstützt Mandl und Oliva immer wieder bei der Suche nach Standplätzen für ihre Bienen.
Von Bienchen und Blümchen
Ein weitere, fast noch wichtigere Aufgabe der Bienen neben der Honigerzeugung ist die Bestäubung. Gerade diese wollen Mandl und Oliva mit ihrer Imkerei fördern, denn ca. 80% aller Kulturpflanzen sind bestäubungsabhängig. Durch gute Bestäubung kann in der Landwirtschaft sogar eine Ertragssteigerung von zehn bis zwanzig Prozent erreicht werden, ohne die Bewirtschaftung intensivieren zu müssen, schwärmt Stefan Mandl, der auch Agrarbiologe ist. Bis zu 6 Millionen Blüten fliegt eine Bienen an, um ein Kilo Honig produzieren zu können, geschätzte 40.000-120.000 Kilometer legt ein Bienenvolk dabei insgesamt zurück.
In Österreich liegt der pro Kopf Verbrauch bei 1,3 Kilogramm Honig pro Jahr, nur circa ein Drittel davon kommt aus Österreich. Das wollen Mandl und Oliva ändern: „Bei Honig, den man aus anderen Ländern zukauft ist auch die Bestäubungsleistung woanders passiert, wir wollen die positiven Effekte der Bestäubung für die österreichische Landwirtschaft nutzen“. Natürlich sind auch die Transportwege innerhalb Österreichs kürzer, der Honig von BeeLocal fährt mit dem Klein-LKW zum Nordbahnhof und anschließend mit dem Zug in das Logistikzentrum von Spar nach Wels in Oberösterreich, von dort wird er dann in ganz Österreich verteilt. Die CO²-Bilanz ist bei österreichischem Bio-Honig sogar negativ, weil über die Bestäubungsleistung dem Ökosystem viel mehr zurückgegeben wird, als entnommen wurde, so Oliva.
Im Festsaal wird geschleudert
Nachdem wir auch ins Innere des Bienenstocks schauen, und Honig frisch aus der Wabe kosten durften (sehr lecker), fahren wir weiter über die Stadtgrenze in das alte Brauhaus von Schwechat, wo der Honig geschleudert und abgefüllt wird. Während wir ohne Stiche davongekommen sind, halten sich beide Fotografen die rote, geschwollene Nase und scheinen ganz froh, nun dem surrenden Schwarm den Rücken kehren zu können. Im Hof des alten Brauhauses stapeln sich bereits neue Bienenstöcke, wenn die Honigproduktion bald in die heiße Phase geht, werden sie alle an die Standplätze gebracht und von den Bienenvölkern bezogen. Die Holzrahmen, die in den Bienenstöcken hängen und in denen die Bienen später ihre Waben bauen, werden von den Mitgliedern eines psychosozialen Tageszentrums angefertigt, das ebenfalls im Brauhaus seinen Platz gefunden hat.
Im Brauhaus riecht es nach alten Mauern, Holz und vor allem nach Honig. Im früheren Festsaal steht nun die Honigschleuder, an der zwei Männer arbeiten. Sie heben die Rahmen in die Maschine, die öffnet die Waben, damit der Honig herausrinnen kann. Das Bienenwachs, das dabei abfällt wird später wieder eingeschmolzen und den Bienen, in die Rahmen eingespannt, zurückgegeben, um ihnen den Wabenbau zu erleichtern. Stefan Mandl zeigt uns die Wachsblätter: „Die sind eigentlich fast zu schade für Kerzen, das Wachs ist teilweise schon hundert Jahre alt.“ Nachdem die Waben geöffnet wurden, kommen die Rahmen in eine Honigschleuder, aus der der Honig anschließend in ein großes Silo gepumpt wird. Bienen, die versehentlich mit ins Brauhaus gebracht wurden, werden jeden Abend über die Fenster hinausgelassen. Da sie mit Honig vollgesogen sind, werden sie vom Bienenvolk das im Innenhof lebt gerne aufgenommen. Die Lagerung des Honigs ist einfach, denn aufgrund des hohen Zuckergehalts ist Honig von Natur aus lange haltbar. Ohne jegliche Weiterverarbeitung wird er dann im Nebenraum in Gläser abgefüllt, verpackt und versendet.
Zeit zum Kosten
Als wir ihn später verkosten entsteht eine Diskussion, welcher Honig besser schmeckt, flüssiger oder cremiger, Kräuter- oder Blütenhonig, auch Mandl und Oliva sind sich nicht einig. Aber bald kehren zufriedenes Schweigen und bedächtiges Kauen unter uns ein. Stefan Mandl erzählt, dass die mediale Diskussion über das Bienensterben Wirkung zeigt und immer mehr Menschen sich für die Imkerei interessieren. Während von drei Jahren meist eine kleine Anzahl pensionierter älterer Herren in seinen Imkerkursen saß, sind es heute oft 400 Menschen aus allen Altersgruppen, die gerne selbst Bienen halten wollen. Nach intensiver Verkostung, verabschieden wir uns schließlich von Stefan Mandl, Martin Oliva und ihren Bienen und fahren wieder zurück in die Großstadt.