Heurigenbuffet 2.0: Wiens erster Bio-Heuriger eröffnet
Mit dem Gschupftn Ferdl eröffnet Wiens erster Bio-Stadtheuriger. Ein Jausentempel ohne Kompromisse – dafür mit Wienerlied-Jukebox.
BIORAMA: Ihr eröffnet den ersten Bio-Heurigen Wiens, benannt nach dem „Gschupftn Ferdl“, einem Wiener Evergreen des Kabarettisten Gerhard Bronner. Als Coverversion von Helmut Qualtinger wurde das Lied legendär. Glaub ihr, kennen junge Leute den Gschupftn Ferdl? Welche Zielgruppe wollt ihr ansprechen?
Moriz Piffl: Nur ein kleiner Teil; das Wienerlied hat in den letzten zehn Jahren wieder Fahrt aufgenommen, das spricht auch viele junge Wiener an. Was unserer Meinung nach gefehlt hat, ist der neue Heurige dazu. Die Lücke wird der Ferdl schließen.
Was würde denn Helmut Qualtinger bei euch bestellen?
Der Herr Karl trinkt Weinbrand oder Cognac, ob der Qualtinger Wein- oder Biertrinker war, hm, ich müsste ihm nochmal tief in die Augen schauen. Beim Ferdl würd er auf jeden Fall ein Achterl bestellen oder zwölf, je nachdem wie viel Zeit ist … Beim Essen schätz ich, dass er sich ein, zwei Lagen von den Schupfkrapfen einverleibt hätte. Ich würde tippen, dass er die vegetarischen verschmäht hätte und sich die Fleisch und Blunzenkrapfen gegönnt hätte.
Warum ein Heuriger in der Innenstadt? Und warum glaub ihr, gibt es bisher keinen Bio-Heurigen in Wien?
Innerhalb des Gürtels gibt es neun Heurige, die meisten davon sind eher touristisch angehaucht. Ich war in zehn Jahren Wien keine zehn Minuten beim Heurigen, wenn dann nur mit Verwandten oder Freunden aus dem Ausland – das ist vergleichbar mit dem Riesenrad, ein stück Wiener Kultur, das mittlerweile von der Allgemeinheit nicht mehr wirklich genützt wird.
Ist ein 100%-biozertifizierter Heuriger nur in einem Bobo-Bezirk machbar?
Ich glaub, es gab und gibt von Bio-Weingütern auch Versuche in diese Richtung. Ich denke, das wird in den nächsten Jahren sicher stärker kommen, der Ferdl wird nicht der einzige bleiben, hoffen wir zumindest.
Ist euer Konzept des Gschupftn Ferdl noch ein urtypisch wienerisches oder exportierbar?
Der Heurige ist eine Wiener Sache.
Wird das ganze Jahr über ausg’steckt sein oder ist euer Heuriger saisonal – wie auch euer Projekt „Vollpension“, die es ja nur einmal im Jahr gibt?
Das Heurigenbuffet Zum Gschupftn Ferdl hat einen ganzjährigen Betrieb, sieben Tage die Woche, von 9 Uhr bis mindestens Mitternacht kann man bio schlemmen und tschechern …
Normalerweise ist ein Heuriger immer an die eigene Wein-Produktion gebunden. War oder ist das bei euch ein Thema? Gibt’s schon Überlegungen hin zum eigenen Weingut?
Nick, der unser Weinliebhaber ist, träumt glaub ich in diese Richtung. Unser erster Gehversuch ist der Ferdl-etikettierte Hauswein.
Welcher ist euer Hauswein?
„Grüne Reblaus“, ein Grüner Veltliner von H&M Hofer aus Auersthal im Weinviertel und „Wiener Blut“, ein Cuvee aus Zweigelt und Blaufränkisch von Mariell aus Großhöflein, Neusiedlersee-Hügelland.
Warum kein Wein aus Wien?
Uns ist es wichtig, dass sich jedermann den Ferdl leisten kann, die Karte ist also mit einer recht großen Bandbreite von günstig bis teurer ausgestattet – bei der Jausn, beim Schnaps und eben auch beim Wein. Wir hatten Schwierigkeiten einen Wiener Hauswein zu finden, der zertifiziert, gut und günstig ist.
Obacht, das ist jetzt eine religiöse Frage: Gibt’s auch Bier?
Ja, bei uns sind einige Biertrinker mit dabei, muss also sein. Wir haben das Schladminger Bio-Zwickl.
Ab wann habt ihr denn immer offen? Gibt’s auch Mittagessen?
Offen ist ab 9 Uhr, und das Team rund um die Küchenchefin Parvin Razavi stellt mittags immer ein bis zwei warme Gerichte auf den Tisch.
Gibt’s eine moderne kulinarische Entwicklung, die es in einem traditionellen Heurigen nicht gibt, die es aber eurer Meinung nach in einem zeitgemäßen Lokal geben muss?
Ja eh: Bio. Und Take-away. Wir haben Jausen-Bento-Boxen, damit du dir die Bretteljausn mitnehmen kannst.
Die Bloggerin Parvin Razavi, euer Köchin, vereint raffiniert österreichische mit orientalischer Küche. Wie schaut denn eine persisch inspirierte Brettljause aus?
Die Brettljausn kommen ziemlich straight daher, in unserem Jausentempel steht die Qualität der Produkte im Vordergrund. Wir haben uns die letzten Wochen durch Berge von Wurscht und Käsewaren aus ganz Österreich gegessen und die besten Schmankerln ausgewählt.
Ihr habt sicher lange gesucht: Wer sind eure Lieferanten?
Wein gibt’s von den Bioweingütern Hofer, Mariell, Wieninger, Fidesser, Meinklang und vielen anderen. Lieferanten sind auch der Obsthof Retter, Thum Schinken, die Waldviertler Biomanufaktur Schober, die Hauswürstl sowie der Leberaufstrich und das Verhackerte macht der burgenländische Biobauer Josef Göltl, die Käsespezialitäten kommen von der Hofkäserei Meusburger aus Bizau in Vorarlberg und vegane Würstchen, Zwiebelschmelz sowie weitere Tofu- und Seitanköstlichkeiten liefert uns Hiel Feinkost.
Sucht ihr noch Produzenten?
Nicht aktiv, wir haben fürs erste Mal so ziemlich alles, was wir brauchen. Einige Dinge, die wir für einfach gehalten haben, haben sich als schwierig herausgestellt, zum Beispiel Biosenf, da gab’s nur welche aus dem Ausland, die uns geschmeckt haben, die österreichischen nicht. Die machen wir uns jetzt selber.
Normalerweise gibt’s beim Heurigen auch Langhaltbares wie Mannerschnitten, Chips und Pischinger-Tortenecken. Was gibt’s bei euch Vergleichbares in Bio-Qualität?
Da sind wir noch bissl schmalbrüstig aufgestellt! Sicher eine Schwachstelle auf der Ferdl-Karte!
Wie lange dürft ihr den Schanigarten offen lassen? Gibt es einen Raucherbereich?
Bis 22.00 Uhr. Und nein, der Ferdl tschickt nur im Schanigarten.
In so manchem Heurigen wird gerne mal einer über den Durscht getrunken. Was macht ihr mit besonders angetrunkenen Personen?
Uns dazusetzen und ein wenig plaudern! Der Ferdl ist kein Club, dennoch darf man sich vernünftig einen reinstellen, wenn man mag. Nur halt mit Biowein und -Schnäpsen. Wenn’s bedenklich wird, werden wir einfach nichts mehr ausschenken.
Bis in die 1960er-Jahre war es üblich, sein Essen zum Heurigen mitunter selber mitzubringen. Darf man das bei euch?
Nein.
Wird’s eine typisch Wienerische Schrammelmusik bei euch geben?
Wir haben ab nächster Woche jeden Samstag Live-Musik. Der Heurige ist in die Jahre gekommen, im Gegensatz zum Wienerlied, das erstrahlt in neuem Glanz. Da gibt’s jede Menge junge Musiker (LINK http://www.5achterl.at), die richtig lässige Projekte machen, ganz in der Tradition des Wienerlieds und trotzdem neu. Bleibt abzuwarten, ob wir dem neuen Wienerlied eine zeitgemäße Heimstätte geben können. Schön wäre, wenn sich der Ferdl zum Birdland des Wienerlieds entwickeln würde. Im laufenden Betrieb können die Gäste über den Wurlitzer aus ca. 700 Titeln österreichischer Musik wählen.
Zum Gschuptn Ferdl
Adresse: Windmühlgasse 20/52, 1060 Wien
Öffnungszeiten: täglich, 9.00 bis mindestens 24.00 Uhr, Gastgarten bis 22.00 Uhr
An den ersten sieben Samstagen ab Eröffnung gibt’s jeweils um 19.30 Uhr Live-Musik bei freiem Eintritt. U.a mit 5/8erl in Ehren, Violetta Parisini, Kurt Girk, Müssig Gang, The Erlkings, Wielfried, Nino aus Wien.
Alle Infos: www.zumgschupftnferdl.at