Auf der Hut
Hüte eignen sich gut als Sonnenschutz – kein wohlgehütetes Geheimnis, aber mitunter in Vergessenheit geraten. Denn die ganze große Zeit der Hüte ist vorbei. Mit der wachsenden Palette nachhaltig produzierter Hüte zeichnet sich jedoch ein kleines Comeback ab.
Theodore Roosevelt, Napoleon III und Ernest Hemingway hatten eines gemeinsam: Obwohl Lichtgestalten, führten sie ein Schattendasein. Jene vier besagten Herren waren nämlich allesamt passionierte Strohhutträger. Mittlerweile fristen jedoch die Strohhüte selbst, genau genommen der Hut als Accessoire im Allgemeinen, ein solches Schattendasein.
Gab es 1950 noch 483 Hutmacher- und 1204 Modistenbetriebe in Österreich, bewegen sich diese Zahlen 2018 nur noch im zweistelligen Bereich. In Deutschland sind es 200 Betriebe. Sieht man sich Fotos aus den hiesigen Zwanzigerjahren an, ist darauf kaum jemand zu finden, der keinen Hut trägt. Schirmmützen oder einfache Filzhüte waren die typischen Kopfbedeckungen der Arbeiterschaft und dazu da, vor Wind und Wetter zu schützen. Bei den Männern der Mittel- und Oberschicht galten Melonen, Zylinder, Homburger oder Fedorahüte als klassische Accessoires.
Die Hut-Revolution
Nach und nach verlor der Hut aber weitestgehend seine Rolle als Statussymbol, was dazu führte, dass die deutsche Hutindustrie Ende der Achtzigerjahre ihren Umsatztiefpunkt erreichte. In bestimmten Kreisen hat der Hut als Zugehörigkeitszeichen zwar überlebt, insgesamt aber viel seiner Eigenschaft, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Klasse auszudrücken, eingebüßt und kehrt weniger symbolisch aufgeladen gerade wieder zurück. Das bemerkt auch Stefan Korn, Mitbegründer des Berliner Labels ReHats: »Hüte sind wieder mehr im Kommen. Und das gar nicht mal vorrangig im hipstrigen Berlin, wir bekommen vor allem aus dem Süden Deutschlands, aus Österreich und der Schweiz immer mehr Anfragen nach einem Hut oder einer Cap, die zwar auffallen, aber gut im Alltag tragbar sind.«
Ecuador, nicht Panama
Während Hüte im Winter dafür sorgen können, dass nicht zu viel Körperwärme entweicht, stellen sie als Sommeraccessoire sicher, dass nicht aus jedem kühlen Kopf ein Hitzkopf wird. Diesen Bereich decken vor allem sogenannte Panamahüte ab, handgeflochtene Strohhüte mit den für sie typischen schwarzen Bändern, die man aus so manchem Strandshop zu kennen meint. Die industrielle Billigware, die es dort zu kaufen gibt, hat jedoch mit dem echten Panamahut nur wenig zu tun. Traditionell wird er aus der Toquilla-Palme gefertigt, die nur an der Westküste Ecuadors vorkommt.
Obwohl der Name etwas anderes vermuten lässt, ist also Ecuador das eigentliche Herkunftsland dieser luftigen Hüte. Zentrum der Produktion ist Montecristi, eine Kleinstadt, in der täglich Hunderte Meter Stroh auf Wäscheleinen zum Trocknen aufgehängt werden. In einem Panamahut mittlerer Qualität stecken in etwa zwei Tage Arbeit. Sogenannte Superfinos, Strohhüte allerbester Qualität, nehmen erst nach mehreren Hundert Stunden ihre finale Form an. Sie sind aber nicht nur zeitlos, sondern vor allem auch praktisch: Leichte Strohhüte sind ein optimaler Sonnenschutz und weisen teilweise sogar eine UV-Zertifizierung auf. Entspricht der Hut laut Etikett dem UV-Standard 801, wurde er unter realistischen Tragebedingungen ausreichend getestet und hält den angegebenen Sonnenschutzfaktor ein.
Natürlich behütet
Jennifer Graf vertreibt die Panamahüte der ecuadorianischen Marke Ecua Andino in Österreich und erklärt, dass diese Strohhüte ausschließlich aus Stroh und in Handarbeit gefertigt werden. Als Bleichmittel kommt zwar Wasserstoffperoxid zum Einsatz – dieses ist jedoch, in solch kleinen Mengen ökologisch unbedenklich, da es schon nach kurzer Zeit in Wasser und Sauerstoff zerfällt. In puncto Nachhaltigkeit hat der Hutsektor mittlerweile jedoch mehr zu bieten als Strohhüte. Beispielsweise haben auch Traditionsunternehmen, wie das Wiener Hutfachgeschäft Mauerer, aus Biobaumwolle gefertigte Produkte in ihr Sortiment aufgenommen.
Als größter Händler der traditionsreichen Marke Stetson werden hier auch aus Biobaumwolle gefertigte Kopfbedeckungen der Marke angeboten. Die Hüte des kanadischen Labels Tilley werden in Handarbeit hergestellt. Unter ihnen finden sich auch einige Modelle aus Biobaumwolle. Viele der Tilley-Sommerhüte weisen einen geprüften Sonnenschutz bis Sonnenschutzfaktor 50+ auf – ein paar davon wurden sogar mit speziellen Kühlkissen ausgestattet, die durch Verdunstungskälte an besonders heißen Tagen für Abkühlung sorgen sollen.
Die deutsche Marke ReHats beschäftigt sich bei ihrer Hutproduktion ausschließlich mit Weggeworfenem. »Für unsere Hüte verwenden wir nur wiederverwendete Materialien, echte Kaffeesäcke aus 100 Prozent Jute und für das Innenfutter kommen Reststoffe zum Einsatz – Rollenreste von Designerstoffen, die alle Oeko-Tex100 zertifiziert sind«, erklärt Stefan Korn. »Mit ReHats vereinen wir Individualität mit Nachhaltigkeit. Einen echten Kaffeesack hat eben kaum jemand auf dem Kopf. Und falls doch, sieht trotzdem jedes Stück anders aus, weil es ein Unikat ist.« Die Nachfrage stieg kontinuierlich, inzwischen sind ReHats auch in Geschäften in Japan und Neuseeland vertreten. »Besonders hutverrückt sind aber die Franzosen und Italiener«, fügt er noch hinzu. Bei einer solchen Bandbreite an umweltfreundlich produzierten Hüten entscheiden sich in diesem Sommer möglicherweise mehr Menschen dazu, hin und wieder in ihrem eigenen Schatten zu stehen.