Autostoppen 2.0 mit Talente Mobil
Wie oft haben Sie schon für einen Autostopper am Straßenrand gehalten? Wie oft haben Sie geflucht, wenn Sie einen unzumutbaren Fußmarsch – zum Beispiel von Mellau bis Schoppernau – zurücklegen mussten und sie keiner mitnehmen wollte?
Die Kultur des Einander-Helfens war einst stärker, auch das gegenseitige Mitnehmen mit dem Auto war früher üblicher. Vorarlberg startet jetzt mit einer Initiative zum Autostoppen durch. Talente Mobil heißt das Projekt, das in Zukunft auf Events, in entlegenen Regionen und auch sonst das Autostoppen wieder beliebt, sicher und en vouge machen soll. Moderne Kommunikationsmedien und die allgemeine Vernetzung sollen dabei unterstützend wirken. Sicherheit auch bei spontanen Mitfahrgelegenheiten steht dabei an oberster Stelle, um das verrufene Image des Autostoppens aufzubessern.
BIORAMA hat dazu ein Interview mit Roland Alton einem Vorstandsmitglied von Allmenda, der hinter der Initiative steht, geführt.
BIORAMA: Von wem ging das Projekt zum Autostoppen aus?
Roland Alton: Die TU Wien hat eine Studie zum Organisierten Mitnehmen gestartet – etwas, das zum Beispiel in den USA alltäglich und weit verbreitet ist. Auf der Suche nach einer Pilotregion hier in Österreich hat der ÖAMTC als Partner in Vorarlberg begonnen. Die Automobil-Experten wissen, dass sich das Thema Mobilität weiterentwickelt und es Möglichkeiten braucht, das Auto mehrfach nutzbar zu machen. Der ÖAMTC war auf der Suche nach einer Community, die schon Erfahrung mit dem Tauschen hat und hat sich an den Verein Talente Vorarlberg gewandt. Allmenda arbeitet mit dem Talente Vorarlberg Verein zum Thema Regionalwährungen zusammen.
Welche Bedeutung hat das Autostoppen für dich persönlich?
Ich habe früher viel von Wien nach Tirol gestoppt, da ich in Wien studiert habe und in Tirol aufgewachsen bin. Wie viele andere auch habe ich mit dem Autostoppen unter anderem sehr interessante Erfahrungen in Italien gemacht. Und natürlich beim Wandern, da ist es ja sowieso selbstverständlich, dass man sich gegenseitig mitnimmt. Ich habe eigentlich nur positive Erfahrungen damit gemacht, ich kenne auch viele andere, die vom Autostoppen begeistert waren und sind. Früher habe ich auch andere mitgenommen bzw. würde ich das heute sicher auch noch machen, zur Zeit bin ich aber autofrei.
Wieso ist das Autostoppen in Verruf geraten?
In manchen Regionen Vorarlbergs, zum Beispiel im Bregenzer Wald, wurde immer schon viel gestoppt und das ist auch heute noch so. Diese Kultur kommt aber insgesamt abhanden, weil es dabei oft ein Sicherheitsproblem gibt und auch die Regeln fürs Autostoppen fehlen. Als Belebungsversuche gibt es auch viele gescheiterte Initiativen aus anderen Ländern wie Deutschland und Italien, die schon ähnliche Projekte ausprobiert haben. Es hat dabei aber oft an der politischen Akzeptanz gemangelt, auch die Konkurrenz zu öffentlichen Busunternehmen war ein Problem. Herauskristallisiert haben sich letztendlich Sicherheit und Kommunikation als Hauptthemen, an denen gearbeitet werden muss. Die Menschen wollen grundsätzlich schon etwas für die anderen Dorfbewohner und für die Umwelt tun, das muss aber sicher für die Teilnehmenden sein und durch einfache und effiziente Kommunikation unterstützt werden.
Die Talente Mobil Initiative klingt nach dem Prinzip von vielen Mitfahrbörsen. Wo liegt der Unterschied und was bringt eine Mitgliedschaft für Autostopper bei Talente mobil?
Man bekennt sich durch die Mitgliedschaft zu bestimmten Regeln und minimiert die Risiken des Autosstoppens. Auch versicherungstechnisch gibt es einen wichtigen Aspekt. Autofahrer fürchten sich oft davor, dass Mitfahrer im Falle eines Unfalles Schadensersatzansprüche stellen. Die sind zwar von der normalen Auto-Haftpflichtversicherung gedeckt, doch nur bis zu einer Summe von 7 Mio Euro. Das ist zwar eine sehr unwahrscheinliche Summe, aber bei vielen Operationen und Folgekosten für die Versorgung der ganzen Familie kann es schon passieren, dass diese überschritten wird. Das ist ein spezifischer Fall, aber wer jemanden von der Talente Mobil Community mitnimmt weiß, dass dieses Risiko ausgeschlossen ist.
Dazu kommt noch ein Sicherheitsaspekt. Wer in ein Auto einsteigt, sollte das KFZ-Kennzeichen an eine Person schicken, um einfach Bescheid zu geben mit wem man unterwegs ist. Das gibt dem Mitfahrenden eine bestimmte Sicherheit, wird aber oft als Misstrauen gesehen. Die Community von Talente Mobil sieht dies als eine ganz normale Handlung, dass man einem Freund oder Bekannten, der auf einen wartet, Bescheid gibt.
Wir geben den Mitfahrenden zusätzlich „Talente“, mit denen sie die Fahrer fürs Mitfahren nach dem System von Talente Vorarlberg sozusagen „bezahlen“ können.
Im Gegensatz zu anderen Mitfahrbörsen wollen wir eher die kurzen und spontanen Strecken unterstützen. Die bestehenden Plattformen befassen sich, meist erfolgreich, mit den Langstrecken, doch bei Talente Mobil sollen auch spontane Mitnahmen wie eben beim Autostoppen möglich werden.
Wie erkennt man, wer dabei ist?
Die Mitglieder haben Ausweise, es gibt auch Bierdeckeln mit dem Logo, mit dem man Stoppen kann oder den man sich als Autofahrer hinter die Windschutzscheibe legen oder auf den Rückspiegel hängen kann. Damit zeigt man, dass man andere mitnimmt und sich an die Regeln der Community hält.
Wie viele Mitglieder gibt es bereits? Soll sich das Projekt über Vorarlberg hinaus ausweiten?
Talente Vorarlberg hat 1800 Mitglieder, die alle bei Talente mobil mitmachen. Der ÖAMTC ist mit seiner Mitgliederbasis ein starker Partner, er wird die Initiative sicher einmal beobachten und dann eventuell auch auf andere Bundesländer ausweiten. Das Forschungsprojekt läuft noch ein Jahr, dann wird der Status evaluiert werden. Bei Talente Vorarlberg ist das Mitfahren immer schon ein Thema, das wird auch sicher weiterhin so bleiben.
Gerade bei Events ist das interessant – momentan machen wir gerade eine Mitnahmetafel, wo sich Mitfahrende und Mitnehmende vernetzen können, auch eine App ist geplant. Was sich daraus noch entwickeln könnte, kann man nicht sagen.
Glaubst du, dass Autostoppen in Zukunft wieder gesellschaftsfähig wird?
Es gibt viel Bewegung im Mobilitätsbereich. Die Leute denken um, viele melden ihre Autos ab, viele nehmen den Klimawandel ernst. Auch das Tauschen und das gemeinsame Nutzen ist ein Phänomen, das wieder stark Aufschwung erhält. Zumindest für Talschaften wird so eine zusätzliche Mobilität geschaffen, dort, wo es auch notwendig ist. Gerade in den alpinen Regionen ist das sicher ein Thema, vielleicht auch bald darüber hinaus.