Bedrohte Rasse: der österreichische Kurzhaarpinscher
Rattenscharf, aber familienfreundlich: der Österreichische Kurzhaarpinscher. Warum der urtümliche Hofhund bedroht ist.
Was wenige wissen: Nicht nur alte Schweine-, Ziegen- oder Rinderrassen drohen auszusterben. Auch einzelne Hunderassen sind gefährdet: etwa der erstmals 1921 als eigene Rasse beschriebene Österreichische Kurzhaarpinscher. Ein Gespräch mit der Salzburger Biobäuerin Yvonne Roider, die sich mit ihrer Familie u.a. um die Erhaltung des typischen Hofhunds bemüht.
Warum ist der Österreichische Kurzhaarpinscher vom Aussterben bedroht?
Yvonne Roider: Grundsätzlich aus dem gleichen Grund, warum auch andere Nutztierrassen vom Verschwinden bedroht sind: weil in den vergangenen Jahrzehnten viele moderne Hunderassen Einzug in Österreich gehalten haben. Alte Rassen sind da zu wenig interessant, in Vergessenheit geraten. Der Kurzhaarpinscher war früher auf fast jedem Hof zu finden. Heute ist es aber sogar auf Bauernhöfen so, dass dort nicht mehr unbedingt ein Hund gehalten wird.
Wieviele Hunde leben denn auf eurem Arche-Hof in Seekirchen?
Wir haben zwei Hündinnen und einen Rüden, also ein Zuchtpärchen und eine Hündin, die wir dann behalten haben, mit der wir mit einem anderen Rüden weiterzüchten. Neben den Hunden gibt es bei uns aber auch Altsteirer Hühner, Österreichische Landenten, Österreichische Landgänse, Wiener Kaninchen, dunkle Bienen, 25 Stück Tiroler Grauvieh und einen dazu passenden Stier, zwei Tux-Zillertaler und zwei Pinzgauer Kühe, Huzulenpferde, weiße Barockesel, Waldschafe, Turopolje und Mangalitza Schweine.
Lässt sich sagen wieviele Österreichische Kurzhaarpinscher es insgesamt gibt?
Hui, das ist schwierig zu sagen, auch weil sich die Zahlen ständig ändern. In Österreich selbst wahrscheinlich rund 300 Tiere, im Ausland etwa noch einmal die gleiche Anzahl. In Holland ist er auch ganz gut vertreten.
Warum Holland?
Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Aber es gibt dort ein paar Privatpersonen, die engagiert züchten. Auch in Dänemark gibt es ein paar ZüchterInnen. Es ist auch bei uns in Österreich nicht immer leicht, einen Kurzhaarpinscher zu bekommen. Eine Kollegin hat deshalb letztens einen Hund aus Holland geholt.
Wie heißt er denn im englischsprachigen Raum?
Gute Frage. Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Aber in Holland sprechen die meisten ZüchterInnen Deutsch.
Der legendäre K.-u.-k.-Tierarzt Emil Hauck hat den Kurzhaarpinscher Anfang des 20. Jahrhunderts gewissermaßen als „Ur-Niederösterreicher“ unter den Hunderassen beschrieben. Ist diese örtliche Zuschreibung aus heutiger Sicht haltbar?
Darüber wird diskutiert. Grundsätzlich sagt man, er ist ein Österreicher. Es ist nichts anderes belegt. Das wird aber nicht hochgehoben oder betont.
Zuchtziel ist auch heute noch die sogenannte „Gebrauchstüchtigkeit am Hof“. Was bedeutet denn das bei euren drei Hunden?
Grundsätzlich ist wichtig, dass die Hunde hoftreu sind, weil sie bei uns sehr frei laufen dürfen und uns tagsüber begleiten. Sie kennen mehr oder weniger unsere Grundgrenze und bleiben bei uns. Selbst die Rüden sind beim Kurzhaarpinscher sehr hoftreu, was etwas schwerer ist. Klares Ziel ist auch: Hühner, Enten, Gänse und anderes Geflügel müssen als FreundInnen gesehen und vor Fuchs, Marder und Co. beschützt werden. Außerdem jagt der Kurzhaarpinscher Mäuse und Ratten. Wir hatten 2019 ein starkes Mäusejahr, vor allem im Frühjahr. Die Hunde waren permanent auf der Wiese draußen und haben eine Maus nach der anderen geholt. Das muss man fördern. Diese Fähigkeiten würden aber verloren gehen, wenn der Kurzhaarpinscher ausschließlich in privaten Haushalten und Wohnungen gehalten würde.
Unser Ziel ist deshalb: Pinscher auf die Höfe! Er ist sehr gelehrig, zwar kein Hirtenhund, aber leichte Aufgaben beim Eintreiben der Schafe übernimmt er schnell. Natürlich ist er kein Border Collie. Anders als ein Border Collie muss er aber auch nicht andauernd bespaßt werden. Wir vermarkten unser Fleisch ausschließlich direkt und schließen Kreisläufe nach Möglichkeit. Da gibt es Schlachtabfälle wie Pansen, Schlund, Knochen – unsere Hunde werden ausschließlich hofeigen ernährt. Wachsamkeit ist auch wichtig. Fremden gegenüber ist der Kurzhaarpinscher eher skeptisch, er verbellt an der Tür und lässt niemanden rein wenn wir nicht da sind. Er ist aber auch kein Beißer. Er passt gut auf, aber nicht übertrieben.
„Die Abfälle aus der Küche des Bauern sollen ihm als Nahrung reichen“, meinte weiland Emil Hauck in seiner Rassebeschreibung des Bauernhunds. Ist das noch zeitgemäß?
Das geht heute natürlich nur, wenn man selbst schlachtet – und wäre der Idealfall. Fertignahrung ist ja nicht nur für den Menschen nicht gesund, sondern auch für den Hund nicht. Bei uns ist das insofern optimal, weil wir mit unseren hofeigenen Schlachtabfällen zurechtkommen. Sonst muss man halt Abfälle zukaufen.
Bei Hauck gibt es auch die wunderbare Beschreibung, der Kurzhaarpinscher wäre „keineswegs entstellt durch die Anforderungen des Sports oder der Mode“. In Mode war die Rasse auch in den vergangenen hundert Jahren nie, oder?
Nie so, dass sie einen bedeutenden Aufschwung erlebt hätte. Der Pinscher war nie ein Modehund wie es Labrador, Retriever oder Dalmatiner waren. Aber als lernfreudiges Tier ist er mittlerweile auch im Agility und Hundesport beliebt.
In den 70er Jahren gab es nur noch einen Rüden. War die Rasse damit genetisch nicht eigentlich bereits tot?
Kann man sicher so sehen, ja. Es gab da das „Landpinscherprojekt“ und man hat Pinscher gesucht, die optisch und vom Wesen her ähnlich waren und die hat man dann eingekreuzt – um die Population wieder zu stärken.
Es wurden auch andere Rassen wie der Entlebucher Sennenhund oder der Zwergpinscher eingekreuzt. Ist nachvollziehbar und dokumentiert, zu welchen Veränderungen das geführt hat?
Vielleicht hat das das Landpinscherprojekt dokumentiert und die Würfe dokumentiert, aber ich selbst wüsste davon nichts. Wir haben unseren ersten Kurzhaarpinscher erst vor fünf Jahren bekommen. Am Hof hatten wir auch davor immer Hunde: ich selbst Pudel und danach einen Dobermann, mein Mann Mischlinge und Dackel. Mein Mann und ich sind gemeinsam auf den Pinscher gekommen. Heute kann ich sagen: Der Kurzhaarpinscher ist ein besonderer und pflegeleichter Hund.
Wie geht es denn dem Kurzhaarpinscher 2020?
Grundsätzlich gut, denke ich. Unseres Wissens nach ist der Gesundheitszustand gesamt betrachtet sehr gut. Gäbe es insgesamt mehr Tiere, wäre das natürlich gut. Wir hoffen, die Anzahl der Individuen gut halten zu können und orientieren uns an Zuchtzielen wie Rattenjagd, Hoftreue, Skeptizismus gegenüber Fremden, Kurzhaar, Schwarz-Trikolore-Fell mit weißen Abzeichen und dem Versuch, den typischen Hofhund sowohl optisch als auch charakterlich zu erhalten.
Wem würdest du einen Kurzhaarpinscher empfehlen?
Höfen sowieso. Auch privat spricht einiges für ihn. Einen Garten und bewegungsfreudige Menschen braucht er aber schon – auch wenn er jetzt nicht übertrieben beschäftigt werden muss. Aber der Kurzhaarpinscher ist ein lebhafter Typ und nichts für eher gemütliche Leute. Er ist gut für Agility und HundesportlerInnen geeignet oder für begeisterte BerggeherInnen. Insgesamt ist er ein geduldiger und super-anpassungsfähiger Familienhund.
Wenn es um Schafe, Ziegen oder Rinder geht wird die Erhaltung seltener Nutztierrassen gefördert. Wären auch für das Überleben der Kurzhaarpinscher Förderungen nötig?
Es wäre sicher gut, gäbe es Förderungen. Es gab auch bereits Versuche seitens der Arche Austria, aber bislang ohne Erfolg. Leider.
Käme der Kurzhaarpinscher in Mode, wäre das auch schlecht. Was wäre denn ideal?
Wie immer: ein langsames, beständiges Wachstum. Nachfrage ist ja da, also insofern als dass wir keine Angst haben, auf Welpen sitzenzubleiben. Und zu viel Nachfrage wäre zweifelsohne schlecht, denn dann gingen beim Züchten womöglich Maß und Ziel verloren.