Bananenvielfalt

An unterschiedlichen Orten der Welt arbeiten Menschen am nachhaltigen Bananenanbau. Mit unterschiedlichen Konzepten. Und unterschiedlichen Bananen.

Vor schwarzem Hintergrund sind Bananen der Sorte Kluthuk Batu zu sehen.
Ein wenig pummelig, kurz in der Statur, aber lang im Abgang. Die Sorte Kluthuk Batu wäre ein kulinarischer Gewinn auf unseren Tellern. Bild: Jürgen Schmücking.

Indonesien, im Süden der Insel Java

Der kleine Anhänger sieht aus, als hätte er bereits Jahrzehnte am Buckel. Ein klappriges Gestell, rostige Räder und ein hölzernes Brett, so zerfurcht und schmierig, dass österreichische LebensmittelkontrolleurInnen auf der Stelle in eine Art Schockstarre verfallen würden. Hier zerdrückt der Händler ein paar einfache Zutaten zu einer köstlichen, scharfen, süßsauren Paste mit leicht bitterer Note. Auf der Straße wird Rujak in Bananenblättern zu Obst gereicht. In Warungs, den Imbissbuden, auch zu diversen Fleischgerichten. Was die Paste so spannend macht, sind ihre Zutaten: frische Chilis, Knoblauch, grüne Mango, Palmzucker und schließlich Bananenkerne.
Damit ist der Reigen der indonesischen Bananenvielfalt auch schon eröffnet. Noch einmal zurück zu den Zutaten. Bananenkerne. Für Rujak wird ausschließlich Pisang Kluthuk verwendet, eine olivgrüne, pummelige und extrem festfleischige Banane, die – anders als hierzulande gebräuchliche Sorten – auch noch eine Menge Fruchtkerne im Fleisch hat. Seit Mitte 2016 ist sie Passagier in der Arche des Geschmacks der Slow Food Stiftung für Biodiversität

2020 betrug in der EU der Pro Kopf-Verbrauch von Bananen 12,8 kg. Das sind knapp 80 Bananen. 


Die Arche des Geschmacks ist eine Art Rettungskommando für gefährdete Pfanzensorten, Tierrassen und kulinarische Traditionen. Die Passagiere, die in die Arche aufgenommen werden, erhalten einen besonderen Schutz in Form von Aufmerksamkeit, Beratung und Unterstützung bei der Vermarktung.
Der Biss in die geschälte Pisang Kluthuk jedenfalls ist eine herbe Enttäuschung im doppelt wahren Wortsinn. Gerbstoff, leichte Schärfe und vor allem eine ungewohnten Bitterkeit, so präsentiert sich die stämmige Banane. Und ganz anders als wir Bananen kennen. 
Die Vielfalt indonesischer Bananen ist atemberaubend. Es ist das Verdienst von Amaliah Amalia und Slow Food Yogyakarta, diesen Schatz gesichtet und Ordnung in das üppige Angebot gebracht zu haben. Zwölf Sorten wurden in die Arche des Geschmacks aufgenommen. Die Früchte sind sehr unterschiedlich: verschiedene Formen und Farben, Geschmäcker und Konsistenzen. Eine dieser Sorten heißt Raja Sewu. Der dekorative Strunk besteht aus vielen kleinen, äußerst dünnen und kräftig grünen Bananen, süß genug, um ein attraktives Dessert abzugeben; eine andere Pisang Kepok, die etwas breit um die Hüfte wirkt. Sie ist gelb und ihr Fruchtfleisch ist fast schon pikant.

Die Bananenclique von Yogyakarta. Die Leiterin von Slow Food Yogyakarta, Amaliah Amalia (2. von links) und Produzentinnen präsentieren die Sorten, die in die »Arche des Geschmacks« aufgenommen wurden. Bild: Jürgen Schmücking.


Warum sich Slow Food überhaupt für die Bananen und deren Vielfalt einsetzt? Weil Vielfalt die einzig dauerhaft erfolgversprechende Strategie zur Rettung der Banane überhaupt ist. In unseren (westlichen) Obstregalen finden wir in erster Linie eine Sorte. Cavendish. Diese Sorte deckt 95 Prozent des gigantischen Weltmarkts ab. Der globale Bananenmarkt hat ein  von etwa 36 Milliarden Euro. Dieses Volumen kann nur in industrialisierten Bananenplantagen in Monokultur produziert werden. Monokulturen sind allerdings ideale Brutplätze für Schädlinge wie den fusarium oxysporum spp cubense Tropical Race 4, den Pilz, der weltweit Bananenkulturen befällt und zur Panama-Krankheit (oder TR4) führt. Ähnlich der Reblaus, die im späten 19. Jahrhundert die Weinreben befallen hat, bedroht TR4 die Bananenstauden dieser Welt existenziell. Slow Food geht von der Annahme aus, dass kleine Plantagen mit großer Sortenvielfalt weniger anfällig sind als Anlagen mit Monokulturen.  Insofern haben das Arche-Projekt und die Bemühungen von Slow Food Yogyakarta eine weitreichende Bedeutung, die über die Förderung kleiner und regionaler ProduzentInnen hinausgeht. So viel zu Indonesien. Im Handel sind diese Sorten in Österreich und Deutschland leider nicht erhältlich.

Dominikanische Republik, Bananenanbaugebiet Mao

Das Bananengeschäft boomt in der Dominikanischen Republik. Vor allem das mit Biobananen. Der karibische Inselstaat gilt am Weltmarkt als einer der größten Exporteure. Vielfalt wird allerdings ganz anders interpretiert als in Indonesien.

Die Dominikanische Republik ist mit 579.000 Tonnen hinter Ecuador (804.000 Tonnen) weltweit der zweitgrößte Produzent von Bio-Bananen. Zusammen macht das 90 % der gesamten Weltproduktion aus.


Ramón Tranquilino Medrano wandert durch seine Bananenplantage. Mittendrin bleibt er stehen und schlägt ein paar Kokosnüsse vom Baum. Es fällt auf, dass hier unglaublich viele Kokospalmen stehen. Viel mehr als man in einer Bananenplantage erwarten würde. Und da sind auch noch andere Bäume und Sträucher. Hauptsächlich Mangobäume. Irgendwo im Inneren der Plantage sogar eine Papaya-Pflanze. Ramon erklärt, wie wichtig ihm Biodiversität und Vielfalt sind. Bei den Bananen selbst konzentriert sich Ramon auf die Sorte Cavendish. In der Dominikanischen Republik werden auch noch Criollo, Johnson, Valery oder Great Ney angebaut, Cavendish ist allerdings die Sorte, die den Markt dominiert. Die Biodiversität bei den Pflanzen in der Plantage manifestiert sich für Ramón im Boden. Alle 50 Meter bleibt er stehen, wühlt in der Erde riecht daran. Die »Spatenprobe«, wie er das nennt, ist hier eine Spur kleiner und wird mit der Machete gemacht. Die Erde riecht lebendig. An manchen Stellen ist der Boden mit Mulch bedeckt. Nicht ohne Grund. Ramon berücksichtigt einfach die ökologischen Besonderheiten des Regenwaldes. Hier kann der Boden kaum Nährstoffe speichern. Hier liefern abgestorbene Pflanzen den lebenden die Nährstoffe. Dieser ständige Nährstoffkreislauf sorgt für die erforderliche Lebendigkeit des Bodens. Daher wird in der biologischen Landwirtschaft oft mit Mischkulturen gearbeitet. »Außerdem geben die Kokospalmen Schatten. Und dort drüben stehen ein paar Kakaopflanzen. Seht ihr sie?«

Im selben Jahr (2019) lag die gesamte weltweite Erntemenge bei 118 Millionen Tonnen. Das ergibt einen Bio-Anteil von 1,6 %


Die Bananen in der Finca Ramoncito, so der Name von Ramóns Plantage, werden strahlend grün geerntet und dann über ein ausgeklügeltes Schienensystem zur Weiterverarbeitung transportiert. Wobei die »Weiterverarbeitung« recht simpel ist. Die Bananen werden gewaschen, in standardisierte Portionsgrößen geschnitten, noch einmal gewaschen, etikettiert und in – wieder standardisierte – Bananenkisten verpackt. Dann warten sie darauf, dass sie vom LKW abgeholt werden. Nur Tage später liegen sie in den Regalen des europäischen Lebensmitteleinzelhandels. 

Waschen, waschen und wieder waschen. Das Wasser nach dem Ernten reinigt nicht nur, es kühlt auch. Bild: Jürgen Schmücking.

Ramón Tranquilio Medranos Finca gehört zur Kooperative Banelino (Bananos Ecológicos de la Línea Noroeste). Als Dachorganisation unterhält Banelino die Beziehungen zu den Händlern und verhandelt im Namen der Mitglieder über Preise, Mengen, Vertragsbedingungen und Qualitätsanforderungen. Die Zentrale von Banelino ist in Mao, im Anbaugebiet Valverde. Banelino ist Heimat und Dach für etwa 250 kleine Farmer wie Ramón Medrano. Die gesamte Fläche für biozertifizierten Bananenanbau beträgt ungefähr 1000 Hektar. Auf dieser Fläche werden etwa 25.000 Bananenkisten pro Woche hergestellt.
Biobananen in Deutschland oder Österreich kommen zum Großteil entweder aus der Dominikanischen Republik oder aus Ecuador. In Deutschland machte 2020 der Anteil der dominikanischen Biobananen 55 Prozent aus.

Noch mehr über alle Dinge Banane lässt sich in unserer ihr gewidmeten Ausgabe nachlesen.

VERWANDTE ARTIKEL