Bei ELLA mitmachen und Wien gestalten

Die Organisatoren: Andrea Binder Zehetner,          Ulli Böhm, Johannes Kellner Bild: Lokale Agenda 21, Wien

Die Organisatoren: Andrea Binder Zehetner, Ulli Böhm, Johannes Kellner
Bild: Lokale Agenda 21, Wien

Demokratische Partizipation – ein Schlagwort, das Medien immer häufiger aufgreifen. Allerdings wird dabei meist der Mangel an Möglichkeiten dazu kritisiert. Das Wiener Büro der Lokalen Agenda 21 startete im Sommer den Wettbewerb ELLA, um alle Wiener Bewohner zur Mitgestaltung der Stadt zu motivieren. Worum es dabei geht und warum die Stadt die Mitarbeit ihrer Bürger braucht, beantwortet Ulli Böhm, eine der Organisatoren, im Interview. 

Schon 20 Jahre ist die Lokale Agenda 21 aktiv. Initiiert wurde sie auf der UN Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro. Seitdem können sich Bezirke um nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung bemühen und die Bewohner dazu einladen, an der Planung mitzuarbeiten und Projekte umzusetzen. Lokale-Agenda-Prozess heißt dieses Prozedere. Das ist eigentlich ziemlich aufwendig, denn die Bürger brauchen das Einverständnis der Bezirkspolitik, um ihr Grätzel zu verändern und zu verbessern, erklärt Ulli Böhm. Um den Spieß umzudrehen, gibt es in Wien jetzt ELLA. Bis zum 3. November 2013 könnt ihr noch mitmachen und eure Projekte einreichen.

BIORAMA: Wofür steht ELLA?

Ulli Böhm: ELLA ist ein zusammengesetzter Titel. EL steht für Einreichen Leicht gemacht und LA für Lokale Agenda. Wir haben so etwas Originelles gefunden, was kurz und leicht zu merken ist.

Warum ist es leichter mit ELLA ein Projekt umzusetzen?

Im Vergleich zu einem Lokalen-Agenda-21-Prozess ist es viel unbürokratischer. Die Bezirksvertretung bestimmt nämlich, ob ein solcher starten kann oder nicht. Einzelne Bürger können das nicht. Bezirkspolitiker müssen diesen Prozess bei der Planungsabteilung der Stadt Wien, also bei der Stadträtin für Planung, beantragen und somit werden wir beauftragt. Das ist auch notwendig, denn diese Projekte stehen immer in Verbindung mit dem öffentlichen Raum und sollen mit öffentlichen Mitteln umgesetzt werden. Mit der ELLA haben wir jetzt wienweit ein Angebot geschaffen, mit dem alle Bürger der Stadt die Möglichkeit bekommen in ihren Bezirken, ob LA21-Bezirk oder nicht, sich direkt um die Umsetzung ihres Projekts zu bewerben. So können wir auch zeigen, dass es aktive und engagierte Bürger gibt, die sich für ein nachhaltiges Wien einzusetzen. Wir unterstützen die Gewinner mit finanziellen Mitteln und anderen Ressourcen wie Beratung und Öffentlichkeitsarbeit die Gewinnerprojekte. Denn man braucht immer Profis, die so ein Projekt organisieren, unterstützen und koordinieren, wenn es verschiedene Schnittstellen gibt.

Welche Bezirke sind haben keine Lokale Agenda 21 installiert?

Ich erzähle Ihnen lieber, welche eine haben. Das sind Landstraße, Wieden, Josefstadt, Alsergrund, Donaustadt, Liesing und Favoriten beginnt im September. Also sind es jetzt sieben Bezirke, in denen Agenda-Projekte laufen. Und jetzt gibt es die ELLA.

Lokale Agenda Wien 3 Bild: Lokale Agenda 21, Wien

Lokale Agenda Wien 3
Bild: Lokale Agenda 21, Wien

Wie viel Geld steht für die ELLA zur Verfügung?

Das ist eine schwierige Rechnung, weil einiges auch mit unserer Arbeitskraft bezahlen. Aus all den Bewerbern werden fünf Projekte ausgewählt, die umgesetzt werden. Über drei Jahre vergeben wir pro Projekt 15.000 Euro, also insgesamt 75.000 Euro. Das bekommen die Gewinner aber nicht direkt in die Hand, sondern wir richten eine Art mobiles Agendabüro ein und stellen ihnen Ressourcen wie Geräte und Beratung zur Verfügung. Angestellt werden sie auch nicht, sie arbeiten weiterhin ehrenamtlich. Einige brauchen mehr Unterstützung und andere weniger – wir richten uns nach ihrem Bedürfnis. Bei den einen muss man einen Projektplan aufstellen und ihnen vielleicht helfen, noch mehr Leute zu finden, die das Projekt umsetzen. Andere brauchen vielleicht nur einen Computer. Es gibt auch ein kleines Budget für Plakate.

Wie viele Bewerber gibt es denn schon – kann man aus den Bewerbungen quasi einen Trend schließen, was sich die Bürger der Stadt Wien am meisten wünschen?

Ich verrate so viel: Wir sind schon im zweistelligen Bereich. Von den Themen ist es wirklich kreuz und quer durch. Es beginnt bei gesunder Ernährung und biologischen Lebensmittel, gegen die Verschwendung von Lebensmitteln und Kochabenden bis hin zur Infrastruktur. Kinder sind immer wieder ein Thema, also Möglichkeiten für Bewegung schaffen, wo Eltern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können – da ist ein pädagogischer Ansatz dahinter. Grätzelaktivierung kommt vermehrt vor, also Kommunikations- und Vernetzungsmöglichkeiten zu schaffen wie eine Homepage. Interkultureller Dialog und sportliche Themen wie mehr Raum für Radfahrer sind auch dabei. Der Wettbewerb ist so gestaltet, dass Vielfältigkeit zugelassen wird. Die Bewerbungen kommen auch aus den unterschiedlichsten Bezirken und konzentrieren sich nicht auf einige wenige.

Nach der Beurteilung der Mercer-Studie ist Wien bereits die lebenswerteste Stadt der Welt, was braucht Wien, um noch lebenswerter zu werden?

Wien wächst. Damit verändert sich natürlich auch vieles. Das zu kommunizieren ist ein wichtiger Aspekt und zwar, dass Wachstum und Veränderung prinzipiell nichts Schlechtes ist, sondern sich damit viele Möglichkeiten öffnen. Es geht eher darum, die Lebensqualität zu erhalten, vielleicht teilweise zu verbessern und daran gemeinsam zu arbeiten. Verbessern kann man wohl immer etwas. Es ist alles in Bewegung und deshalb ist es wichtig die Bürger in die Gestaltung ihres Lebensraumes einzubeziehen.

Mit welchen Problemen ist man in einem LA21-Prozess konfrontiert?

Es sind so kleine Schwierigkeiten vor Ort. Die Zusammenarbeit von Politik und Bürgern, die manchmal vielleicht nicht als Experten in ihrem Grätzel wahrgenommen werden. Das ist ja die ursprüngliche Idee der Agenda, dass auf der untersten – kommunalen – Ebene, dass Entscheidungen von allen Betroffenen gemeinsam getroffen werden. Es ist nun mal so, dass wir indem Bezirken eine eigene Struktur haben, wo die Bürger  gemeinsam mit der Bezirkspolitk an einem Tisch sitzen und alles was die Agenda betrifft gemeinsam entscheiden. Das ist eine Art von Partizipation, die es in gar nicht so vielen Städten gibt. Einmal im Jahr besichtigen wir andere Städte und da treffen wir meistens auf gesamtstädtische Konzepte, wo versucht wird, in die Verwaltung Nachhaltigkeit zu bringen, aber die Bürgerbeteiligung fehlt oft. In Wien hat man von Anfang an gesagt, dass man sich auf die unterste Ebene im Bezirk bewegt zu den Bezirksparlamenten, wo man diese Lokale Agenda ansiedelt. Deshalb gibt es auch keine wienweite Agenda, weil auf der untersten politische Ebene gearbeitet wird.

Ist es ein Kriterium bei der Bewertung, ob die eingereichten Projekte aus LA21-Bezirken stammen?

Nein, eigentlich nicht. Aber natürlich wäre es ein bisschen schade die Ressourcen an ein Projekt zu verteilen, das aus einem Bezirk stammt, wo ohnehin welche zur Verfügung stehen. Das haben wir noch nicht zu Ende diskutiert. Vermutlich wird man dann versuchen, das an die Agenda im Bezirk anzuhängen. Das Ziel ist schon Projekte zu fördern, die aus (noch)-nicht-LA21-Bezirken stammen.

Einen Gewinner aus vielen Bewerbern auszusuchen ist keine leichte Aufgabe. Welche Kriterien entscheiden, welches Projekt das Potenzial hat zu gewinnen oder umsetzbar zu sein?

Wir entscheiden nicht selbst, sondern eine Fachjury, die mit Experten aus der Stadtplanung besetzt ist. Das sind Thomas Madreiter, der Planungsdirektor der Stadt Wien, Verena Madner, die am Forschungsinstitut der WU zu Urban Governance und auch nachhaltiger Stadtentwicklung forscht, Rudolf Scheuvens vom Institut für örtliche Raumplanung an der TU Wien und Ines Ohmann, die bei der Lokalen Agenda aktiv ist. Die Gewinner werden an Hand von vier Kriterien ausgewählt: Kreativität, was auch immer das ist. Es muss nichts komplett Neues sein. Dann natürlich nachhaltig im Sinn des ökologisch, ökonomisch und sozialen Gleichgewichts sowie die Beteiligung von Bürgern und die Realisierbarkeit des Projekts ist natürlich auch ein Kriterium. Luftschlösser kann man nicht bauen. Bei der ErfolgsELLA kommt dazu, dass die Projekte in den letzten drei Jahren umgesetzt worden sein sollen oder noch laufen.

Was ist der Unterschied zwischen Zukunfts- und ErfoglsELLA?

Bei der ZukunftsELLA geht es darum neue Projekte umzusetzen, vor allem auch wienweite Öffentlichkeitsarbeit zu machen und zu zeigen, die Stadt hat ein Interesse Bürger an aktiver Beteiligung zum Thema nachhaltige Stadtentwicklung zu motivieren. Wenn sie eine kreative Idee haben, dass sie selbst mitumsetzen wollen. Wir sind aber keine Ansprechpartner für Beschwerden und Probleme in der Stadt. Uns ist es wichtig, dass Leute etwas selber umsetzen zu wollen. Um das in einem Rahmen zu halten, haben wir uns dazu entschieden, fünf Projekte auszuwählen, die unsere Unterstützung bekommen.

Bei der ErfolgsELLA geht es darum laufende und in naher Vergangenheit umgesetzte Projekte mit Nachhaltigkeitsaspekten zu prämieren und sie vor den Vorhang zu holen und Öffentlichkeit für sie zu schaffen.Sie gewinnen die Chance vorgestellt zu werden, wir unterstützen sie mit einem professionellen Marketing. Ein kleiner Sachpreis soll auch vergeben werden.

Wenn ich mich jetzt mit einer Idee bewerben möchte, was brauche ich noch um beim Wettbewerb mitzumachen?

Eigentlich nicht viel mehr. Die Idee sollte im Formular etwas ausformuliert werden. Das ist online verfügbar, man kann uns aber auch anrufen und wir schicken es gerne zu. Viel mehr braucht man am Anfang nicht. Es soll nur verständlich sein, was das Ziel und die Motivation ist und vielleicht auch Überlegungen enthalten, welchen Ressourcen schon vorhanden sind und was noch fehlt.

Was hat dich dazu inspiriert dich für ein nachhaltiges Wien zu engagieren?

Ich habe damals schon im Pilotprojekt mitgearbeitet. Ich lebe gerne in dieser Stadt und möchte mit dem was ich weiß und kann dazu beitragen, dass es so weitergeht. Die LA21 finde ich spannend, weil man das Engagement von Einzelnen fördert, sich aber auch um eine Bewusstseinsförderung bei den Menschen, aber auch in der Politik bemüht. Wir wollen tatsächlich politische Strukturen aufbrechen, verändern oder durch neue ersetzen. Ich habe das Gefühl, dass sich in dem Bereich schon einiges entwickelt hat – manchmal gehen wir auch einen Schritt vor und zwei zurück. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir unsere Spuren bereits hinterlassen haben. Es ist kein Massenprogramm, aber eine Chance zur demokratischen Partizipation. Jeder muss bei sich selbst anfangen. ELLA und die LA21 sind zwei Wege das zu tun.

Was wünscht du dir für die Zukunft der nachfolgenden Generationen?

Die letzten Jahre habe ich im Ausland verbracht. Ich wollte immer aus Wien weg, denn ich empfand die Stadt als grau, fad und provinziell. Als ich dann aus London zurück gekommen bin, war ich total erstaunt. Wien hatte sich total verändert – die Gebäude, die Menschen. Wir haben jetzt wirklich sämtliche Kulturen in Wien.  Das finde ich spannend und ich wünsche mir, dass sich die Entwicklung fortsetzt. Die folgenden Generationen sollen die Möglichkeiten haben sich zu engagieren und zu verwirklichen, Freiräume und ein selbstbestimmtes Leben zu genießen, aber auch Gemeinsamkeit zu erleben. Wien soll eine lebendige Stadt bleiben.

 

Bei ELLA On Tour könnt ihr dem Organisationsteam persönlich Fragen stellen und euch informieren. Der nächste Stopp ist am Samstag, 31. August auf der Mariahilferstraße Ecke Amerlingstraße von 10 bis 14 Uhr. Am 21. September habt ihr die letzte Möglichkeit ELLA On Tour zu besuchen: am Yppenplatz Ecke Brunnengasse, von 10 bis 14 Uhr.

www.ellawien.at

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